Vom malerischen Bild blieb wenig

Saarbrücken · Ein neues Buch legt dar, welche große Bedeutung der Bau der Saarbrücker Johanneskirche für die gesamte Stadtentwicklung hatte.

 Ein Blick vom Rathausplatz auf die Saarbrücker Johanneskirche um die Jahrhundertwende. Foto: Becker&Bredel/dpa - Report

Ein Blick vom Rathausplatz auf die Saarbrücker Johanneskirche um die Jahrhundertwende. Foto: Becker&Bredel/dpa - Report

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Ende des 19. Jahrhunderts braucht die evangelische Johannes-Gemeinde dringend eine neue Kirche. Denn für die stark wachsende Zahl ihrer Mitglieder war die von Baumeister Friedrich Joachim Stengel errichtete Kirche zu klein geworden. Um sich Klarheit über die benötigte Grundstücksgröße und die Kosten zu verschaffen, ließ die Gemeinde zwei heimische Architekten, Friedrich Merz und Heinrich Güth, 1890 Vorentwürfe anfertigen. Zumindest für die Kostensicherheit hat es nichts genützt. Die Baukosten wurden am Ende mit 540 000 Mark doppelt so teuer.

Merz, so schreibt Architekturhistorikerin Marlen Dittmann im neuen Buch über die "Kirche im Mittelpunkt der Stadt Saarbrücken", schwebte ein monumentales Bauwerk vor, mit dem sich die Gemeinde als Zeugnis des Selbstbewusstseins repräsentiert. Nur ein Grundstück kam in Frage: Am Ende der Kaiserstraße. Doch dort herrschte 1894, als nach Entwürfen von Güth mit dem Bau begonnen wurde, noch weitgehend Ödnis. Auch das Rathaus, mit dem man sich messen wollte, war noch gar nicht gebaut. Vielmehr hat die Kirche dessen Aussehen wesentlich beeinflusst.

Maßgeblich dazu beigetragen hat ein Wiener, der Städtebauer und Kulturhistoriker Camillo Sitte, der sich damals für einen Städtebau nach künstlerischen und nicht nur funktionalen Grundsätzen aussprach. Er verstand die Stadt als Kunstwerk und sprach sich für ein "malerisches Stadtbild" aus, bei dem Plätze eine wichtige Rolle spielten. Mit seinen Schriften inspirierte er auch die Saarbrücker Planer und Georg von Hauberisser, der das Saarbrücker Rathaus von St. Johann entwarf, das zwei Jahre später als die Kirche fertiggestellt wurde. Wie die kurz darauf eingeweihte Hauptpost und die Bürgerhäuser daneben sind alle diese Gebäude mit dem gleichen roten Sandstein gebaut. Dazwischen entstand ein großer, freier Platz.

Vom harmonischen Ensemble, dem "malerischen Stadtbild" kann man heute nur noch wenig ahnen. Vor allem der anschwellende Autoverkehr hat den Platz zunehmend zerstört. Abgase und Erschütterungen durch die Tram beschädigten die Kirche und machten Sanierungen nötig, die mangels Geld noch lange nicht abgeschlossen sind. Heute, bedauert Dittmann, ergibt dieser historisch bedeutende Platz eher ein trauriges denn malerisches Bild.

"Kirche im Mittelpunkt der Stadt Saarbrücken", Herausgeber: BauVerein Johanneskirche, Röhrich Verlag, 14,80 Euro

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