Flugbenzin-Ablässe über dem Saarland Jost lassen Kerosin-Ablässe derzeit kalt

Saarbrücken/Mainz · Saar-Umweltminister richtet keine Messstationen ein. Mainzer Landesregierung rüstet dagegen zwei Kontroll-Einrichtungen besser aus.

  Eine Cargolux-Maschine hat sehr wahrscheinlich am 28. Juli 2018 auch über dem Saarland Flugbenzin abgelassen. Im Saar-Umweltministerium ist das offenbar nicht bekannt .

Eine Cargolux-Maschine hat sehr wahrscheinlich am 28. Juli 2018 auch über dem Saarland Flugbenzin abgelassen. Im Saar-Umweltministerium ist das offenbar nicht bekannt .

Foto: dpa/Laurent Gillieron

Mit nachgerüsteten Messstationen und Zusatzgeräten will die rheinland-pfälzische SPD/FDP/Grüne-Landesregierung auf die Sorgen von Einwohnern und Kommunen über das umstrittene Notablassen von Flugzeug-Kerosin eingehen. „Die Ablässe von überschüssigem Kerosin über Rheinland-Pfalz haben bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zu großen Sorgen und in vielen Räten zu Resolutionen geführt“, sagte jetzt Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) in Mainz. Mit den Messstationen im Pfälzerwald, aber auch im Hunsrück und in der Westpfalz könne die Landesregierung die Luftqualität im möglichen Überfluggebiet besser überwachen.

Dagegen lässt Saar-Umweltminister Reionhold Jost (SPD) das Problem der Kerosin-Ablässe derzeit kalt. Die saarländische Landesregierung führe keine „Kerosin-Immissionsmessungen“ durch. „Wir sehen hierfür zurzeit keine fachliche Notwendigkeit“, sagte Josts Sprecherin Sabine Schorr der SZ auf Anfrage. Im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz sei „die Betroffenheit von Kerosin-Ablässen im Saarland relativ gering“. Aufgrund des Großflughafens Frankfurt/Main und der militärischen Flugbewegungen sei der Pfälzer Wald in Deutschland hauptsächlich betroffenes „Aufschlaggebiet“ von möglichen Kerosin-Niederschlägen, erklärte Schorr.

Zudem habe es nach Angaben des Luftfahrtbundesamtes in Deutschland 2018 insgesamt 22 Kerosin-Ablässe mit etwa 580 Tonnen abgelassenem Kerosin gegeben, davon allein 200 Tonnen über Rheinland-Pfalz. Von diesen 200 Tonnen seien etwa 45 Tonnen durch Militärflugzeuge verursacht worden. Über dem Saarland habe es nach Angaben des Luffahrbundesamtes 2018 keine Kerosin-Ablässe gegeben, so die Sprecherin von Saar-Umweltminister Jost.

Dagegen hatte eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung es gegenüber der SZ für „sehr wahrscheinlich“ erachtet, dass eine Cargolux-Maschine, die am 28. Juli 2018 wegen Fahrwerksproblemen 92 Tonnen Kerosin über der „Westpfalz“ abließ, einen guten Teil auch über dem Saarland verteilte, da sie einen Kreisbogen flog, ehe es zurück zum Heimatflughafen Luxemburg-Findel ging. Ein SZ-Leser hatte den Kerosin-Regen über Ottweiler selbst beobachten können. Über die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Tabelle über Kerosinablässe des Luftfahrtbundesamtes hatte die SZ im Oktober 2018 berichtet. Die Piloten berichten nach Angaben der Flugsicherung nur über das ungefähre Ablassgebiet.

Das Saarland ist zudem von einigen Flughäfen in der Region umgeben. Neben dem Heimatflughafen Saarbrücken-Ensheim gibt es Rollbahnen in Luxemburg, Metz, Zweibrücken, Ramstein, Büchel, Hahn und Spangdahlem, so dass angesichts der Zahl der Flugbewegungen, sowohl zivil als auch militärisch, durchaus in Zukunft mit weiteren Kerosin-Ablässen in Notsituationen auch über dem Saarland gerechnet werden könne, so Experten.

Das Umweltbundesamt führe zurzeit auf Bitten der Umweltministerkonferenz ein Forschungsvorhaben zur Frage möglicher Umweltbelastungen durch Flugbenzin-Ablässe durch, sagte Schorr. Die Ergebnisse sollen demnach im Herbst vorliegen. „Aus Sicht des Immissionsschutzes besteht im Saarland zurzeit kein akuter Handlungsbedarf“, betonte die Sprecherin des Saar-Umweltministeriums.

Ganz anders wird die mögliche Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt in Rheinland-Pfalz gesehen. „Gerade im vergangenen Jahr haben die Treibstoffablässe deutlich zugenommen“, sagte die Mainzer Umweltministerin Höfken. Dem Ministerium zufolge setzten Flugzeuge allein zwischen 2016 und November 2018 rund 590 Tonnen Kerosin über dem Bundesland frei. Neben der Messstation im Pfälzerwald (Hortenkopf) wurden demnach nun die Stationen in der Westpfalz (Dunzweiler) und im Hunsrück (Leisel) nachgerüstet. Damit seien in möglichen Ablassgebieten drei Detektoren aktiv, die Kohlenwasserstoffverbindungen in der Luft messen können.

„Bisher sind die Messwerte unauffällig und typisch für den ländlichen Raum, das ist eine gute Nachricht. Aber wir werden das natürlich weiter beobachten“, sagte Höfken.

Kritiker fordern allgemein mehr Transparenz. So sei unklar, welche Folgen das Ablassen von Kerosin für Gesundheit und Umwelt haben. Auch veröffentlichten die verantwortlichen Flugsicherheitsdienste bislang Zahlen nur auf Anfrage und nähmen keine eigenen Messungen vor. Mehr als 78 000 Menschen haben eine Online-Petition dazu unterzeichnet. Die Landesregierung und die Deutsche Flugsicherung sollten das Ablassen von Treibstoff binnen 24 Stunden bekannt geben, lautet die zentrale Forderung der Petition gegen „Kerosin-Regen“.

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