Völklingen und der Fall Ostrolenk

Völklingen. Anfang der 1930er Jahre übernahm der jüdische Textilkaufmann Léon Ostrolenk in Völklingen das Konfektionsgeschäft seines verstorbenen Vaters. Nach der Saarabstimmung 1935 wurde er von der Gestapo verfolgt und floh nach Forbach. Von 1939 bis 1940 diente er in der französischen Armee. Wegen antifaschistischer Propaganda wurde er 1941 verhaftet und deportiert

 Die Postkarte zeigt die Völklinger Rathausstraße in den 1950er Jahren; rechts das Kaufhaus Ostrolenk, aus dem dann später der Kaufhof wurde. Fotos: SZ/Sammlung Kunkel

Die Postkarte zeigt die Völklinger Rathausstraße in den 1950er Jahren; rechts das Kaufhaus Ostrolenk, aus dem dann später der Kaufhof wurde. Fotos: SZ/Sammlung Kunkel

Völklingen. Anfang der 1930er Jahre übernahm der jüdische Textilkaufmann Léon Ostrolenk in Völklingen das Konfektionsgeschäft seines verstorbenen Vaters. Nach der Saarabstimmung 1935 wurde er von der Gestapo verfolgt und floh nach Forbach. Von 1939 bis 1940 diente er in der französischen Armee. Wegen antifaschistischer Propaganda wurde er 1941 verhaftet und deportiert. Obwohl sein Bruder, seine Schwester und seine Mutter im Konzentrationslager ermordet wurden, kehrte Léon Ostrolenk nach dem Krieg nach Völklingen zurück und baute ein neues Bekleidungsgeschäft auf. An dieser Stelle stand dann auch der Ex-Kaufhof, bis Ostrolenks Nachfahren das Gelände an die Stadt verkauften. Heute ist dort das neue City-Center geplant. Das bewegende Schicksal der Familie schildert Stadtarchivar Achim Becker in der neuesten Ausgabe der "Völklinger Schätze". Sie widmet sich der Betreuungsstelle für politisch Geschädigte bei der Stadt Völklingen. Von 1946 bis 1951 konnten dort Bürger, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden, eine Entschädigung beantragen. "Diese Akten sind eine sehr interessante Quelle", betonte Becker bei der Vorstellung des Heftes. Zu den 213 Einzelfallakten, die der Archivar erschlossen hat, gehört auch der Antrag des ersten gewählten Bürgermeisters der Stadt Völklingen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Fragebogen von Anton Tinnes ist als Faksimile beigelegt. Wegen öffentlicher politischer Betätigung im Sinne des Status quo, so die Begründung seiner Entschädigungsforderung, sei er 1935 zur Emigration gezwungen worden. Im Juli 1940 wurde er in Belgien verhaftet und wenig später nach Saarbrücken ins Gefängnis überführt. Nach der Entlassung im Mai 1941 folgte eine zweijährige Berufssperre. Wie gefordert lässt Tinnes die Angaben von drei Personen bestätigen. Ein Zeuge ist Johannes Hoffmann, späterer saarländischer Ministerpräsident. Wie die Anträge beschieden wurden, geht aus den Völklinger Akten nicht hervor. Um diese Frage zu beantworten, so Archivar Becker, müsste man im Saarbrücker Landesarchiv recherchieren. Die siebte Ausgabe der Völklinger Schätze ist Beckers Abschiedsgeschenk. Zum 1. Oktober übernimmt er die Leitung des Stadtarchivs von Steinfurt im Münsterland. Das zehnseitige Heft kostet 3,50 Euro und kann im Stadtarchiv, in der Buchhandlung Balzert, beim Heimatkundlichen Verein Warndt, bei der Tourist-Information im Alten Bahnhof, im Büro der Volkshochschule im Alten Rathaus, der Stadtbücherei sowie im Bürgerbüro des Neuen Rathauses erworben werden. Meinung

Ein Platz für Ostrolenk

Von SZ-RedakteurBernhard Geber Es ist schade, dass uns Achim Becker nicht das Ergebnis im Entschädigungs-Fall Adolf Tinnes präsentiert. Er hatte wohl keine Zeit mehr, im Landesarchiv zu recherchieren. Doch trotz dieser kleinen Lücke enthält die Reihe "Völklinger Schätze", die der scheidende Stadtarchivar hinterlassen hat, viel Lesens- und Erinnerungswertes. Schauen wir mal auf die jüdische Unternehmerfamilie Ostrolenk, deren Wirken in Völklingen jäh durch die Nazi-Zeit unterbrochen wurde. Viele, auch jüngere Bürger erinnern sich noch daran, "bei Ostrolenk" gekauft zu haben - dem Kaufhaus in der Innenstadt, aus dem später der Kaufhof wurde. Als der 1999 geschlossen wurde, hat sich die Familie Ostrolenk - gemeinsam mit Oberbürgermeister Hans Netzer, dann mit Klaus Lorig - um eine Wiederbelebung des Gebäudes bemüht. Und dann, als der Misserfolg klar wurde, zu einem fairen Preis an die Stadt verkauft. An der Stelle soll nun das neue City-Center entstehen. Mit einem Platz davor, der auch einen Namen bräuchte. Der könnte doch "Ostrolenk" lauten. Das nähme auch Leuten den Wind aus den Segeln, die kritisieren, dass die Stadt nur einseitig Personen wie Hermann Röchling würdige. Auf einen Blick In der Schriftenreihe "Völklinger Schätze" sind zuvor bereits erschienen: Die Fergersche Warndtkarte von 1640, die Einweihung des Rathauses zu Völklingen am 9. November 1907, das Denkmal "Allen Opfern" des Bildhauers Benno Elkan in Völklingen, 100 Jahre Feuerlöschwesen in Völklingen: 1830 - 1930, die Bürgermeisterei Völklingen während der Cholerapandemien des 19. Jahrhunderts, der Besuch des "Hauptmanns von Köpenick" in Völklingen am 7. Juni 1909. tan

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