„Ein Albtraum, der blanke Horror“ So erlebten Vater (55) und Tochter (17) das Unwetter-Chaos am Flughafen auf Mallorca
Exklusiv | Überherrn/Palma · Über Tage hinweg haben ein Mann aus Überherrn und seine Tochter versucht, dem Chaos nach dem Unwetter auf der Urlaubsinsel Mallorca zu entkommen. Die Heimreise ins Saarland entwickelte sich zu einer Tortur. Jetzt erheben sie schwere Vorwürfe gegen den Reiseveranstalter Tui.
Urlaub im eigentlich sonnenverwöhnten Süden Europas: Millionen von Reisenden zieht es deswegen Jahr für Jahr nicht nur in den Sommermonaten auf die Mittelmeer-Insel Mallorca. Doch für zwei Besucher aus dem Saarland endete die Ferienzeit in einem Desaster.
Vater und Tochter aus Überherrn sitzen Tage am Flughafen auf Mallorca fest
Auch knapp eine Woche nach der um Tage verzögerten Rückkehr liegen die Nerven beim Familienvater aus Überherrn blank. Nach wie vor kann er es nicht fassen, welch unsägliches Chaos am Flughafen der Inselhauptstadt Palma den gestrandeten Passagieren widerfahren ist. „Das hätte nicht sein müssen. Das hätten die Zuständigen verhindern können“, ist der 55-Jährige überzeugt.
Zumindest hätten die Auswirkungen des verheerenden Unwetters, das überhaupt dafür gesorgt hat, in diesem Ausmaß verhindern werden können. So strandeten am Airport zu Tausenden Fluggäste, berichtet der gestresste Rückkehrer. Die Erholung des Aufenthaltes sei vollends zunichte.
Trotz stornierter Flüge vom Hotel zum Flughafen gebracht
Trotz der aus seiner Sicht unausweichlichen Flugabsagen wegen der Orkanböen seien sie vom Hotel aus zum Flughafen gebracht worden. Dabei hätte bereits im Laufe des Tages lange vor dem geplanten Abflug nach Saarbrücken klar sein müssen: Das funktioniert nicht. Das Wetter lässt weder Starts noch Landungen auf Mallorca zu, sagt er.
Dann schildert er im Detail, was er und seine 17 Jahre alte Tochter die kommenden Tage auf der spanischen Urlaubsinsel durchmachen mussten. Statt Erholung Hektik und schlaflose Nächte. Dabei wollten die beiden eigentlich am Sonntag, 27. August, mit einer Smartlynx-Maschine um 20.30 Uhr von Palma nach Saarbrücken zurückfliegen. So war es ursprünglich geplant.
Kritik an Tui, auf Orkan nicht entsprechend reagiert zu haben
Doch Orkan, sintflutartiger Regen, Gewitter machten die Rückreise unmöglich. Aus der Sicht des Saarländers setzte ab jetzt „ein Informationschaos“ ein – durch Tui-Mitarbeiter vor Ort sowie in der Heimat gleichermaßen verschuldet.
Alles sei an jenem Morgen zunächst so abgelaufen, wie vorgesehen. Gegen 11 Uhr hätten sie ihr Hotelzimmer geräumt und ab dann in der Lobby auf den Shuttlebus gewartet, der sie zum Flughafen bringen sollte. Gegen 16.30 Uhr seien sie abgeholt worden und erreichten gegen 18 Uhr Palma. „Doch da muss schon klar gewesen sein, dass wegen des Unwetters keine Flüge mehr möglich sind“, sagt der Überherrner.
Betroffener aus dem Saarland: Schon bei Ankunft am Palma-Airport ging Chaos los
Am Flughafen angekommen, begannen „Chaos, Albtraum, Horror“. Die von den verzweifelten Reisenden gefragten Tui-Mitarbeiter hätten immer nur auf eine deutsche Service-Hotline verwiesen. Unter dieser Nummer habe es aber keine brauchbaren Informationen gegeben. Gleiches gelte für die Tui-App auf dem Smartphone. Immer wieder seien Ersatzflüge angekündigt worden, die dann kurz darauf auf der Anzeigetafel am Flughafen als abgesagt markiert worden seien. An die 50 Aufnahmen davon schossen er und seine Tochter mit der Handykamera, um die über Tage unübersichtliche Lage zu dokumentieren. Die Aufnahmen liegen der Redaktion vor.
Zwei Tage sollen Vater und Tochter auf dem Flughafen „wie Penner ohne Decke, Essen und Getränke“ festgesessen haben. Niemand habe sich in dieser Zeit um sie gekümmert. Keine Wertgutscheine, um sich zu versorgen. Kein Hotelzimmer sei bereitgestellt worden. „Dabei hätten wir schon am Sonntag nicht unser Hotel verlassen dürfen“, wiederholt er.
Regionaler TV-Sender zeigt das ganze Unwetter-Ausmaß
Die Gefahr draußen sei einfach viel zu groß gewesen. Fernsehbilder des regionalen IB3-Televisió zeigten, wie der Sturm Dächer abdeckte, Gartenmöbel durch enge Gassen und an Strandpromenaden wie gefährliche Geschosse umhergewirbelt, Palmen wie Streichölzer umgeknickt wurden. Sturzbäche fluteten die Straßen. Doch entsprechende Anweisungen der Tui-Reiseleitungen, die Reisenden in ihren Hotels in Sicherheit zu belassen, habe es offensichtlich nicht gegeben.
Kurzum: Sonntag und Montag hingen beide in der Flughafenhalle fest, nachdem sie bereits mehrfach für einen Flug aufgerufen worden seien, der dann doch nicht startete. Darunter ein für Dienstag, 29. August, für 4 Uhr angekündigter Rückflug. Bereits am Vormittag sei eine neue Abflugzeit für 22.50 Uhr angekündigt worden. Währenddessen versorgten sich Vater und Tochter auf eigene Kosten mit Essen und Getränken. Allmählich wurde das Bargeld knapp.
So organisierten sie die Heimreise über Umwege auf eigene Faust
Vater und Tochter wollten sich auf die abermaligen Ankündigungen nicht verlassen. Darum entschieden sie sich, die Heimreise auf eigene Faust zu organisieren. Mit Hilfe der Mutter in Überherrn, die sich von hier aus um weiteres kümmerte. Das alles habe sie zusätzlich samt Verpflegung am Flughafen in Palma rund 1000 Euro gekostet. Hier die von ihnen geschilderte Odyssee, wie sie die Insel verließen, um vom spanischen Festland aus nach Hause zu gelangen – in Klammern die jeweils vom Vater angegeben gerundeten Kosten für beide:
- Sie fuhren am Dienstagmorgen, 29. August, mit einem Taxi von Palma-Airport zum Hafen (30 Euro).
- Von dort ging’s mit der Fähre von 11.30 bis 18.30 Uhr aufs Festland nach Barcelona (250 Euro).
- Mit dem Taxi ließen sie sich zum dortigen Flughafen bringen (35 Euro).
- Am Mittwoch, 30. August, hob um 9 Uhr eine Eurowings-Maschine mit Ziel Stuttgart (11.15 Uhr) ab. Die Tickets hatte die Frau des Reisenden in Deutschland bei einem Reisebüro in Dillingen besorgt (462 Euro).
- Sie holte die Heimkehrer am dortigen Flughafen mit dem eigenen Wagen ab (Tanken: 80 Euro).
Endlich kamen sie Mittwochnachmittag wieder zu Hause an.
Nun will der Urlauber Schadenersatz von Tui
Damit ist die ganze Sache für die Betroffenen jedoch längst nicht vom Tisch. „Wir waren Tui schlichtweg egal“, beklagt der Vater. Das Krisenmanagement sei eine Katastrophe gewesen. Mitterweile habe er einen Anwalt eingeschaltet, der Schadenersatzansprüche beim Reiseveranstalter geltend machen will.
Unterdessen befasst sich das Unternehmen mit diesem Vorfall. Auf SZ-Anfrage reagiert Tui-Sprecher Aage Dünhaupt mit einer Entschuldigung für das, was die Saarländer durchmachen mussten. Tui werde zuerst einmal die Kollegen auf Mallorca kontaktieren, um sich von ihnen gleichfalls die Situation während der besagten Tage schildern zu lassen.
So reagiert Reiseveranstalter auf die Vorwürfe
So nimmt Dünhaupt das eigene Personal in Schutz, was den Vorwurf betrifft, Tui habe sich nicht um die Gestrandeten gekümmert. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den „Anspruch all unserer Mitarbeitenden [...], unsere Gäste vollumfänglich auf Ihrer Reise in den Urlaub und vor Ort zu betreuen. Wenn dies hier nicht gelungen ist, so möchten wir uns dafür entschuldigen.“
Gleichzeitig gehe der Pressesprecher davon aus, dass sich die entsprechende Abteilung bereits mit der Reklamation und den Erstattungsforderungen des Kunden befasst. Allerdings könne er jetzt keine Auskünfte zu diesem konkreten Fall machen, da ihm die Daten dazu bislang nicht vorliegen. Nur so viel: Tui werde sich „natürlich mit dem Gast zu den entstandenen Kosten in Verbindung setzen“.