Streit um Richterbesoldung im Saarland Richter ziehen gegen Land vor höchstes Gericht

Saarbrücken/Saarlouis · Das Verwaltungsgericht in Saarlouis hält die Richterbesoldung im Saarland für zu niedrig und deshalb für verfassungswidrig.

 Christian Dornis, Vorsitzender des Saarländischen Richterbundes

Christian Dornis, Vorsitzender des Saarländischen Richterbundes

Foto: Saarländischer Richterbund

Schlechte Bezahlung ist das eine. Aber kann man „verfassungswidrig“ zu niedrig bezahlt werden? Ja, wenn man Richter oder Beamter ist. Und im Saarland hat das jetzt die Zweite Kammer des Saarlouiser Verwaltungsgerichts genau so festgestellt: Die Besoldung der saarländischen Richter in den Besoldungsgruppen R1 und R2 ist nicht amtsangemessen, unter anderem weil sie im Vergleich zu Gehältern in der Privatwirtschaft zu niedrig ist. Fazit: „unvereinbar mit dem Grundgesetz“. So heißt es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes von gestern. Sprich: Die Richterbesoldung im Saarland ist in diesen beiden Stufen nicht korrekt, jedenfalls nicht für die Jahre 2012 bis 2016. Final feststellen darf das laut Grundgesetz aber nur das Bundesverfassungsgericht. Just dorthin wanderte die Klage jetzt zur Entscheidung und ist in Saarlouis erst mal ausgesetzt.

Saarländische Richter ziehen also gegen ihren Dienstherren, die saarländische Landesregierung, nach Karlsruhe vor’s höchste Gericht. Das passiert laut Saarländischem Richterbund das erste Mal, ein Präzedenzfall. Folgen die Karlsruher Richter der Einschätzung ihrer Saarlouiser Kollegen, wird dies die Politik nicht nur dazu zwingen, rückwirkend Geld zu zahlen. Zumindest eine „Überprüfung der Anpassung der Besoldungstabelle“ werde dann wohl auch vorgenommen, meint die Sprecherin des Saar-Justizministeriums Sirin Özfirat. Denn Karlsruher Sprüche besitzen eine gewisse Allgemeinverbindlichkeit, und wer will schon Dauer-Folgeprozesse? Doch ein Automatismus existiert nicht, sollten die beiden Richter, deren Fälle in Saarlouis verhandelt wurden, in Karlsruhe Recht bekommen.

Trotzdem sagt Christian Dornis, der Vorsitzende des Richterbundes, der 230 Mitglieder vertritt: „Für uns ist das ein Durchbruch.“ Seit Jahren kritisiert der Richterbund die zu niedrige Besoldung insbesondere der Berufsanfänger. Im Saarland startet ein Richter oder Staatsanwalt mit aktuell 3946,95 Euro, doch wegen der Haushaltsnotlage gibt es eine Art Saarland-Abschlag von zehn Prozent. In Bayern, sagt Dornis, verdienten die Berufseinsteiger rund 11 000 Euro mehr im Jahr. „Die Besten wandern ab und gehen uns hier im Land verloren“, so Dornis. Finanzschwache Länder wie das Saarland hätten bei der Nachwuchsgewinnung große Nachteile. Deshalb streite der Richterbund darum, dass wieder eine bundeseinheitliche Besoldung eingeführt wird, wie es sie bis 2006 gab.

Mit der Föderalismusreform ging die Regelung verloren, die Bundesländer bestimmen nun die Gehälter. Deshalb gehen nicht nur im Saarland Richter auf die Barrikaden, sondern es haben sich auch in Niedersachsen oder Berlin Einzelne auf den Weg durch die Instanzen begeben. Im Saarland waren das ein Proberichter (R1), der den Staatsdienst zwischenzeitlich schon wieder verlassen hat – er war Berufsanfänger am Landgericht und Staatsanwalt. Er hatte für die Jahre 2012 und 2013 Widerspruch gegen seine aus seiner Sicht zu niedrigen Bezüge eingelegt. Bei einem langjährigen Richter am Oberlandesgericht (R2) ging es um die Jahre 2013 bis 2016. In der Besoldungsgruppe R2 liegt der Verdienst bei 4783,42 Euro und steigt in Dienstjahr-Staffelungen bis maximal 6923,37 Euro. Die Saarlouiser Richter befanden in beiden Fällen: „Die angespannte Finanzlage des Saarlandes rechtfertigt die verfassungswidrige Unteralimentierung nicht.“ Dafür, so die Richter, hätte es eines „schlüssigen und umfassenden“ Konzeptes zur Haushaltskonsolidierung bedurft. Dieser Satz dürfte der Landesregierung Rätsel aufgeben, schließlich folgt sie den Vorgaben des Stabilitätsrates seit 2009.

Die Richter führen weiter aus, dass „die im Saarland gewährte Alimentation in den Besoldungsgruppen R1 und R2 trotz der hohen Anforderungen, die an Qualität und Verantwortung der Inhaber gestellt werden, einem Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung“ nicht standhalte. Die Richter halten wörtlich fest, es existiere eine „evidente Unangemessenheit der Besoldung“.

Doch wie sieht eine gerechte Alimentierung aus? Das wird das Verfassungsgericht nicht entscheiden, das ist Sache der Politik. Die Bundesverfassungsrichter haben freilich vor drei Jahren Parameter festgelegt, anhand derer die Angemessenheit festgestellt werden kann, etwa die Differenz zur Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst oder der Nominallohn- und Verbraucherpreisindex.

Laut Richterbund geht es in den konkret strittigen Fällen rückwirkend um rund 100 Euro pro Monat mehr. Doch mit einem Richterspruch werde nicht klar, ob die heutige Besoldung, die ja zwischenzeitlich tariflich angepasst wurde, ebenfalls zu niedrig sei. „Wir stellen uns auf einen langen Weg ein“, so Dornis. Zwei Jahre und mehr. Die Saarlouiser Richter begannen mit der Bearbeitung der komplexen Materie vor drei Jahren. Über 300 Richter befinden sich nun in der Warteschleife der Justiz. Laut Auskunft des Justizministeriums sind im Haushaltsplan 2018 insgesamt 225 R1-Stellen und 94 R2-Stellen ausgewiesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort