Tierischer Tiefschlaf bei minus 145 Grad

Neunkirchen. "Hätte es diese Methode schon vor ein paar Jahrzehnten gegeben, wir hätten einige Tierarten retten können", sagt der Neunkircher Zoodirektor Norbert Fritsch. Seit 2003 arbeiten das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) mit Sitz in St

Neunkirchen. "Hätte es diese Methode schon vor ein paar Jahrzehnten gegeben, wir hätten einige Tierarten retten können", sagt der Neunkircher Zoodirektor Norbert Fritsch. Seit 2003 arbeiten das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) mit Sitz in St. Ingbert und die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie (EMB) in Lübeck daran, eine Zellbank aller weltweit existierenden Wildtiere zu erstellen. Mit neuer Technik und Methodik werden Stammzellen isoliert und lebend eingefroren - Tiefschlaf bei minus 145 Grad. An dem Projekt sind drei deutsche Zoos beteiligt: der Tierpark Hagenbeck in Hamburg, der Zoologische Garten Rostock und von Beginn an der Neunkircher Zoo. "Wir waren sozusagen Pioniere. Es liegt ja nahe, dass saarländische Einrichtungen sich gegenseitig unterstützen", sagt Direktor Fritsch. Er ist stolz, "einen so wichtigen Beitrag zur Forschung leisten zu können". Wenn in Neunkirchen ein Tier stirbt oder operiert wird, werden Proben aus verschiedensten Geweben entnommen und die Stammzellen - und damit die gesamte Information über Art und Individuum - isoliert. "Im Laufe der Zeit ist so einiges zusammengekommen", sagt Norbert Fritsch. Das Ziel liege im Moment noch darin, eine Basis aufzubauen und so viele unterschiedliche Arten wie möglich zu konservieren. Die Forscher hätten zum Beispiel festgestellt, dass sich scheinbar verwandte Arten in der Methodik völlig unterscheiden. Die Kunst liegt deshalb in der Präparation, Kultur und Lagerung der Stammzellen in einer "Eisbibliothek". Zur Sicherheit werden die wertvollen Proben gespiegelt und an zwei Orten aufbewahrt: in Lübeck und in Sulzbach. "Eine Einrichtung wie ein Raumschiff. Total steril und sehr beeindruckend", erzählt Fritsch von seinem Besuch in dem saarländischen Labor. Seit 1. Juni heißt das international beachtete Lebendarchiv "Cryo-Brehm - Deutsche Zellbank für Wildtiere", benannt nach dem Zoologen Alfred Brehm, der bereits im 19. Jahrhundert versucht hatte, den Tierbestand zu dokumentieren - damals in Buchform. Nach dem Wunsch der Forscher soll das Archiv ein Lebend-Lehrbuch werden. "Artenschutz ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir sind so weit, dass Leben-Zellbanken auf sicherem Niveau angelegt werden können", so IBMT-Direktor Professor Günter Fuhr. "Das ermöglicht den Forschern, jüngst ausgestorbene Arten weiter zu untersuchen", sagt Fritsch. Zurzeit gehe es zunächst um das bloße Archivieren, irgendwann könne man die Proben vielleicht zu neuem Leben erwecken. Fritsch ist sicher: "Mit dieser Methode sind die Zellen gut und gerne ein paar tausend Jahre haltbar."

 Dank der Stammzellen-Bank müsste heute einer wie der Tyrannosaurus Rex - hier im Film "Dinosaurier - Im Reich der Giganten" - vielleicht auch nicht mehr aussterben. Foto: SZ

Dank der Stammzellen-Bank müsste heute einer wie der Tyrannosaurus Rex - hier im Film "Dinosaurier - Im Reich der Giganten" - vielleicht auch nicht mehr aussterben. Foto: SZ

StichwortDie Kryokonservierung (von griechisch "Kälte" und lateinisch "erhalten") hat 2001 mit dem Frozen Zoo in San Diego (USA) begonnen. Dort wurden vor allem Gewebestücke eingefroren, in jüngster Zeit sammelt man dort auch Stammzellen. Im Jahr 2004 folgte eine Zellbank mit dem Namen Frozen Ark in Großbritannien. Parallel begann die deutsche Sammlung über die Initiative des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik. Ebenfalls intensiv gesammelt wird in Russland unter der Bezeichnung "Specialised Collection of Domestic and Wild Animals". Weitere Länder werden folgen. red

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