Vom Königsmacher zum neuen Papst

Den Argentinier Jorge Mario Bergoglio hatte am Ende kein Experte mehr auf der Rechnung. Zu alt sei er mit seinen 76 Jahren, hieß es. Er gelte höchstens als "Königsmacher". Aber offenbar hatte der Erzbischof von Buenos Aires in dem Konklave noch hervorragende alte Kontakte. 2005 war er der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen nach Kardinal Joseph Ratzinger

Den Argentinier Jorge Mario Bergoglio hatte am Ende kein Experte mehr auf der Rechnung. Zu alt sei er mit seinen 76 Jahren, hieß es. Er gelte höchstens als "Königsmacher". Aber offenbar hatte der Erzbischof von Buenos Aires in dem Konklave noch hervorragende alte Kontakte. 2005 war er der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen nach Kardinal Joseph Ratzinger. Insidern zufolge rang der Jesuit damals Stimme um Stimme mit dem späteren Papst um den Sieg. Und erst sein Verzicht auf das Amt im letzten Wahlgang habe die Wahl von Ratzinger möglich gemacht.Bergoglio galt allerdings spätestens nach einem Artikel von vor zwei Jahren nicht mehr als "papstfähig", der ihn in die Nähe der argentinischen Diktatur von 1976 bis 1983 rückte. Die linke argentinische Tageszeitung "Página 12" veröffentlichte im April 2010 fünf Zeugenaussagen, die Bergoglio als aktiven Helfer der Militärs bei der Unterdrückung Andersdenkender bezeichneten.

Mit Bergoglio, der Papst Franziskus I. sein wird, hat Lateinamerika dennoch nun seinen ersehnten Papst bekommen. Die Gläubigen zwischen Argentinien und Mexiko forderten schon lange ein Oberhaupt der katholischen Kirche aus ihrer Region. Immerhin leben 42 Prozent der 1,2 Milliarden Anhänger der römisch-katholischen Kirche in Lateinamerika und der Karibik. Zum Vergleich: In Europa sind es gerade einmal 25 Prozent.

Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Ursprünglich studierte er Chemie, entschied sich aber später für den Priesterberuf und wurde Jesuit. Er studierte Philosophie und Theologie. Nach seiner Priesterweihe im Dezember 1969 brachte er es schnell zum Jesuiten-Provinzial Argentiniens. Um seine Dissertation zu beenden, kam er 1985 nach Deutschland - und spricht seither neben Spanisch und Italienisch auch Deutsch. Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1998 zum Erzbischof von Buenos Aires. Seit 2001 gehört Bergoglio dem Kardinalskollegium an; von November 2005 bis 2011 war er Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz.

Bergoglio verbindet ausgesprochen konservative Auffassungen über Sexualmoral, Schwangerschaftsabbruch, Kondome und Homosexualität mit einem frugalen Lebensstil. Er verzichtete als Erzbischof auf die Limousine und zog dem erzbischöflichen Palais eine Wohnung vor. Für den Weg zur Arbeit nutzt er öffentliche Verkehrsmittel. Er profilierte sich als Fürsprecher der Armen in Lateinamerika, erhebt immer wieder die Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit. "Wir leben in einem Teil der Welt, der am meisten gewachsen ist und dennoch die Armut am wenigsten verringert hat", sagte er mal bei einem Treffen lateinamerikanischer Bischöfe. "Die ungleiche Verteilung der Güter ist eine soziale Sünde, die zum Himmel schreit."

Auf Papst Franziskus I. warten enorme Aufgaben. Allen voran in seiner Heimatregion. In Lateinamerika laufen der katholischen Kirche die Gläubigen in Scharen zu evangelikalen Freikirchen davon. "In Lateinamerika hat der Vatikan in den vergangenen Jahren um Homo-Ehe, Schwangerschaftsabbruch und Verhütung gekämpft, aber die Themen aus den Augen verloren, die den Gläubigen wichtig sind", kritisiert Bernardo Barranco, mexikanischer Kirchenexperte: Armut, Menschenrechte, Ungleichheit, Migration seien Sache einiger weniger engagierter Kirchenmänner in der Region. Aber kein Thema für den Klerus. Der neue Papst müsse an dem Punkt "soziale Sensibilität" entwickeln.

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