Ornithologen schlagen Alarm Viele Vogelarten im Saarland sind bedroht

Saarbrücken · Besonders dramatisch nennen Vogelkundler die Lage derjenigen Vogelarten, die auf offene Landschaften angewiesen sind. Schuld ist meist der Mensch.

Nach zehn Jahren will das Saarland bis Ende 2018 eine neue Rote Liste der bedrohten Brutvogelarten aufstellen, wie aus einer Anfrage der Linken im Landtag hervorgeht. An der neuen Liste arbeitet die Landesregierung unter anderem mit dem Ornithologischen Beobachterring Saar (OBS). Dessen Sprecher Rolf Klein hat bisher gute wie schlechte Neuigkeiten. „Es gibt mehr Brutvogelarten im Saarland als je zuvor“, sagt Klein. Jedoch: „Die Zahl der Brutpaare geht zurück.“

Besonders dramatisch sei die Lage bei Arten, die auf offene Landschaften angewiesen sind. Bodenbrüter wie die Turteltaube oder das Rebhuhn gehören hier dazu. „Beim Rebhuhn haben wir keine 100 Brutpaare mehr. Noch schlimmer ist die Entwicklung beim Wiesenpieper. Aktuell haben wir keine zehn Paare mehr. In den 80ern waren es noch mehr als 1000. Und auch beim Braunkehlchen sind es aktuell deutlich unter zehn Paare“, sagt Klein.

Sorgen bereiten dem 33-Jährigen auch die Raubwürger: „Eventuell sind es nur noch zwei Paare.“ Verhältnismäßig gute Neuigkeiten hat Klein über den Star zu berichten. Im Vergleich zum restlichen Bundesgebiet fühle er sich im Saarland noch wohl. „Der Star genießt bundesweit die höchste Schutzstufe. Im Saarland haben wir noch einen guten Brutbestand. Er nistet gerne in Baumhöhlen, da kommt ihm zugute, das wir hierzulande einen relativ großen Bestand alter Streuobstwiesen haben“, erklärt Klein.

Laut Landesregierung zeigt der Trend bei vielen heimischen Vogelarten jedoch nach unten. Bei Vögeln, die offene Wiesen bevorzugen, gebe es einen anhaltenden Rückgang. In Siedlungen sei ein leichter Rückgang bei fast allen Arten zu verzeichnen. Ausnahmen seien hier Rabenkrähe und Elster. Einzig bei Arten, die den Wald als Lebensraum bevorzugen, sei eine stabile Population festzustellen, die jedoch nicht zunimmt. Im Gegensatz dazu nehme der Bestand bei invasiven Arten wie Nilgans oder Kanadagans deutlich zu.

Als Hauptursache für den Rückgang der Vogelpopulation nennt Klein die Intensivierung der Landwirtschaft, wobei er die Bauern selbst als Partner versteht. „Die Landwirte sind oft bereit, etwas für den Naturschutz zu tun. Oftmals scheitern jedoch schon kleine Vorhaben an der Bürokratie und den Vorgaben der EU“, sagt Klein, und: „Der Landwirt verzichtet auf eine kleine Fläche und damit auf Ertrag und steht dann vor großen Hürden. Verbesserungen in der Agrarpolitik sind möglich“, so Klein. Dass auch kleinere Aktionen funktionieren, zeigten die Ausgleichsmaßnahmen für das Gewerbegebiet Lisdorfer Berg. Hier seien Ackerflächen im Saarniedgau für die Vögel aufgewertet worden, was „schnell zu großen Erfolgen geführt hat“. Gerade bei der Bürokratie würde sich der Vogelkundler jedoch wüschen, dass die Bauern etwas mehr Unterstützung aus dem Umweltministerium erhalten.

Als weitere Gefahrenquellen für die Vogelfauna nennt die Landesregierung Hauskatzen sowie die Veränderung der Garten- und Grünanlagenstruktur in Dörfern und Städten. Aber auch den Vogelschlag an Glasflächen sowie die Zunahme der Outdoor-Sportarten, die gerade in sensiblen Zonen Vögel stören können. Doch auch die Windkraft, Gebäudesanierungen und -dämmung werden in der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion aufgeführt. Letzteres führe dazu, dass etwa Haussperrling und Mauersegler keine Brutplätze mehr finden.

Daneben sieht Klein das Insektensterben im unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung der Vogelpopulation. „Je weniger Insekten, desto weniger potenzielle Nahrung“, sagt er. Die große Koalition hat bereits angekündigt, in der Plenarsitzung am morgigen Mittwoch einen Antrag einzubringen, der das Saarland Wildbienen-freundlicher macht. „Den Kampf geben das Insektensterben können Politik, Landwirte und Imker nur gemeinsam gewinnen“, hieß es hierzu in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion.

Hier würde sich Vogelkundler Klein freuen, wenn noch ein Stühlchen am Tisch frei werden wäre: „Etwa 75 bis 80 Prozent der Probleme sind bei Insekten wie Vögeln gleich. Mit jedem Insekt fördert man auch den Vogelschutz.“ Und er macht Hoffnung: „Jetzt sind wir noch in der Situation, reagieren zu können. In zehn Jahren könnte es zu spät sein.“

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