Ev. Kirchen fordern Antisemitismus-Beauftragten Synagogengemeinde erlebt mehr Hass
Saarbrücken · Saar-Protestanten fordern einen Antisemitismus-Beauftragten bei der Landesregierung. Die Synagogengemeinde ist skeptisch.
Der Antisemitismus grassiert wieder im Saarland. Wie der Chef der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, der SZ auf Anfrage berichtete, nehmen die Schändungen jüdischer Friedhöfe, wie zuletzt in Tholey und Ottweiler, zu. Zudem gebe es ein antisemtisches Mobbing von jüdischen Sprachschülern. So hätten Juden, die aus den ehemaligen Republiken der UdSSR ins Saarland übersiedelten, nach gemeinsamen Deutsch-Kursen in der Volkshochschule verbale Attacken von muslimischen Flüchtlingen erleben müssen. „Unsere Leute sind dann nicht mehr zu den Deutsch-Kursen hingegangen, die fühlten sich bedroht“, sagte Bermann. Der uralte Antisemitismus in Deutschland werde nicht auszurotten sein, erklärte Bermann. „Selbst wenn es hier nur noch sehr wenige Juden gibt“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Synagogengemeinde. Im Saarland gebe es nur knapp unter 1000 Menschen jüdischen Glaubens. Davon stammten etwa 98 Prozent aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und Ost-Europa.
Die Synagoge in der Saarbrücker Stadtmitte werde weiterhin besonders geschützt und überwacht. Die Stadtverwaltung habe versprochen, an beiden Seiten der Lortzingstraße Betonpoller aufzustellen, um einen Angriff mit Fahrzeugen auf die Synagoge zu verhindern. „Das sollte längst erledigt sein“, sagte Bermann. Die Stadtverwaltung teilte mit, dass die Poller frühestens im Juni 2018 eingesetzt würden. Der barrierefreie Umbau der Bushaltestelle Dudweilerstraße habe Vorrang gehabt.
Unterdessen setzt sich die evangelische Kirche im Saarland für einen Antisemitismus-Beauftragten bei der Landesregierung ein. Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen für das Saarland, Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, wandte sich in Briefen an die Regierungsfraktionen CDU und SPD, wie die Evangelische Kirche im Rheinland mitteilte. Darin verweise er auf Rheinland-Pfalz, wo seit 2017 ein ehrenamtlich tätiger Antisemitismus-Beauftragter benannt ist.
Kirchen und die Bürgergesellschaft sollten gemeinsam dafür einstehen, dass Juden ihren Glauben unbehelligt in Deutschland und im Saarland leben könnten, sagte Hofmann dem Evangelischen Pressedienst. „Das grundgesetzlich verbriefte Recht auf positive Religionsfreiheit muss für alle gewahrt werden.“ Zwar gebe es bisher keine körperlichen Angriffe, aber sobald deutlich werde, dass jemand Jude sei, werde er verbal attackiert. „Nach wie vor muss die Synagoge in Saabrücken besonders geschützt werden.“ Dazu zählten etwa eine Durchgangsschleuse und zusätzliche Sicherheitsdienstmitarbeiter. „Dazu kommt seit 2015 der Antisemitismus arabischer Flüchtlinge, in deren Herkunftsländern Antisemitismus üblich ist und die neue Judenfeindlichkeit ins Saarland bringen“, sagte Hofmann. Der Chef der Synagogengemeinde Bermann sagte, er habe eine ambivalente Meinung dazu: „Das ist eine schöne Geste der evangelischen Kirche und gut gemeint. Aber ein Antisemitismus-Beauftragter wird nicht viel bringen.“ Die Tätigkeit hänge sehr von der Person ab, die das Amt ausübe. „Was kann eine einzelne Person schon ausrichten?“, so Bermann.
Die evangelische Kirche in der Region kämpft derweil noch mit den eigenen NS-Verstrickungen. So wird derzeit kontrovers darüber diskutiert, ob Glocken mit Hakenkreuzen und NS-Propaganda aus evangelischen Kirchen entfernt werden müssen. In evangelischen Kirchen in Rilchingen-Hanweiler und Homburg-Beeden hängen auch noch solche Glocken.