Vom Kinderparadies zum Interfilm-Empfang

Saarbrücken. Gegen Mittag verspürt Jörg Metzinger eine leichte Magenverstimmung. Was aber nicht auf "South", den ersten Wettbewerbsfilm, zurückzuführen ist, den der Saarbrücker Pfarrer und diesjährige Interfilm-Jurypräsident an diesem Morgen begutachtet hat. "Ich hab etwas zu wenig geschlafen und gegessen", gesteht Metzinger

Saarbrücken. Gegen Mittag verspürt Jörg Metzinger eine leichte Magenverstimmung. Was aber nicht auf "South", den ersten Wettbewerbsfilm, zurückzuführen ist, den der Saarbrücker Pfarrer und diesjährige Interfilm-Jurypräsident an diesem Morgen begutachtet hat. "Ich hab etwas zu wenig geschlafen und gegessen", gesteht Metzinger. Dank eines kurzen Abstechers ins "Kinderparadies" des Cinestar, wo das MOP-Festival für alle seine Juroren ständig leckere Häppchen bereithält, hat sich sein Magen wieder beruhigt. Aber etwas bleich sieht der Pfarrer noch aus, während er auf den letzten Drücker in den nächsten Wettbewerbsfilm eilt. Am Abend zuvor hat ihm jemand eine DVD mit dem neuesten Saar-Tatort zugesteckt. Die habe er sich nachts um zwei daheim unbedingt noch ansehen müssen und verrät darüber nur so viel: "Der wird sicher niemanden kalt lassen." Und das "Unkraut im Paradies", aus dem er inzwischen wieder herauskommt? Vor dem Wettbewerbsende öffentlich ausplaudern, gilt für Juroren als unfein. Aber zum Kurzfilm "Heimspiel" über einen Ethik-Lehrer, der sich in der Freizeit als Hooligan prügelt, hat Metzinger, der selbst eine Jungengruppe leitet, eine dezidierte Meinung. "Interessantes Thema, aber so kann man das nicht stehen lassen, viel zu viel Gewaltdarstellung und schlecht recherchiert." Denn das alttestamentarische "Auge um Auge" sei historisch ein "Riesenfortschritt" gewesen, da es die legitime Reaktion auf Gewalt auf das gleiche Ausmaß begrenzt habe. Damit hat Metzinger die Frage, ob man als Theologe andere Kriterien an Kinofilme stellt, schon halb beantwortet. "Ne seichte Komödie, die nur gut gemacht ist, damit hätte ich ein Problem." Raus aus dem Kino, rein ins Auto. Metzinger muss zur Johanneskirche, wo bald der Interfilm-Empfang beginnt. Im Kofferraum stapeln sich Kisten mit Tellern und Löffeln. "Wir servieren immer eine Suppe, die ist berühmt."Sein Helferteam ist schon beim Aufbau. Metzinger verteilt die Stühle, checkt die Tonanlage, kümmert sich um einen Obdachlosen, der beichten will, rennt zur Diskontopassage, um für die Minestrone Brot zu besorgen. "Voriges Jahr kamen 100 Leute zum Empfang." Diesmal sind es außer den drei übrigen Jury-Kollegen nur eine Hand voll. Der Termin sei ungünstig, weil die Branchengäste erst am Donnerstag anreisen, sagt Metzinger.

Die Interfilm-Jurorin aus der Schweiz ist von der Saarbrücker Band "Todos Los Buitres" begeistert. "Die würde ich am liebsten nach Biel einladen." Schon muss man wieder zurück ins Cinestar, zum "Suicide Club". Der Saal ist knallvoll. Danach reicht die Pause noch für einen Sprung zu den Häppchen im "Kinderparadies".

Metzinger ist schon zum zweiten Mal Interfilm-Juror, gerade hat er mit Schülern selbst einen Film gedreht. Seitdem achte er viel mehr auf technische Feinheiten, auf Tonqualität, ob die Anschlüsse stimmen. Noch ein Film steht heute aus, danach kein Lolas Bistro, Metzinger will Schlaf nachholen. "'Ayla' sollten wir mal als potenziellen Kandidaten ins Auge fassen", meint er zu seinen Mit-Juroren. Die Schweizerin nickt zustimmend. Ob sie ihn tatsächlich schon heute finden, den "existenziellen", "gesellschaftlich relevanten" und "filmästhetisch überzeugenden" Film?

Stichwort

"Interfilm", gegründet 1955, ist ein internationales Netzwerk kirchlicher Filmarbeit, das der evangelischen Kirche nahe steht. Seit 1985 begleitet eine vierköpfige Interfilm-Jury neben der Hauptjury den Wettbewerb Max Ophüls Preis. Die Juroren in diesem Jahr sind: Eva Furrer-Haller, Vorstand der Filmgilde Biel/Schweiz, die Religionslehrerin Gudrun Hohenberger aus Österreich, der Medienpädagoge und Autor Reinhard Middel und Jörg Metzinger als Präsident. Das Preisgeld von 2000 Euro stiftet der Förderverein Johanneskirchenprojekt. Im Rahmen ökumenischer Filmjurys ist "Interfilm" weltweit bei 15 Festivals tätig, darunter Cannes, Locarno, Moskau, Cottbus, Mannheim-Heidelberg. sbu

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