Seit November Verfassungsschutz beobachtet jetzt die „Identitäre Bewegung“

Saarbrücken · Die Zahl der Rechtsextremisten steigt. Darunter ist auch eine relativ neue Bewegung, die dem Verfassungsschutz Sorge bereitet.

 Helmut Albert, Leiter des Verfassungsschutzes im Saarland

Helmut Albert, Leiter des Verfassungsschutzes im Saarland

Foto: Oliver Dietze

Sie wenden sich gegen „Multikulti“, „massive muslimische Zuwanderung“ und den „Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung“. Was seine Anfänge in Frankreich nahm, ist inzwischen auch ins Saarland übergeschwappt: die rechtsextremistische „Identitäre Bewegung“. 2015 habe es erste Hinweise auf die Gruppierung gegeben, sagt Helmut Albert, Leiter des saarländischen Verfassungsschutzes bei der Vorstellung des „Lagebilds Verfassungsschutz 2017“. Inzwischen habe sich ein Sympathisantenkreis von 30 bis 40 Personen etabliert, der sich zu monatlichen Stammtischen trifft. Seit November vergangenen Jahres wird die Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet. Albert spricht von einem Fall, „der uns gewisse Sorgen bereitet“. Die Bewegung sei ein „Sammelbecken für ehemalige NPDler und Enttäuschte der rechtsextremistischen Szene“. Arbeitsfähige Strukturen habe sie bislang aber noch nicht aufgebaut.

Insgesamt ist die Zahl der Rechtsextremisten im Saarland im Jahr 2017 leicht gestiegen: von 290 auf 310. Der NPD kam das nicht zugute. Sie konnte auch nicht davon profitieren, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der Partei abgelehnt hatte: Ihre Mitgliederzahl sank von 90 auf 70. Der Verfassungsschutz verzeichnete zwar einen leichten Rückgang rechtsextremistischer Straftaten um rund zehn Prozent auf 226. Allerdings verdoppelte sich die Zahl der Gewalttaten von acht auf 15. Dabei seien die Täter zuvor durchweg nicht in der Szene bekannt gewesen, sagt Albert. Dies sei ein Indiz, dass rassistisches Gedankengut Eingang in Teile der Gesellschaft gefunden habe.

Die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter ist deutlich gestiegen, von 75 auf 120. Laut Albert liegt das vor allem daran, dass der Verfassungsschutz inzwischen „mehr Einblick“ in die Szene habe. Beide Gruppierungen erkennen die Bundesrepublik und ihre Rechtsordnung nicht an. Während die Reichsbürger an den Fortbestand des „Deutschen Reichs“ oder an Königreiche wie Bayern oder Preußen glauben, gründen die Selbstverwalter ihre eigenen Staaten, die teilweise „nicht über ihr Grundstück hinausgehen“, wie Albert sagt. Bei rund einem Viertel gebe es eine Überschneidung mit der rechtsextremistischen Szene, vier Personen waren Waffenbesitzer. 2017 gab es erstmals einen Übergriff eines Reichsbürgers auf einen Polizisten.

Die Zahl der Islamisten im Saarland ist ebenfalls gestiegen, von 260 auf 300. Vor allem unter den Salafisten, einer ultrakonservativen Strömung des Islams, gab es einen deutlichen Zuwachs von 200 auf 250 Personen. Erfreulicherweise lehnten die Salafisten im Saarland überwiegend Gewalt ab, sagt Innenminister Klaus Bouillon (CDU). „Das ist auch darauf zurückzuführen, dass der Verfassungsschutz seit Jahren zu Beratungsgesprächen in die Moscheegemeinden geht.“

Die Zahl der Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden, blieb 2017 im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Im Bereich Ausländerextremismus gab es einen leichten Anstieg der Straftaten von elf auf 14, die alle der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) zuzuordnen waren.

Der Verfassungsschutz arbeitet mit den saarländischen Jobcentern zusammen und hat von dort insgesamt sieben Hinweise erhalten. Laut Albert handelte es sich in einem Fall um einen Reichsbürger, in sechs Fällen wurde ein islamistischer Hintergrund vermutet, der sich jedoch nicht bestätigte. In den Jobcentern gebe es eine große Unsicherheit darüber, was man dem Verfassungsschutz mitteilen sollte, sagt Albert. Die Linke, die seit Jahren die Abschaffung des Verfassungsschutzes fordert, hatte die Zusammenarbeit scharf kritisiert. Für solche Fälle sei die Polizei zuständig, die demokratisch transparenter sei.

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