Vergessen, beschichtet, abgestellt

Sulzbach/Riegelsberg/Illingen. Ein Brunnen, an der Post in Riegelsberg? Gibt es nicht, sagt die Zustellerin, die hier regelmäßig anlandet

 Der Sulzbacher Künstler Martin Steinert hat den Brunnen an der Alten Post in Riegelsberg entworfen. Foto: Becker&Bredel

Der Sulzbacher Künstler Martin Steinert hat den Brunnen an der Alten Post in Riegelsberg entworfen. Foto: Becker&Bredel

Sulzbach/Riegelsberg/Illingen. Ein Brunnen, an der Post in Riegelsberg? Gibt es nicht, sagt die Zustellerin, die hier regelmäßig anlandet. Auch die Saarbahn-Fahrgäste, die Tag für Tag an der ehemaligen Postfiliale und dem jetzigen Zustellstützpunkt zwischen Saarbrücker Straße und Kirchstraße vorbeikommen, ahnen nicht einmal, dass es sich bei der Beton-Skulptur am Haupteingang um einen Brunnen handelt. Das moderne Kunstwerk hatte seinerzeit ein kleines Vermögen gekostet - es war ein deutlich fünfstelliger Mark-Betrag. In Auftrag gegeben und bezahlt wurde es vor etwa 20 Jahren von der Deutschen Post, damals noch ein Staatskonzern.

Schöpfer des Brunnens ist der bekannte saarländische Bildhauer Martin Steinert, ein gebürtiger Illinger, der in Sulzbach lebt und arbeitet.

Er hatte lange angenommen, dass sein Werk im Zuge des Saarbahn-Baus und der Schließung der Postfiliale fortgeschafft oder zerstört worden war; die Arbeit war ihm aus dem Sinn gekommen. Bis er sie vor vier Jahren durch Zufall neu entdeckte - beim Halten an einer Ampel.

Steinert, zu einem neuerlichen Ortstermin ermuntert, erträgt den Verfall des Brunnens mit bemerkenswerter Tapferkeit. Immerhin, kaputt sei er nicht, nur verwittert, ungepflegt, vergessen. Früher sei dieser teure grüne Sandstein, ein Anröchter Dolomit aus der Lüneburger Heide, ganz glatt gewesen. Wer durch die Scheiben des Gebäudes lugt, kann erkennen, dass dieser Stein dort auch auf dem Boden verlegt ist. Die Kugel über dem Portal ist auch aus diesem Stein, sie wirke wie aus dem Brunnen herausgeschnitten und gehöre zu dem Kunstwerk, erklärt der Bildhauer. Der eigentliche Brunnen sei eine Reihung von sieben kubischen Blöcken, über die sich sanft das Wasser ergieße, das oben aus einer Öffnung trete. "Ein paar Jahre lief es", sagt Steinert und hält für denkbar, dass die robuste Technik heute noch intakt ist, wenn man sie nur aktiviere.

"Es tut weh"

Das Postgebäude kann man übrigens kaufen. Der nette Makler, den man rasch über eine Handynummer erreicht, weiß so gut wie nichts über den Brunnen. Also, wie die anderen Leute. Man kriegt den Brunnen bei einem Kauf einfach so mit dazu, sein materieller und künstlerischer Wert zerfließt regelrecht in der Kaufsumme. "Es tut weh, aber es wäre Unsinn, das Ding am Leben zu halten, wenn hier keiner mehr hinkommt", sagt Martin Steinert.

Ärgern kann sich dieser Mann aber auch, und zwar 15 Kilometer weiter in Illingen. 1987 hat Martin Steinert in der belebten Ortsmitte in sechswöchiger schwerer Handarbeit vor Ort einen übermannshohen Brunnen aus weißem Jura-Marmor geschaffen.

Das Konzept, in langen Gesprächen mit der Kommunalpolitik vereinbart, sah vor, dass dieser organische Block der Natur überlassen werden und sich verändern können sollte. Er sollte grün werden dürfen vor lauter Algen und im Winter bizarre Eis-Anhaftungen tragen. Es kam aber anders, und Steinert hatte es schon geahnt. Zuerst beschwerten sich die Marktfrauen über Spritzwasser, dann wurde das Wasser abgestellt.

Als nächstes kam - Frevel und Hohn zugleich - in Augenhöhe ein Schild dran, dass hier "kein Trinkwasser" zu erwarten sei. Um das Konzept vollends zu verspotten, wurde das Kunstwerk mit einem Hochdruckreiniger gesäubert und nanobeschichtet, damit es auf ewig weiß strahlt.

Martin Steinert ist froh, dass der Brunnen überhaupt noch steht, immerhin "funktioniert" er ja auch als Skulptur, ohne Wasser. Nur so.

Aber es hätte auch besser kommen können, zumal es einen Anspruch des Künstlers gibt, sein Werk nicht zu verändern, ohne ihn zu fragen. Martin Steinert, der, wohl gemerkt, nicht öffentlich klagt, sondern kopfschüttelnd zuguckt, darf sich aber immerhin freuen, dass wenige Hundert Meter weiter eine prächtige Sandsteinskulptur aus seiner Werkstatt seit Jahrzehnten am angestammten Platz stehen darf, ohne Wasserverlust, ohne Beschichtung. Den Standort möge jeder Interessent selbst erkunden.

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