Visionär Europas? Oder Vasall Frankreichs?

Saarbrücken · Johannes Hoffmann bewegt immer noch. Am Montag lief im überfüllten Saarbrücker Filmhaus eine Dokumentation über „Joho“, den ersten Ministerpräsidenten des Saarlandes.

 Johannes Hoffmann (1890-1967). Foto: Landesarchiv

Johannes Hoffmann (1890-1967). Foto: Landesarchiv

Foto: Landesarchiv

Europäischer Visionär? Oder Vasall Frankreichs? Demokrat? Oder Unterdrücker politischer Gegner? Bis heute ist Johannes Hoffmann, der erste Ministerpräsident des Saarlandes, umstritten. Regisseur Boris Penth hat eine Dokumentation über ihn gedreht, über die Amtszeit 1947-1955 und deren Höhepunkt am 23. Oktober 1955: die Abstimmung über das Saarstatut - darüber, ob das Saarland der BRD angegliedert wird oder unabhängig bleibt, unter starker Anbindung an Frankreich. 67 Prozent der Saarländer votierten gegen das Statut, Hoffmann trat zurück.

Penths Film "Europas Neubeginn - Johannes Hoffmann und das Saarland" war am Montagabend im überfüllten Saarbrücker Filmhaus zu sehen. "Joho" bewegt noch heute, vor allem, geht man vom Publikum im Kino aus, mehr Ältere als Jüngere. Mit Archivszenen und Zeitzeugen führt der Film in eine schmerzhafte Zeit: Unterschiedliche Meinungen spalten Familien, während Hoffmann gegen Gegner (Slogan "Der Dicke muss weg!") rabiat vorgeht. Der Film erzählt auch Hoffmanns Vorgeschichte - sein Kampf als Journalist gegen das NS-Regime; die Flucht 1935, als 90 Prozent der Saarländer für eine Eingliederung ans Deutsche Reich votieren; das Exil in Brasilien, die Rückkehr an die Saar, wo er die Christliche Volkspartei des Saarlandes (CVP) gründet.

Die Diskussion danach zeigte, wie dramatisch die Stimmung damals war. Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD), Jahrgang 1968 (Hoffmann starb 1967), erzählte, dass seine Großmutter und ein Onkel, politisch unterschiedlicher Meinung, erst in den 1980er Jahren wieder miteinander sprachen. Zeitzeuge Arno Krause, 83, Gründer der Europäischen Akademie Otzenhausen, erklärte, dass die Stimmung gegen das Statut erst spät gekippt sei, als 1954 die Idee einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte. "Viele dachten, dass es das Europa, von dem geredet wird, gar nicht gibt, und wollten dann lieber zur Bundesrepublik."

Wie soll man werten, fragte Moderatorin Sabine Janowitz (SR), dass Hoffmann nicht alle Parteien zuließ und die Pressefreiheit einschränkte? "Man darf unser demokratisches Selbstbild nicht auf das Jahr 1955 anlegen", argumentierte Historiker Paul Burgard vom Landesarchiv, ohne Hoffmann entschuldigen zu wollen. Den habe vor allem eines umgetrieben: "Die Angst vor der Rückkehr der Nationalsozialisten". Hat das Saarland damals die Chance verpasst, Zentrum einer europäischen Vision zu werden? Historiker Burgard ist skeptisch: "Diese ehrenwerten Visionen hatten wenig Chancen", nicht zuletzt wegen der Zustimmung des Saargebiets zu Hitler-Deutschland 1935. "Das war ein sehr großer unausgetragener Konflikt."

Der Film läuft noch einmal im Filmhaus: Mittwoch, 25.9., 17 Uhr. Info: www.carpediem-filmproduktion.de

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