Wahl: Kippen Richter die Fünf-Prozent-Klausel?

Saarbrücken. Gilt bei der Landtagswahl am Sonntag weiterhin die Fünf-Prozent-Hürde oder gilt sie nicht? Wenn der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes darüber morgen verhandelt, wird diese Sperrklausel gegen kleinere Parteien dort zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate auf dem Prüfstand stehen

Saarbrücken. Gilt bei der Landtagswahl am Sonntag weiterhin die Fünf-Prozent-Hürde oder gilt sie nicht? Wenn der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes darüber morgen verhandelt, wird diese Sperrklausel gegen kleinere Parteien dort zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate auf dem Prüfstand stehen.Bei der großen Anfechtung der Landtagswahl 2009 hatten die acht Richterinnen und Richter am 29. September 2011 entschieden: Die 1952 im Saarland eingeführte Fünf-Prozent-Klausel bewirke zwar eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen und beeinträchtige die Chancengleichheit der Parteien, die sich zur Wahl stellen. Die Klausel, wonach bei der Verteilung der Sitze im Landtag nur Parteien mit mehr als fünf Prozent der gültigen Wählerstimmen berücksichtigt werden dürfen, sei aber (noch) mit der Verfassung des Saarlandes vereinbar. Sie habe ursprünglich dem Ziel gedient, nach den Erfahrungen der Weimarer Republik (1918/19 - 1933) eine Zersplitterung der Parlamente zu vermeiden und die Bildung regierungsfähiger Mehrheiten zu erleichtern. Diese Funktionsfähigkeit der Parlamente sei ursprünglich ein nach dem Verfassungsrecht legitimer Grund zur Einschränkung der Wahlgleichheit gewesen.

Aber, so die Richter weiter: Die Vereinbarkeit einer solchen Sperrklausel mit der Verfassung stehe nicht ein für alle Mal fest. Sobald sich die grundlegenden Verhältnisse in Staat, Gesellschaft und Parteienlandschaft ändern, müsse die Sperrklausel anhand der neuen Gegebenheiten überprüft werden. Diese Aufgabe habe der Landesgesetzgeber - der 2008 die Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen abgeschafft hat - noch vor sich. Eine Frist, bis wann dies zu geschehen hat, nannten die Saar-Richter in ihrem Urteil vom 29. September 2011 nicht. Ganz ähnlich argumentierte am 9. November 2011 das Bundesverfassungsgericht. Es stufte die Fünf-Prozent-Klausel bei der Europawahl von 2009 zwar als verfassungswidrig ein - erklärte diese Wahl aber (noch) nicht für ungültig.

An diese Urteile knüpft die "Initiative Direkte Demokratie" an. Deren Bundesvorsitzender, Jura-Professor Michael Elicker, sagt: "Wir brauchen mehr Wettbewerb in der Politik." Die Sperrklausel begünstige große Parteien. Sie diene dazu, kritischen Bürgern den Zugang zum Parlament und die Kontrolle der Mächtigen zu verwehren. Sie sei schlicht verfassungswidrig.

Hintergrund

Die Fünf-Prozent-Klausel bei Landtagswahlen im Saarland wurde 1952 eingeführt. Sie führt dazu, dass Parteien, die weniger als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten haben, nicht bei der Verteilung der Landtagssitze berücksichtigt werden. Ohne Klausel wären für ein Mandat rund zwei Prozent der Stimmen erforderlich. Diese Hürde hätte bei der Landtagswahl 2009 die Familienpartei mit 2,0 Prozent (10 710 Stimmen) genommen. Die NPD hätte sie mit 1,5 Prozent (8099 Stimmen) knapp verpasst. Bei der Wahl 2004 wären ohne Sperrklausel Familienpartei (ein Sitz) und NPD (zwei Sitze) in den Landtag gekommen. wi

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