"Altersschwacher Atommeiler muss vom Netz"Bürgermeister fordern StilllegungCDU im Kreistag für internationale Sicherheitskommission FDP fordert Aufklärung über Notfallpläne bei nuklearem Unfall

Merzig-Wadern. Am Mittwoch erklärte der Chef der Merziger Stadtratsfraktion der Grünen, Klaus Borger (Foto: ags): "Der alterschwache Meiler muss zeitnah in den Ruhestand verabschiedet, das heißt stillgelegt, werden." Diese Forderung würden die Merziger Grünen bereits seit Jahren erheben

Merzig-Wadern. Am Mittwoch erklärte der Chef der Merziger Stadtratsfraktion der Grünen, Klaus Borger (Foto: ags): "Der alterschwache Meiler muss zeitnah in den Ruhestand verabschiedet, das heißt stillgelegt, werden." Diese Forderung würden die Merziger Grünen bereits seit Jahren erheben. Und ihre Richtigkeit sieht Borger durch die Ereignisse in Japan in erschreckendem Maße bestätigt: "Das AKW Cattenom ist mehr als in die Jahre gekommen, und der Zahn der Zeit nagt zunehmend an diesem Atomgiganten. 750 sicherheitsrelevante Ereignisse seit Betriebsbeginn mit einer deutlichen Zunahme in den letzten Jahren zeigt, dass diese Anlage altersschwach ist und umgehend stillgelegt werden muss."

"Keine Sicherheit"

Borger hofft, dass auch die französischen Nachbarn im Angesicht des drohenden Super-GAUs in Japan zu einer "Neubewertung dieser Risikotechnologie" kommen. Für Borger sind die besonderen Gefahren der Atomkraft durch das Fukushima-Desaster offenkundig geworden: "Auch wenn das Risiko von Naturgewalten bei uns geringer ist, bedeutet dies jedoch nicht Sicherheit. Auch in Japan ging man von absoluter Sicherheit aus, doch das Unfassbare ist eingetreten. Selbst kleine technische Störungen können unabsehbare Folgen haben, menschliches Versagen ist oft genug Anlass für Betriebsstörungen." Im Falle von Cattenom komme hinzu, dass weder Reaktorgebäude noch Technikzentrale und sonstige Betriebsanlagen gegen terroristische Anschläge oder Flugzeugabstürze gesichert seien. Zudem sei die Anlage in die Jahre gekommen, der Zahn der Zeit nage zunehmend an diesem Atomgiganten.

Ähnlich äußert sich die SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Anke Rehlinger (Foto: ags): "Wie viele Diskussionen über Sicherheitsstandards um Cattenom sollen denn noch geführt werden? Seit Jahren werden wir immer und immer wieder mit mehr oder weniger gravierenden Störfällen aus dem AKW konfrontiert." Laut Umweltministerium habe es seit Bestehen des Kraftwerks 750 sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben. Allein im vergangenen Jahr wurden die saarländischen Behörden über sieben sicherheitsrelevante Ereignisse der Stufe 1 informiert. Die SPD-Politikerin: "Zu Jahresbeginn wurden innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Mitarbeiter gefährlichen Strahlungen ausgesetzt."

Es sei bekannt, dass Cattenom zu einer Reihe von unsicheren Kernenergie-Anlagen zähle, so Rehlinger, die auch energiepolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion ist. Darum plädiere sie für ein Abschalten von Cattenom. "Die SPD fordert Gespräche auf EU-Ebene, die den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie zum Ergebnis haben." Wenig Verständnis zeigt Rehlinger für die Äußerungen von Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich in diesem Zusammenhang. "Beschwichtigungen und die Darstellung der Atomenergie als alternativlos in Sachen Energieversorgung sind Ausdruck genau der Haltung in einer verfehlten Energiepolitik, die uns heute in diese Misere geführt hat", kritisiert Rehlinger.

"Unbeherrschbare Risiken"

Von der Landrätin eines Kreises, der sich nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt von einem altersschwachen Atommeiler befinde, erwarte sie, "dass sie an der Spitze der Bewegung steht, wenn es darum geht, gegen die unbeherrschbaren Risiken der Atomkraft vorzugehen". Zur Frage der konkreten Sicherheitsvorkehrungen im Saarland allgemein und im Landkreis Merzig-Wadern speziell hat die SPD-Fraktion ebenfalls für den kommenden Freitag im Umweltausschuss des Landtages einen Bericht der Landesregierung beantragt.Merzig-Wadern. In einer gemeinsamen Resolution haben die Bürgermeister der vier saarländischen Kommunen, die sich am nächsten zu Cattenom befinden, gestern ebenfalls die Abschaltung der Anlage gefordert. "Wir, die Bürgermeister der Kommunen im besonders gefährdeten 25 Kilometerradius des Kernkraftwerks Cattenom (Merzig, Mettlach, Perl und Rehlingen-Siersburg) sind tief bestürzt und betroffen über die aktuellen Ereignisse in Japan", heißt es in der Erklärung von Alfons Lauer (Merzig), Martin Silvanus (Rehlingen-Siersburg), Carsten Wiemann (Mettlach) und Bruno Schmitt (Perl). Diese Naturkatastrophe zeige, dass die Atomtechnologie nicht beherrschbar sei. "Die Nähe des Atomkraftwerks Cattenom erfüllt uns mit großer Sorge, vor allem aufgrund der zahlreichen Störfälle der letzten Monate." Die Bürgermeister sehen hierin eine Gefahr für die Sicherheit der Bevölkerung. "Wir fordern, dass für dieses Kraftwerk die gleichen Sicherheitsstandards angewendet werden wie für die jetzt stillgelegten Altkraftwerke in Deutschland. Deshalb fordern wir von der Regierung der französischen Republik die sofortige Abschaltung des AKW Cattenom." Die Bürger ihrer Städte und Gemeinden werden von den Rathauschefs aufgerufen, "dieser Forderung durch ihre Unterschrift Nachdruck zu verleihen". cbeMerzig-Wadern. Auch die FDP im Kreistag will Cattenom zum Thema in den Kreisgremien machen: Die Fraktionsvorsitzende Marion Etringer hat bei der Verwaltung die zeitnahe Einberufung einer Sitzung des Ausschuss für Energie, Klima- und Naturschutz, Landnutzung und nachhaltige Entwicklung beantragt.

Zunehmende Verunsicherung

In dieser Sitzung soll es um die bestehenden Notfallpläne für den Fall eines nuklearen Unfalls in der Anlage in Lothringen gehen. Hier bestehe in der Bevölkerung "angesichts der dramatischen Entwicklungen in Japan" eine zunehmende Verunsicherung, so Etringer. Sie verlangt unter anderem detaillierte Informationen darüber, ob es Schutzzonen oder Sicherheitsstufen und damit verbundene Evakuierungspläne für den Kreis gibt. cbe

Merzig-Wadern. Die CDU-Kreistagsfraktion wird für die nächste Sitzung des Kreistags eine Resolution zum Thema Cattenom einbringen. Dies kündigte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Dillschneider gestern an. Zentrale Forderung der Resolution: Eine internationale Sicherheitskommission, mit unabhängigen Fachleuten besetzt, solle die Sicherheit in allen Kernkraftwerken weltweit überprüfen und gegebenenfalls verbindliche Stilllegungs-Beschlüsse fassen dürfen. Die Bundesregierung wird in der Resolution aufgefordert, sich auf internationaler Ebene hierfür stark zu machen. Die jetzt in Deutschland getroffene Entscheidung, alle Atomkraftwerke erneut auf den Prüfstand zu stellen, müsse auf alle weitere Länder, die auf Atomkraft setzen, ausgeweitet werden. Dillschneider: "Was für Deutschland zukünftig gelten soll, muss auch weltweit Sicherheitsmaßstab werden." Ausdrücklich begrüßt wird in dem CDU-Resolutionsentwurf die Entscheidung der Bundesregierung, die bereits beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche AKW vorerst auszusetzen und zunächst die Nuklearanlagen erneut auf deren Sicherheit zu untersuchen. "Das alleine genügt aber nicht", heißt es im Text. In 14 europäischen Staaten stünden 143 Reaktoren, darunter allein 58 in Frankreich. cbe

"Was für Deutschland zukünftig gelten soll, muss weltweit Sicherheits- maßstab werden."

Dirk Dillschneider

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