Tötete Mutter ihr Kind im Schock?

Namborn. Zwei Tage nach dem Tod eines Neugeborenen im Garten eines Wohnhauses in Namborn-Roschberg ist die Mutter noch immer nicht ansprechbar. Wie gestern ein Polizeisprecher sagte, konnte die 16-Jährige bisher nicht vernommen werden. "In diesem Fall haben alle Kontrollsysteme nicht gegriffen", sagt Benedikt Schäfer, Sozialdezernent beim St

Namborn. Zwei Tage nach dem Tod eines Neugeborenen im Garten eines Wohnhauses in Namborn-Roschberg ist die Mutter noch immer nicht ansprechbar. Wie gestern ein Polizeisprecher sagte, konnte die 16-Jährige bisher nicht vernommen werden. "In diesem Fall haben alle Kontrollsysteme nicht gegriffen", sagt Benedikt Schäfer, Sozialdezernent beim St. Wendeler Kreisjugendamt. Weder Eltern, noch Freunde, auch keine Mitschüler hätten die Schwangerschaft des Mädchens registriert. "Das muss ein enormer Druck gewesen sein, die Schwangerschaft sogar vor den Eltern zu verheimlichen." Trotz Hilfsangeboten der Behörde sei solch ein Drama nicht auszuschließen. Schäfer: "Wir hätten helfen können. Wir müssen es nur wissen." Dabei müsse keiner befürchten, dass Informationen nach außen dringen "Wir arbeiten völlig anonym", versichert Schäfer. Ansprechpartner seien auch Schoolworker, die gesetzlich zur Verschwiegenheit sogar Lehrern gegenüber verpflichtet seien. Sigrid Schuler, Diplom-Psychologin bei der St. Wendeler Stiftung Hospital, sagt sogar: "Eine verdrängte Schwangerschaft bis zur Geburt ist durchaus möglich. Ich hatte auch schon damit zu tun." Ihre Einrichtung engagiert sich unter anderem in der Jugendhilfe. Kollege Harald Groß-Chowanietz bestätigt: "Die Psyche ist durchaus in der Lage, eine Schwangerschaft zu verdrängen", so dass auch die Familie sie nicht mitbekomme. Bei der plötzlichen Geburt könne die Schülerin im Schock gehandelt haben, ohne sich bewusst zu sein, ihr Kind zu töten. Es sei kein Fehler des Systems, dass die Roschbergerin durch das Hilfenetz gefallen sei. Auch wenn sie ihre Schwangerschaft bewusst verheimlicht haben sollte, müsste sie bereit gewesen sein, sich anonym helfen zu lassen. Groß-Chowanietz: "Es gibt immer eine Möglichkeit zur Hilfe. Das Angebot muss aber angenommen werden." 100-prozentige Sicherheit werde es nie geben - es sei denn, die Gesellschaft akzeptiere eine 24-Stunden-Überwachung. Nach bisherigen Ermittlungen soll die 16 Jahre alte Gymnasiastin am Montag ihr Kind im Elternhaus heimlich zur Welt gebracht und im Schnee ausgesetzt haben. Nach dem Obduktionsbericht erfror das Baby wahrscheinlich. Wegen Unterleibsschmerzen war die Schülerin wenig später in die St. Wendeler Marienhaus-Klinik eingeliefert worden. Dort bemerkte ein Arzt, dass sie kurz zuvor entbunden hatte. Da die 16-Jährige zum Aufenthalt des Säuglings schwieg, alarmierte der Mediziner die Polizei. Meinung

Schutz vor Vorverurteilung

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann Nach dem Fund des toten Babys unter einer Hecke lastet ein immenser Druck auf der gesamten Familie aus dem Namborner Ortsteil Roschberg. Nicht nur auf der 16-jährigen Tochter, die ihr Neugeborenes im Schnee abgelegt haben soll, wo es mutmaßlich erfror. Sicherlich handelt es sich dabei um eine Tat, die geahndet werden muss. Das aber ist die Aufgabe der Richter und Staatsanwälte. Die Familie ist vor einer Vorverurteilung zu schützen. Denn Hilfsmechanismen haben versagt: Keiner scheint die Probleme erkannt zu haben. Und keiner weiß zurzeit, was die Schreckenstat ausgelöst hat.

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