Telefonieren bis der Arzt kommt

Mainz. Panik, Hektik, Stress: Als Ersthelfer an einem Unfallort oder in einer Notsituation zu sein, ist für viele das Horrorszenario schlechthin

 Im Notfall ist es wichtig, genaue Anweisungen von der Notrufzentrale zu bekommen. Foto: obs/dpa

Im Notfall ist es wichtig, genaue Anweisungen von der Notrufzentrale zu bekommen. Foto: obs/dpa

Mainz. Panik, Hektik, Stress: Als Ersthelfer an einem Unfallort oder in einer Notsituation zu sein, ist für viele das Horrorszenario schlechthin. Ein Notruf ist meist schnell abgesetzt, doch was geschieht bis zum Eintreffen der Rettungskräfte? Um die Überlebenschancen des Patienten in diesem "therapiefreien Intervall" zu steigern, verwenden die Rettungsleitstellen Mainz und Bad Kreuznach seit Jahresbeginn ein neues Computersystem. Es hilft Mitarbeitern in der Notrufzentrale, den Anrufern in dieser Phase beizustehen.Zu mehr als 170 000 Einsätzen sind die Mainzer Rettungskräfte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr ausgerückt. Davon waren mehr als 46 000 akute Notfälle. Damit wurde die Mainzer Rettungsleitstelle landesweit zu den meisten Einsätzen gerufen, täglich gehen dort etwa 1400 Anrufe ein. Die Mitarbeiter müssen aber auch noch vier Monitore mit komplizierten Farbcodes im Auge behalten und Rettungskräfte zu den Einsatzorten schicken. Um dies alles künftig besser bewältigen zu können, sollen sie von der telefongeleiteten Reanimation unterstützt werden. Etwa wenn es darum geht, einen Patienten wiederzubeleben.

Dadurch könnten die Überlebenschancen entscheidend gesteigert werden, erklärt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen, Guido Scherer. Die Idee, den Anrufer dabei telefonisch anzuleiten, sei zwar nicht neu. Allerdings gebe es nun eine moderne Software, die es dem Mitarbeiter in der Leitstelle erleichtern solle, den Anrufer anzuleiten. Früher kamen Plakate mit komplizierten Tabellen und Querverbindungen zum Einsatz. Diese werden laut Scherer heute noch in den meisten anderen Rettungsleitstellen benutzt.

"Neben vier Monitoren können Sie aber nicht auch noch ein Plakat an die Wand hängen", sagt Scherer. Denn obwohl der Ablauf der Wiederbelebung standardisiert sei, unterschieden sich die Umstände bei jedem Notfall. Ist der Anrufer alleine oder nicht? Hat er jemals einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert? Ist der Patient ein Mann oder eine Frau, ein Kind oder ein Erwachsener? Hat er einen Herzinfarkt oder nur etwas verschluckt? Statt sich wie bisher durch den Tabellen-Dschungel kämpfen zu müssen, wird dem Mitarbeiter nun vom System gesagt, welche Fragen er stellen soll.

Es gibt dabei grüne und rote Pfeile - hinter jedem verbirgt sich ein neuer Pfad, die Situation des Patienten kann immer genauer erfasst werden. "Das alles auf ein Plakat zu bringen, das auch noch lesbar ist, wäre unmöglich", sagt der Sprecher des Kreisverbands Bad Kreuznach des Roten Kreuzes, Philipp Köhler. Im rheinland-pfälzischen Innenministerium in Mainz werde das Projekt begrüßt, teilt Sprecher Eric Schaefer mit. Bewähre es sich, solle es auch in weiteren Leitstellen eingeführt und auf andere Notfälle ausgeweitet werden.

Ob die telefongeleitete Reanimation dem Patienten letztlich tatsächlich geholfen hat - das ist nach den Worten von Scherer wegen des Datenschutzes schwer zu ermitteln. "Die Überlebens-

chancen steigen."

 Rudolf Janda von der Rettungsleitstelle des DRK geht mit hilfesuchenden Anrufern einen Rettungsleitfaden durch, um die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu nutzen. Foto: Erichsen/dpa

Rudolf Janda von der Rettungsleitstelle des DRK geht mit hilfesuchenden Anrufern einen Rettungsleitfaden durch, um die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu nutzen. Foto: Erichsen/dpa

Guido Scherer, Rettungsdienst

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