Viel Dreck und ein fehlendes "L"

Luisenthal. Am Bahnsteig ist frische Farbe aufgetragen. Dicke weiße Striche schraffieren die Kante und Minuten später wird klar warum. Donnernd rast ein Autozug durch den Bahnhof Luisenthal, er pfeifft kurz, um auf sich aufmerksam zu machen, dann drückt der Fahrtwind auch schon gegen den Körper, dass es einen fast umhaut

 Heute bedecken Farbschmierereien die Gemäuer des Bahnhofs in Luisenthal. Foto: Becker&Bredel

Heute bedecken Farbschmierereien die Gemäuer des Bahnhofs in Luisenthal. Foto: Becker&Bredel

Luisenthal. Am Bahnsteig ist frische Farbe aufgetragen. Dicke weiße Striche schraffieren die Kante und Minuten später wird klar warum. Donnernd rast ein Autozug durch den Bahnhof Luisenthal, er pfeifft kurz, um auf sich aufmerksam zu machen, dann drückt der Fahrtwind auch schon gegen den Körper, dass es einen fast umhaut. Ein kleines gelbes Warnschild weist auf "schnelle Vorbeifahrten" hin. Und die kennzeichnen den Luisenthaler Bahnhof wörtlich. "Schnelle Vorbeifahrten" meint nicht nur die passierenden Züge - sondern auch, dass man als Reisender besser schnell vorbeifährt. Denn der Bahnhof Luisenthal ist nicht wirklich eine Zierde.Die weißen Warnstreifen am Gleis sind das einzige, was hier nicht alt ist. Der große Ortsname über dem Portal liest sich "Luisentha", denn das "L" ist abgefallen. Die Bahnhofsuhr ist stehengeblieben, Fensterscheiben sind zerbrochen, die Unterführung ist verdreckt und mit Farbschmierereien versehen. Doch da gibt's wenigstens schöne Motive. Wie die farbenfrohe Lok, mit Spraydosen an die Tunnelwand gezaubert.

Am Bahnsteig ist es weniger bunt. Gegenüber reißt die RAG gerade Teile des ehemaligen Bergwerks ein und gibt damit eine Antwort auf die Frage, warum es dem Bahnhof heute nicht mehr gut geht. Denn der wurde einst für das Bergwerk gebaut, für hunderte Arbeiter, die mit dem Zug kamen und gingen. 1858 wurde der rote Backsteinbau eröffnet, der heute viel zu groß erscheint. Damals pulsierte der Bahnhof und verband die florierende Grube mit Saarbrücken und Völklingen. Das kleine Luisenthal hätte diesen Bahnhof nicht gebraucht ohne die Industrie. Tausende Arbeiter nutzten die Bahn. Die Saarhütten waren noch lange keine Welterbestätten mit Museumscharakter. Alles war noch "unter Dampf".

 Heute bedecken Farbschmierereien die Gemäuer des Bahnhofs in Luisenthal. Foto: Becker&Bredel

Heute bedecken Farbschmierereien die Gemäuer des Bahnhofs in Luisenthal. Foto: Becker&Bredel

Heute ist der Bahnhof Luisenthal, mit seinem schlechten Zustand, einer der ältesten Bahnhöfe im Land. Doch er wird kaum mehr gebraucht. Ein Unterstand aus Glas bietet heute den wenigen Bahnkunden Schutz, die hier noch zur Schule, zur Universität oder in die nächste Stadt fahren. Das Bahnhofsgebäude selbst wirkt aufgegeben. Modernisierungen oder Renovierungen gab es lange nicht mehr. Sperrholzplatten schützten das Erdgeschoss zumindest vor Vandalismus. Schön aussehen tut das aber nicht. Man kann die einstige Schalterhalle, die Bahnhofsgaststätte und die Dienstwohnungen der Eisenbahner noch erahnen, aber nicht mehr sehen. Der unverputzte Backsteinbau in norddeutscher Backsteingotik ist nur noch von weiter Entfernung sehenswert. Wünschen würde man ihm, dass er wenigstens sein "L" wiederbekommt, denn das fällt auch aus 200 Metern Abstand direkt ins Auge.

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