Von Maas und Prinz Charles

Herr Misch, das Saarland ist anders als andere Bundesländer weil…Misch: …wir hier die Linkspartei haben, die über eine ungeheure Mobilisierung verfügt, was aber nicht auf Dauer der Fall sein muss.Herr Hofrichter, das Image des Saarlandes wird vor allem geprägt durch…Hofrichter: …die Nähe zu Frankreich

 Meinungsforscher Jürgen Hofrichter (Infratest dimap) und der Politikwissenschaftler Prof. Axel Misch waren diesmal bei SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (von links) im SR-Fernsehstudio zu Gast. Foto: Oliver Dietze

Meinungsforscher Jürgen Hofrichter (Infratest dimap) und der Politikwissenschaftler Prof. Axel Misch waren diesmal bei SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (von links) im SR-Fernsehstudio zu Gast. Foto: Oliver Dietze

Herr Misch, das Saarland ist anders als andere Bundesländer weil…Misch: …wir hier die Linkspartei haben, die über eine ungeheure Mobilisierung verfügt, was aber nicht auf Dauer der Fall sein muss.

Herr Hofrichter, das Image des Saarlandes wird vor allem geprägt durch…

Hofrichter: …die Nähe zu Frankreich.

Herr Misch, große Koalitionen können theoretisch große Probleme leichter lösen, weil…

Misch: … sie über breite Mehrheiten im Parlament verfügen. Diese müssen aber auch mobilisiert werden.

Herr Hofrichter, die Landtagswahl bleibt spannend, weil…

Hofrichter: …sich ein Duell abzeichnet, und zum ersten Mal die Wähler mit ihrer Stimme über die Besetzung des Ministerpräsidentenpostens direkt entscheiden können.

Herr Misch, Überraschungen am Wahlabend wären,...

Misch: …wenn die FDP wieder reinkommt.

Herr Hofrichter, Wahlforscher haben es heute deutlich schwerer als früher, weil…

Hofrichter: …sich die Leute später entscheiden, öfter wechseln und viele unentschieden sind fast bis zum Schluss.

Herr Misch, das wichtigste Indiz dafür, dass Annegret Kramp-Karrenbauer Ministerpräsidentin bleibt, ist...

Misch: …, dass es ihr gelungen ist, die Turbulenzen der Auflösungen von Jamaika mit Anstand über die Bühne zu bringen und weiterhin mit dem Herausforderer auf Augenhöhe verkehren kann.

Herr Hofrichter, das wichtigste Indiz dafür, dass Heiko Maas Ministerpräsident wird, ist…

Hofrichter: Er hat seine Truppen hinter sich geschart, und sie sehen die Chance, zum ersten Mal seit zwölf Jahren die SPD in die Regierung und die sogar mit ihm als Chef zu führen.Herbst: Herr Misch, CDU und SPD haben sich bereits im Vorfeld auf eine große Koalition festgelegt. Wir erleben den wohl ungewöhnlichsten Wahlkampf in der Geschichte des Saarlandes. Ist dieser Wahlkampf auch bundesweit einmalig?

Misch: Er ist einmalig. Mir ist kein Beispiel bekannt, dass sich die beiden großen Parteien im Vorfeld der Wahl faktisch für eine große Koalition abgesprochen haben. Normalerweise ist eine große Koalition die Ausnahme, die man zähneknirschend akzeptiert. (…)

Klein: Herr Hofrichter, Dreier-Konstellationen haben zuletzt nicht mehr funktioniert. Ist das auch ein Hinweis darauf, dass bundesweit Zweier-Konstellationen künftig den Vorzug haben?

Hofrichter: Man könnte derzeit den Eindruck haben. (…)

Herbst: Ist Jamaika verbrannt für andere Länder?

Misch: Zunächst mal ja. Nicht zuletzt deswegen, weil sich ein Partner dieser Jamaika-Koalition, die FDP, selbst zerlegt hat. Und das ist ein Menetekel für andere Bundesländer.

Klein: Es gibt ein afrikanisches Sprichwort: Wenn Elefanten sich lieben, ist das Gras platt. Was bedeutet das Votum für die große Koalition für die kleinen Parteien?

Misch: Das Saarland ist ja eines der Bundesländer, wo die kleinen Parteien traditionell schwach sind. Die FDP und die Grünen waren viele Legislaturperioden gar nicht im Landtag. Dadurch, dass sich die FDP quasi selbst zerlegt hat, ist die Motivation nicht groß, sie zu wählen. Überraschend ist die Schwäche der Grünen.

Herbst: Könnte es sein, dass wir zum Schluss nur ein Dreiparteienparlament haben?

Hofrichter: Das kann durchaus sein (…) Das Kompetenzprofil der FDP existiert praktisch nicht mehr. Sie hat in zwei Jahren das Vertrauen verspielt. (…) Bei den Grünen kommt hinzu, sie haben strukturelle Probleme. Im katholisch-ländlichen Raum sind sie nie besonders stark gewesen. Zudem ist ihnen mit den Piraten ein Gegner auf eigenem Terrain erwachsen, der um ähnliche Wählergruppen konkurriert.

Klein: Bei der vorigen Wahl gab's einen Dreikampf: Peter Müller, Heiko Maas und Oskar Lafontaine um das Amt des Ministerpräsidenten. Diesmal ist es ein Duell zwischen Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer. Wie wirkt sich das auf die Motivation insbesondere der Linkswähler aus?

Misch: Vor zwei Jahren war die Linke noch in Saft und Kraft. Jetzt ist die Linke in Gefahr, im Bund wie in den Ländern links liegen gelassen zu werden. Und eindeutig: Der Spitzenkandidat Lafontaine hat politisch und biologisch seinen Zenit überschritten, und er steht ernsthaft für dieses Amt nicht mehr an. So gibt es jetzt eine Zweier-Konstellation mit einer sehr interessanten Konsequenz: Der Wähler entscheidet faktisch mit seiner Stimme, wer Ministerpräsident wird. (…) Es ist fast eine Direktwahl.

Herbst: Wo sehen Sie Stärken und Schwächen der beiden?

Misch: Für mich ist interessant, dass Heiko Maas, der ja so ein bisschen was wie der Prinz Charles der saarländischen Politik war, doch diesen Atem hatte, über zehn Jahre bei der Stange zu bleiben. (…) Andererseits sind für mich die sehr guten Werte der Ministerpräsidentin erstaunlich. Die im 'Reich' kaum nachvollziehbare Aufkündigung von Jamaika hat ihr nicht geschadet.

Herbst: Bei Ihrer Umfrage lagen die Piraten bei fünf Prozent, obwohl es damals nicht mal ein Wahlprogramm gab. Wie ist das zu erklären?

Hofrichter: Die Piraten treffen offenbar einen Nerv der Computer- und Netzgemeinde, und das nicht nur in städtischen Milieus. (…)

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