Tatort „Der Pakt“ Kommissar Stellbrinks leiser Abschied

Saarbrücken · Beim Start 2013 hagelte es reichlich Kritik für den Traumtänzer-Kommissar. Am Sonntag ermittelt Devid Striesow letztmals als Jens Stellbrink. Doch Striesow geht ohne großes Finale nach acht Folgen Saar-„Tatort“. Sein letzter Fall, „Der Pakt“, moralisiert viel im Migranten-Milieu.

Hauptsach gudd gess: In seinem letzten „Tatort“ wird Kommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) vollends saarlandisiert und schwenkt auf der Terrasse seiner Dachwohnung (auf dem TGBBZ in der Försterstraße). Am Sonntag, 20.15 Uhr, läuft „Der Pakt“ im Ersten.

Hauptsach gudd gess: In seinem letzten „Tatort“ wird Kommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) vollends saarlandisiert und schwenkt auf der Terrasse seiner Dachwohnung (auf dem TGBBZ in der Försterstraße). Am Sonntag, 20.15 Uhr, läuft „Der Pakt“ im Ersten.

Foto: SR/Manuela Meyer/Manuela Meyer

Ausgerechnet jetzt geht er, wo das Nordlicht aus Trinwillershagen (dem Rüganer Devid Striesow gehen solche Ortsnamen lässig über die Zunge) vollends assimiliert ist. Kommissar Jens Stellbrink baut auf der Dachterrasse seines Wolkenkuckucksheims an der Saarbrücker Försterstraße einen Schwenker auf. Und spürt jene Glückseligkeit, wie sie wohl bloß den Saarländer am Feuer des heiligen Dreibeins umfängt. Kaum aber zischt das Fleisch auf dem Grill, nervt das Handy: Stellbrink muss zum Tatort. Das Steak bleibt kalt. Der Kommissar kommt mal wieder zu nichts.

Im Grunde sagt dieser (leider rare ironische) Moment aus „Der Pakt“, dem neuen und letzten Saar-„Tatort“ mit Devid Striesow alias Jens Stellbrink, schon alles. Seit Striesow 2013 beim SR anfing, und das dröge bayrisch-saarländische Ermittler-Gespann Kappl/Deininger (Maximilian Brückner und Gregor Weber) in Zwangsrente geschickt wurde, probierte er in diversen Fällen einiges, fand aber nie so richtig zu einem Profil – trotz stolzem Marktanteil von regelmäßig über 20 Prozent.

Striesow sollte wohl der große Sanfte unter den „Tatort“-Ermittlern sein, das Kind im Kriminalhauptkommissar. Kein eiskalter Engel wie der Berliner Robert Karow (Mark Waschke war mit Striesow übrigens in der selben Klasse der Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule), kein Clown um jeden Preis wie das Münster-Duo Börne & Thiel. Am Sonntag aber wird Stellbrink nur selten noch mit Kulleraugen dem Bösen entgegen lächeln. Seinen roten Roller hat er längst gegen ein schweres Motorrad getauscht. Der durchaus sympathische Traumtänzer-Kommissar, der bei seinem Debüt „Melinda“ vor sechs Jahren durch die Gulliver-Welt am Deutsch-Französischen Garten irrlichterte, was die „FAZ“ zum vernichtenden Urteil „Gesamtkatastrophe“ animierte, wurde in der Rolle zwar erwachsen, aber auch blasser. Eine neue „Tatort“-Marke hat er jedenfalls nicht gesetzt: Stellbrink ist kein Schimanski, kein Borowski.

Dabei zählt der 45-jährige Striesow fraglos zu den besten deutschen Schauspielern der mittleren Generation. Sensibel, enorm wandlungsfähig – und auch viel beschäftigt. Vielleicht aber war ihm das Korsett einer Serienfigur zu eng, zu starr das Gerüst des 90-Minüters am Sonntagabend: Da braucht es wohl schon einen Ulrich Tukur, der sich den eigenwillig-eigenbrötlerischen LKA-Ermittler Felix Murot auf den Leib schreiben ließ und einen Sender, der was wagt, wie den Hessischen Rundfunk, um das Traditionsformat des Ersten aufzusprengen.

Der frühe Stellbrink: Devid Striesow mit Elisabeth Brück (Kommissarin Lisa Marx) bei den Dreharbeiten für „Melinda“ 2012.

Der frühe Stellbrink: Devid Striesow mit Elisabeth Brück (Kommissarin Lisa Marx) bei den Dreharbeiten für „Melinda“ 2012.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Der SR hat diese Chance, die mit dem Hochkaräter Striesow wohl gegeben war, nicht nutzen können. Das beweist auch der letzte Striesow-Streich: vor allem ein großes Moralisieren im Migranten-Milieu. Da sperrt ein gutmütiger Polizeimeister einen Flüchtling mit aufmunterndem „Inshallah“ in die Zelle. Blöd nur, dass der Christ ist. Sowas könnte ja durchaus witzig sein, käme der restliche Film nicht oft so angestrengt politisch korrekt daher.

Zoltan Spirandelli, der bei der Mehrzahl der Striesow-„Tatorte“ Regie führte, hat diesmal auch das Drehbuch mit verfasst. Über weite Strecken spiegelt „Der Pakt“ nüchtern den Polizeialltag. Es werden Spuren gesichert, Fingerabdrücke genommen, Zeugen vernommen. Im besten Fall unaufgeregt, oft aber auch nur zäh, was Spirandelli abfilmt. Und nachdem eine Schwesternschülerin nackt und erdrosselt aufgefunden wurde, stolpern Stellbrink und seine Kolleginnen Marx und Emmerich nur so über die Klischees. Da ist eine rassistische Lehrschwester, die aber trotzdem gern mit dem jungen iranischen Arzt ins Bett will und ersatzweise Stellbrink anflirtet, dann die übermotivierte Ärztin, die Asylanten kuriert, der Mann von der Ausländerbehörde, der mit heiligem Eifer Flüchtlinge abschieben lässt, daheim aber den liebevollen Familienvater eines blonden Buben gibt. Zornige junge Männer mit Migrationshintergrund treffen auf böse Biodeutsche. Alle sind irgendwie Täter und Opfer: So lautet die durchscheinende Moral.

Einmal mehr erweist sich die Story als Schwachpunkt der Stellbrink-„Tatorte“. Nie waren die Drehbücher herausragend, selten gut, meist Durchschnitt. Zudem gab und gibt es neben Striesow wenig Akteure, die man ebenbürtig nennen wollte: Hartmut Volle als Kriminaltechniker Jordan, ja. Elisabeth Brück, als Kommissarin Marx die Saarländerin neben Import Striesow, aber spielt hölzern und maskenhaft ihren schrumpfenden Part. Dagegen avanciert Polizistin Mia Emmerich zur Kommissarin und die taffe Sandra-Maren Schneider macht Brück prompt den Ermittlerplatz an Striesows Seite streitig. Es wäre keine Überraschung, gehörte Schneider auch zu dem neuen Fünfer-Team, das wohl in Striesows Nachfolge für den SR ermitteln soll. Spätestens im März, heißt es, will der Sender die Truppe vorstellen.

So bleibt die Erkenntnis, dass nach wie vor Jochen Senf als Max Palu der prägendste Saar-Kommissar war – in der langen Geschichte des Saar-„Tatorts“; der SR produzierte 1970 zwar nicht den ersten, aber den zweiten „Tatort“ überhaupt. Haften blieb aus dem Saarland nur der knorrige Palu, dessen unentwegte Frankophilie mit reichlich Rouge und Baguette zwar auch manchen Zuschauern aufstieß. Aber es gab damals sogar Gastspiele von veritablen Hollywood-Stars wie Robert Vaughn in „Camerone“ (1992) – angeblich für eine sechsstellige D-Mark-Gage. An Palus Bekanntheit konnten weder das Nachfolger-Doppel Kappl/Deininger noch jetzt Striesow anknüpfen. So ist es auch nur konsequent, dass Kommissar Jens Stellbrink leise abtritt, nicht wie Schimanski einst davonfliegt oder sich wie Stoever und Brockmöller (Manfred Krug und Charles Brauer) das Abschiedsständchen selbst singt. Stellbrink steht auf dem Dach eines Saarbrücker Hochhauses und versucht zu retten, was zu retten ist. Und muss sich doch sagen lassen, dass nicht immer alles glücklich endet.

„Tatort - Der Pakt“: Sonntag, 27. Januar, 20.15 Uhr, im Ersten. Mehr zum Saar-„Tatort“ gibt es unter www.saarbruecker-zeitung.de/saar-tatort

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