"Unrecht auf dem Land"

Losheim. Die große Historie, wie sie Geschichtsbücher aufzeichnen, bleibt einem oft eigentümlich fern. Im Nah-Blick ändert sich das: Fassbarer wird, was sich ereignet hat. Schon deshalb hat Henry Selzer nun ein bedeutendes Buch in den Beiträgen der Losheimer Reihe zur Heimatgeschichte vorgelegt

 Der Autor Henry Selzer mit seinem Buch. Foto: Ruppenthal

Der Autor Henry Selzer mit seinem Buch. Foto: Ruppenthal

Losheim. Die große Historie, wie sie Geschichtsbücher aufzeichnen, bleibt einem oft eigentümlich fern. Im Nah-Blick ändert sich das: Fassbarer wird, was sich ereignet hat. Schon deshalb hat Henry Selzer nun ein bedeutendes Buch in den Beiträgen der Losheimer Reihe zur Heimatgeschichte vorgelegt.

Auf 100 Seiten dokumentiert der Deutsch- und Englisch-Lehrer am Waderner Gymnasium die Geschichte der Juden in seinem Heimatort Losheim. Ein Thema, das ihn lange schon antreibt. Bereits 1988, anlässlich des 50. Jahrestages des Pogroms befasste sich Selzer mit den Geschehnissen in Losheim in Zeitungsartikeln. Zudem engagierte er sich für das "Stolpersteine"-Projekt in Losheim, das an vertriebene und ermordete Juden erinnert.

Zwei Familien sind es im Wesentlichen, denen Selzer in seinem Band folgt. Die Hanaus und die Herrmanns, kleine Händler, lebten integriert, waren Teil der Ortsgemeinschaft, bis die Stimmung in Deutschland (Losheim war nicht Teil des damaligen Saargebiets) umschlägt, der Nazi-Wahn um sich greift. Das Pogrom im November 1938 spart auch die Region nicht aus. Wohnungen werden von SA-Männern verwüstet, Menschen beraubt, zusammengeschlagen - alleine, weil sie Juden sind. Silwin und Lina Herrmann wissen sich nach diesen Übergriffen keinen anderen Ausweg als den Selbstmord - sie überleben knapp, wandern schließlich aus. Lina stirbt 1942 in Rotterdam, Silwin Herrmann kommt in Theresienstadt um. Trotz all dieses Leides aber bleibt es ein unaufgeregtes Buch, weil Selzer vor allem darstellt. Wohl wissend, dass die Schilderung der Fakten letztlich den stärksten Eindruck hinterlässt. So dokumentiert er auch, dass Nachbarn und Freunde den Herrmanns und Hanaus halfen. Selzer spürte aber auch denen nach, die überlebten, zeichnet ihre Lebenswege unter den Eindruck des Holocausts nach. So präzise Selzer das Leben der Opfer beschreibt, die Täter nennt er nicht, obwohl ihre Namen bekannt sind. Weil sie, so schreibt er, mittlerweile gestorben sind, und er deren Nachfahren nicht anprangern will.

So ist es tatsächlich ein "alternatives Heimatbuch" geworden, wie Selzer es im Untertitel formuliert. Ein Heimatbuch, das hilft, Heimat nicht zu verklären, sondern sie zu sehen, wie sie ist - im Positiven wie im Negativen.

Henry Selzer: Unrecht auf dem Land - die Geschichte der Losheimer Juden, Losheimer Reihe zur Heimatgeschichte, 102 Seiten, fünf Euro. Erhältlich u.a. beim Heimatverein Losheim; Tel. (0 68 72) 9 10 41.

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