Tod vor der Suppe

Nennig. Der Halbbruder des Bräutigams stirbt kurz nach dem Enten-Carpaccio. Was nichts mit dem Carpaccio zu tun hat! Die rund 90-köpfige Hochzeitsgesellschaft nimmt den Mord in den eigenen Reihen erstaunlich gelassen - um nicht zu sagen amüsiert - auf. Ein Herr, hinter dessen Stuhl die Leiche liegt, würdigt den Toten mit einem freudigen Schulterblick und bestreicht dann eine Scheibe Brot

 Ein Esser weniger: Der Halbbruder des Bräutigams (rechts kniend) ist erschlagen worden. Die Braut ist entsetzt. Die Gäste beim Krimidinner auf Schloss Berg nicht: Sie amüsieren sich. Foto: jos

Ein Esser weniger: Der Halbbruder des Bräutigams (rechts kniend) ist erschlagen worden. Die Braut ist entsetzt. Die Gäste beim Krimidinner auf Schloss Berg nicht: Sie amüsieren sich. Foto: jos

Nennig. Der Halbbruder des Bräutigams stirbt kurz nach dem Enten-Carpaccio. Was nichts mit dem Carpaccio zu tun hat! Die rund 90-köpfige Hochzeitsgesellschaft nimmt den Mord in den eigenen Reihen erstaunlich gelassen - um nicht zu sagen amüsiert - auf. Ein Herr, hinter dessen Stuhl die Leiche liegt, würdigt den Toten mit einem freudigen Schulterblick und bestreicht dann eine Scheibe Brot. Es ist nicht so, dass der Halbbruder irgendwie unbeliebt war; die meisten Gäste kannten ihn kaum. Und doch: An vielen Tischen ist deutlich Gelächter zu vernehmen. Nur die Braut und ihre Stiefmutter Lady Ashtonburry sind außer sich. Fassungslos stehen sie über die Leiche gebeugt. Und kaum ist der Hausarzt Dr. Ammershaw herbeigeeilt, stellt der mit fachmännischem Blick die eher kurzweilige Diagnose: "Oh, oh! Der sieht tot aus."Als die Kürbiscremesuppe aufgetragen wird, sitzt Dr. Ammer-shaw wieder auf seinem Platz und heißt jetzt Pierre Hirtt. Der Luxemburger hat wie zwei weitere Gäste beim Krimidinner auf Schloss Berg in Nennig eine kleine Nebenrolle in dem Stück "Hochzeit in schwarz" zugewiesen bekommen. Das Theater, das fünf ausgebildete Schauspieler mit Unterstützung des Publikums zwischen den vier Gängen eines Menus aufführen, ist gewürzt mit "running gags" und Geräusch-Einspielungen. Etwa wenn der junge Mann an Tisch 5 immer wieder mal mit einem lauten "Baaatsch" vom Band den angedeuteten Kinnhaken eines Schauspielers einstecken muss. Das Publikum, das sich überwiegend im Edgar-Wallace-Stil des Stücks in eine Abendgarderobe der 60er Jahre geschmissen hat, freut's. Und so erfreut sich auch das Krimidinner, für das es im Saarland mehrere Anbieter gibt, seit Jahren wachsender Beliebtheit.

"Das ist mal was anderes. Sehr unterhaltsam", sagt die 90-jährige Margarethe Scherner aus Lebach, die sich auf Einladung ihrer Tochter unter die Gäste gemischt hat. Und eine Mittsechzigerin aus Schwalbach meint: "Mein Mann würde sonst zuhause Tatort gucken. Da ist das hier besser." Nur die Kürbiscremesuppe, sagt sie, "da muss Maggi dran!" Sie grinst: "Tja, so sin mir Saarlänner."

Florian Hantke, der Tourmanager des deutschlandweit gastierenden Schauspieler-Ensembles, findet die "Saarlänner" als Publikum dagegen "eher zurückhaltend, aber sehr aufmerksam." Sie gingen nicht so aus sich heraus wie etwa die Bayern. Geradezu stocksteif verhielten sich allerdings die Norddeutschen.

Stocksteif ist nach der Suppe auch der Butler. Er habe sich zwischenzeitlich im Weinkeller aufgeknüpft, heißt es. Was nichts mit der Suppe zu tun hat! Vielmehr ahnt die Hochzeitsgesellschaft alsbald, dass in dem Spiel um Missgunst und Erbschleicherei jemand kräftig nachhilft beim Ableben der Protagonisten. Und während man schließlich die Messer am Perlhuhn des Hauptganges anlegt, ist man sich an Tisch 7 weitgehend einig: Die Braut war's! Die schaut zwar mit großen Augen unschuldig und trägt ein blütenweißes, mit Perlen besetztes Kleid. Und dennoch ist da was - . . . was nichts von einem Perlhuhn hat.

Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. In dem mit Revue-Einlagen angereicherten Finale - das dem Publikum allerdings einiges an Konzentration abverlangt, um die Handlung verfolgen zu können - geht das Maronen-Törtchen zum Dessert fast unter. An wessen Fingern schließlich nicht ein Rest des Törtchens, sondern Blut klebt, das sei hier nicht verraten. Nur so viel: Der Bürgermeister von Nennig, wie ein Gast noch beim Perlhuhn mutmaßt, der war es nicht. "Oh, oh! Der sieht tot aus."

Dr. Ammershaw alias Pierre Hirtt

Auf einen Blick

Eine Auswahl der Anbieter im Saarland:www.krimidinner.de (Spielorte: Nennig; Saarbrücken); www.dinnerkrimi.de (Spielorte: Homburg, Überherrn, Schmelz); www.gruseldinner.de (Spielorte: Schmelz); www.saarland-dinner.de (Spielorte: Saarbrücken, Heusweiler, St. Wendel, Homburg, Kirkel, Mettlach, Perl, Saarlouis, Ludweiler, Weiskirchen).

Kosten: ab ca. 70 Euro aufwärts. jos

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