Saar-Polizei Ist das Tattoo-Verbot noch zeitgemäß?

Saarbrücken · Für Saar-Polizisten sind sichtbare Tattoos tabu. Dabei hätten einer Umfrage zufolge die meisten Bürger nichts dagegen.

 Sie sind umstritten: Tätowierungen bei Polizisten, hier eine Aufnahme aus Sachsen.

Sie sind umstritten: Tätowierungen bei Polizisten, hier eine Aufnahme aus Sachsen.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Jeder fünfte Deutsche ist laut einer Studie der Universität Leipzig tätowiert, der Körperschmuck scheint inzwischen gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Ein Polizist mit (sichtbarem) Tattoo ist hingegen immer noch die Ausnahme. Bis vor kurzem mussten sich Bewerber für den Polizeidienst im Saarland alle Tätowierungen, die beim Tragen einer kurzärmligen Uniform zu sehen sind, weglasern lassen – ein kostspieliges Unterfangen. Im Dezember 2017 wurde die Vorschrift gelockert, „um für junge Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu bleiben“, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. Inzwischen dürfen Polizisten ihre Unterarm-Tattoos behalten, wenn sie langärmlige Hemden tragen – bei sommerlich-heißen Temperaturen wohl nicht besonders angenehm.

Wie zeitgemäß sind solche Vorschriften noch? Haben Bürger wirklich etwas dagegen, wenn Gesetzeshüter tätowiert sind? Eine Studie der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, die im Juni vorgestellt wurde, kam zu dem Schluss, dass in so einem Fall Respekt und Vertrauen der Bürger sinken. 241 zufällig ausgewählte Bürger zwischen 13 und 81 Jahren wurden dafür befragt.

Kaj Michaltzik, Kommissar in Merzig, überzeugt das nicht: „Die Studie ist mit nur 241 Befragten eher dürftig.“ Der 31-Jährige, der selbst tätowiert ist, hat sich 2014 während seiner Ausbildung zum Polizisten mit dem Thema befasst. In seiner Diplomarbeit untersuchte er die Frage der Akzeptanz von Tätowierungen bei Polizisten durch die Bevölkerung. Repräsentativ ist seine Untersuchung zwar nicht, weil die unter 25-Jährigen und Frauen bei den Befragten überrepräsentiert waren. Allerdings befragte Michaltzik deutlich mehr Personen als die Rheinland-Pfälzer – 509 Polizisten und 640 Bürger – und kam zu einem völlig anderen Ergebnis.

Demnach halten 54 Prozent der befragten Bürger sichtbare Tattoos für unproblematisch, bei den befragten Polizisten sind es 36 Prozent. Vor allem gegen Abbildungen am Oberarm, die unter dem Hemdsaum hervorlugen, und an den Unterarmen haben die Befragten nichts einzuwenden. Nur acht Prozent der Bürger und sechs Prozent der Polizisten lehnen Tätowierungen grundsätzlich ab. „Gegen dezente Tätowierungen zumindest an den Unterarmen“ hätten die Befragten „wenig Einwände“, so Michaltziks Fazit. Wichtiger seien die fachliche Kompetenz und die gute Kommunikationsfähigkeit eines Polizisten.

Das Verwaltungsgericht Berlin urteilte kürzlich, dass Polizeibewerber im Land Berlin auch bei sichtbaren Tätowierungen grundsätzlich nicht abgelehnt werden dürfen, solange es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Der 26-jährige Bewerber, der geklagt hatte, hat teils großflächige Körperbilder, unter anderem am Unterarm und am Handgelenk.

David Maaß, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, ist der Ansicht, dass sich das Innenministerium vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung „in naher Zukunft erneut mit der Thematik auseinandersetzen muss“. Gerade angesichts sinkender Bewerberzahlen stelle sich die Frage, ob die Regelung im Saarland noch zeitgemäß sei: „Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und die Polizei versteht sich als Querschnitt der Gesellschaft.“ Ob ein Bewerber charakterlich für den Polizeidienst geeignet sei, lasse sich sicher nicht an einem Tattoo festmachen.

Im saarländischen Innenministerium hält man an der bisherigen Regelung fest. „Auch künftig sollen Tattoos für die Bürgerinnen und Bürger nicht sichtbar sein“, sagt Sprecher Markus Tröster. Angesprochen auf das Berliner Urteil, erklärt er, die aktuelle Rechtsprechung werde „laufend überprüft“.

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