Finanzielle Herausforderung für Kommunen Der mühsame Kampf gegen die Wassermassen

Saarbrücken · Auch millionenteuere Baumaßnahmen bieten bei extremem Starkregen keinen umfassenden Schutz

Im Saarland gibt es inzwischen viele Vorsorgekonzepte, wie sich Kommunen in Zukunft vor extremen Starkregen schützen sollen. Mithilfe des saarländischen Umweltministeriums, das fachliche und finanzielle Förderung bereitstellt, wurden Maßnahmen erarbeitet, die große Schäden bei der nächsten Starkregenflut verhindern oder zumindest reduzieren sollen. Umweltminister Reinhold Jost rät immer wieder auch zu „baulichen Vorsorgemaßnahmen“. Doch die schöne Theorie lässt sich praktisch oft gar nicht umsetzen. Schaut man sich an, was in den Gemeinden überhaupt machbar ist, so ergeben sich drei wesentliche Erkenntnisse.

Verbesserte Informations-, Warn- und Alarmsysteme können Leben retten.

Von Experten empfohlene Schutzbauten wie neue Rückhaltebecken oder Leitdämme sind für die Kommunen trotz der finanzieller Förderung durch das Land womöglich viel zu teuer.

Und selbst wenn aufwendig und maximal gebaut wird, können bei einer extremen  Starkregen-Flut Schäden nicht verhindert werden.

Für viele Kommunen liegen inzwischen Gefahrenkarten vor, die zeigen, wie die Wassermassen bei einem erneuten Unwetter mit heftigem Regen abfließen würden. Sie sind für alle Bewohner verfügbar und sollen diese dazu bewegen, private Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Planungen für große Schutzbauten in saarländischen Städten und Gemeinden indes sind langwierig, die Finanzierung bereitet Kopfzerbrechen.

„Das Schutzkonzept der Gemeinde Perl enthält eine Starkregenkarte, auf der die Bürger sehen können, in welchem Maße ihre Häuser gefährdet sind, und einen detaillierten Alarmplan für die Einsatzkräfte“, sagt Andrea Ebermann vom Amt für Tief- und Straßenbau der Gemeinde. „Beides kann helfen, um Notfall Leben zu retten.“ Konkrete bauliche Maßnahmen gibt es aber noch nicht. „Damit beginnen wir Ende Oktober“, sagt Ebermann. Seit fast eineinhalb Jahre werden die konkreten Schutzmaßnahmen geplant -  ein mühsames Unterfangen. Es gab Ortsbegehungen, Workshops und Informationsveranstaltungen für die Bürger. Über das mangelnde Interesse der meisten Einwohner waren die Verantwortlichen der Gemeinde enttäuscht. Die Bürgerveranstaltung in Nennig war mit 50 Teilnehmern recht gut besucht. In Perl kamen deutlich weniger Interessenten, und zu den  drei Online-Veranstaltungen in Coronazeiten gab es jeweils nur 15 Anmeldungen.

Doch die Gemeindeverwaltung bleibt optimistisch. „Wir bieten eine zweite Runde der Bürgerbeteiligung an“, sagt Andrea Ebermann. Auch müssen die Räte in der Gemeinde informiert werden und ihre Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen erteilen. Es wird eine Liste erstellt, welche Bauvorhaben Vorrang haben. „Was umgesetzt werden kann, hängt auch von der Finanzierbarkeit ab. Wir prüfen beispielsweise, ob und wo ein Rückhaltebecken sinnvoll sein könnte“, sagt Ebermann. Da ein größeres Bauwerk zwei bis drei Millionen Euro kosten kann, müsste die Gemeinde selbst bei einem Zuschuss von 70 Prozent vom Land noch Hundertausende selbst beisteuern. „Jeder weiß, wie es um die kommunalen Finanzen  bestellt ist“, sagt Ebermann.

Auch für die Gemeinde Kleinblittersdorf, wo Wassermassen, Schlamm und Geröll im Juni 2018 Infrastruktur und Privatbesitz verwüstet hatten, gibt es ein Starkregenvorsorgekonzept. Die Bürger sollen besser gewarnt, die Helfer frühzeitig alarmiert werden können. Es werden die bei Starkregen besonders gefährdeten Bereiche aufgelistet und mögliche bauliche Maßnahmen vorgeschlagen, um die Gefahr zu reduzieren.

Vor einem neuen extremen Starkregen ist die Gemeinde aber noch längst nicht besser geschützt. Es geht in Trippelschritten voran. Zu dem bereits bestehenden Rückhaltebecken am Oberlauf des Scherbachs sei ein neuer Weg angelegt worden, um die Anlage besser warten zu können, sagt Peter Rex, der Leiter des Bauamtes von Kleinblittersdorf. „Zudem wurde der Zulaufbereich neu gestaltet.“

Damit die Wasserflut bei Starkregen durch die Straßen abfließt und nicht seitlich auf die bebauten Grundstücke schießt, wurden zum Beispiel in den Ortsteilen Richlingen-Hanweiler und Sitterswald in einigen Straßen Bordsteine gesetzt, an denen das Wasser entlanglaufen kann. Die Gemeinde hat zudem alle Einleitstellen, wo Regenwasser in die Kanalisation fließen kann, fotografiert. Diese Foto-Dokumentation soll den Einsatzkräften bei einer Überflutung helfen, die unter Wasser stehenden Einlaufschächte zu finden. Sie sind oft von herangeschwemmtem Unrat verstopft, sodass das Wasser nicht mehr in die Kanäle ablaufen kann, obwohl dort noch reichlich Platz ist.

Ob in den Außenbereichen der Gemeinde größere neue Bauwerke wie ein weiteres Rückhaltebecken oder Dämme errichtet werden, hängt auch von den Kosten ab. „Alle Maßnahmen, die wir bis jetzt durchgeführt haben, hätten die Schäden beim Starkregen von 2018 auch nicht verhindert“, sagt Peter Rex.

Der Ortsteil Dirmingen der Gemeinde Eppelborn war durch die Starkregenflut im Juni 2016 besonders in Mitleidenschaft gezogen worden. Es gab sogar stark beschädigte Häuser. Das Bett des Mühlbachs wurde um bis zu drei Meter tief ausgespült und die Ränder weggerissen. Um die Gewässersohle, den Ufer- und umgebenden Bereich zu stabilisieren hat die Gemeinde rund 2100 Tonnen Schotter und Wasserbausteine verbaut. Das waren weitgehend Instandsetzungsarbeiten, für die in Dirmingen insgesamt  2,6 Millionen Euro ausgegeben wurden.

Der Starkregen am 11. Juni 2018 traf vor allem die Gemeindeteile Eppelborn, Wiesbach und Macherbach. Inzwischen hat die Gemeinde in den Hierscheiderbach drei Stahlsäulen als Treibholzsperre eingerammt. Sie sollen bei starkem Regen verhindern, dass der Durchlass zum Rohr, in dem der Bach unter dem Sportplatz hindurchfließt, nicht mehr verstopft. Das war beim Starkregen der Fall, sodass das Wasser das Stadion zerstörte.

Auch Eppelborn geht kleine Schritte beim Starkregenschutz.  „Die Gehwege und Bordsteine zu erhöhen, um die Straße sozusagen als Regenablaufrinne zu nutzen, ist vielerorts gar nicht umsetzbar, weil es von der Straße her viele Zufahrten zu den Häusern gibt“, sagt Peter Lutz, der Leiter des Fachbereichs Tiefbau. Die Gemeinde überprüft auch, ob die Einläufe zur Kanalisation umgebaut werden müssen, eventuell mit schräg montierten Gittern, damit bei Starkregen angespülte Erdmassen nicht mehr so schnell zu Verstopfungen führen.

Große Neubauten gibt es noch nicht. „Wir prüfen derzeit, ob möglicherweise ein neues Regenrückhaltebecken sinnvoll ist“, sagt Peter Lutz. „Dabei muss auch durchgerechnet werden, ob der finanzielle Aufwand in Relation zum Nutzen steht.“ Teilweise befinden sich geeignete Standorte in Privatbesitz. In der für Eppelborn erstellten Starkregenstudie heißt es, dass selbst die Durchführung aller theoretisch denkbaren Maßnahmen „nur zu einer Reduzierung der Einstautiefe und einer Verkleinerung der überfluteten Flächen führen wird“. Das heißt, ein millionenteueres Bauwerk würde bei extremem Starkregen den Wasserstrom durch die Straßen von 50 auf vielleicht 35 Zentimeter Höhe reduzieren, doch die Keller würden dennoch volllaufen. 

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