Unberechenbare Linien verblüffen

Saarbrücken. Eigentlich ist ihr Vater an allem schuld. Katrin Thomas wollte Tischlerin werden, fand aber keinen Ausbildungsplatz. Als ihr Papa einen Drechselkurs im Erzgebirge machte, kam die Tochter kurzerhand mit

Saarbrücken. Eigentlich ist ihr Vater an allem schuld. Katrin Thomas wollte Tischlerin werden, fand aber keinen Ausbildungsplatz. Als ihr Papa einen Drechselkurs im Erzgebirge machte, kam die Tochter kurzerhand mit. Im malerischen Örtchen Seifen war's um sie geschehen: "Alles duftete nach Holz! Herrlich!" Dass Katrin Thomas sich dann künstlerisch in eine ganz andere Richtung bewegte und heute nur noch sehr selten mit Holz arbeitet, etwa Holzschnitte anfertigt, ist eine lange Geschichte.Zunächst ergriff die 1975 im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid Geborene also im Erzgebirge den schönen Beruf der Holzspielzeugmacherin. Weil sie während der Lehre nicht in eine betriebliche Produktion eingebunden war, konnte sie viel entwerfen, eigene Spielzeuge entwickeln und auch die Bemalung selbst gestalten. "Farbenmischen gehörte zum Handwerk. Ich hab dabei ein gutes Farbgefühl entwickelt", erzählt Thomas. Im Anschluss wechselte sie an die Westsächsische Hochschule Zwickau in Schneeberg, studierte dort Angewandte Kunst und machte 2002 ihr Diplom im Studiengang Holzgestaltung. Bei einem Intensivstudium Zeichnen und Malerei an der Sommerakademie Trier wurde sie dann von ihren Dozenten ermutigt, Freie Kunst zu studieren. So landete Thomas schließlich bei Sigurd Rompza an der Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Saar, wo sie vor drei Jahren ihr Diplom mit Auszeichnung bestand.

Seit 2010 hat sie einen Lehrauftrag für Bildnerische Grundlagen an der HBK und profitiert von der Graduiertenförderung des Saarlandes, wodurch sie ein großzügiges Atelier in der Arndtstraße anmieten konnte, das sie mit den Kolleginnen Heike Wildfang und Caroline Streck teilt. Das eigene Atelier nennt Thomas einen wichtigen Schritt in die Selbstständigkeit. Dass sie jetzt noch das Förderstipendium der Landeshauptstadt Saarbrücken erhält, ist der Unabhängigkeit wohl auch nicht gerade abträglich. Heute definiert sich Katrin Thomas als Malerin, die mit anderen als den traditionellen Mitteln und raumbezogen arbeitet. Eine klassische Bildvorstellung und herkömmliche Tafelbilder hat sie zugunsten von Raumwirkung und Relief längst verlassen und lässt das Material für sich sprechen. Am Anfang ihrer Forschungen zu Überlagerung, Transparenz und Wirkung von Farbe experimentierte Thomas mit Gazestoffen und Duschschwämmen. Heute ist sie formal strenger, arbeitet gern mit leuchtenden Neonfarben und der reflektierenden Wirkung matter Aluminiumbleche - ihr Arbeitsmaterial findet Thomas in Alltagsgegenständen und im Baumarkt.

Thomas' Konzept fordert freilich die Neugier und Mitwirkung des Betrachters: Erst durch dessen Bewegung im Raum, über wechselnde Distanz und unterschiedliche Blickwinkel, entfalten die Objekte ihre volle Wirkung. Farbe wird dynamisch, sodass mancher verblüfft Tricks im Spiel wähnt. Läuft man beispielsweise auf eine Linie zu, die durch eine auf dem Boden oder an der Wand angebrachten Metallfolie reflektiert wird, passiert Folgendes: Die Linie krümmt sich, ändert ihre Richtung, Kanten, Dimension und Farbdichte oder dröselt sich komplett zu einem diffusen monochromen Nebel auf. Dass derlei Werke nicht eben leicht "vermittelbar" sind, liegt auf der Hand: Potenzielle Käufer brauchen einen relativ großen Raum mit viel Licht.

Ausstellung der Förderpreisträgerin: 8. bis 30. November im Kulturfoyer Passagestraße.

"Alles duftete

nach Holz!

Herrlich!"

Holzspielzeugmacherin und freie Künstlerin Katrin Thomas

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