Neujahrsempfang „Demokratie braucht Menschen, die mitmachen“

Tholey · Peter Müller, Richter am Verfassungsgericht, war Gastredner beim Neujahrsempfang der CDU im Landkreis. Seine Rede war ein Plädoyer für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

 Nach seiner Rede beim CDU-Neujahrsempfang trug sich Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, ins Goldene Buch der Gemeinde Tholey ein.

Nach seiner Rede beim CDU-Neujahrsempfang trug sich Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, ins Goldene Buch der Gemeinde Tholey ein.

Foto: B&K/Bonenberger/

Drei wichtige Jubiläen stehen in Deutschland in diesem Jahr an: 70 Jahre Grundgesetz, 30 Jahre Wiedervereinigung und 100 Jahre Weimarer Verfassung. Mit diesem Hinweis begann Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, seine Rede beim Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbandes St. Wendel im Mauritiushaus in Tholey. Diese drei Jubiläen bildeten den roten Faden für seine Rede.

Es sei nicht selbstverständlich, dass ein Richter beim Neujahrsempfang einer Partei rede, sagte Müller zu Beginn. Viele sagten, ein Richter habe durch sein Urteil zu sprechen. Er halte diese Auffassung für falsch. Die Weimarer Republik sei auch deshalb gescheitert, weil sich zu wenige für die Demokratie eingesetzt hätten. Müller: „Demokratie braucht Demokraten, braucht Menschen, die mitmachen.“ Jeder sei gefragt, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Deshalb dürfe er auch hier als Richter reden.

Eine Aufgabe sei es, die Wiedervereinigung zu meistern. Er habe den Eindruck, dass es vollkommen aus dem Blickwinkel geraten sei, dass die Menschen in der ehemaligen DDR 50 Jahre in einer Diktatur gelebt hätten. Mit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren hätten sie ihre Freiheit gewonnen. Peter Müller: „Wiedervereinigung ist in erster Linie kein ökonomisches Thema, sondern eines, das mit Friede, Freiheit und Demokratie zu tun hat.“ Es sei nicht alles gelungen, das könne auch nicht sein, dies sei ein Generationenprojekt.

Er wundere sich sehr darüber, dass man nach 30 Jahren Wiedervereinigung eine Diskussion über die Frage führe, ob es den Solidaritätszuschlag noch brauche und wer ihn bezahle. Müller teilt die Meinung des CDU-Bundesparteitages, den Solidaritätsbeitrag für alle abzuschaffen.

Als vor 70 Jahren das Grundgesetz in Kraft getreten ist, lag Deutschland in Trümmern, erinnerte Müller. Und heute? „Wir sind zu einer Insel des Wohlstandes geworden.“ Bei allen Problemen, die es gebe, müsse es doch möglich sein, darauf hinzuweisen, dass keine Generation in so guten Verhältnissen gelebt habe.

Das habe auch mit dem Grundgesetz zu tun. Weil man sich dort im Kern zu einigen wenigen Prinzipien klar bekannt habe. Müller: „Im Zentrum der Politik steht der Mensch. Die Menschenwürde ist der oberste Wert.“ Müller ging auch auf die soziale Marktwirtschaft ein, Markt alleine schaffe keine Gerechtigkeit. Es brauche einen Ordnungsrahmen. Soziale Marktwirtschaft funktioniere aber nur mit Verantwortung. Die Spitzen mancher Unternehmen sähen nicht immer ihre Verantwortung für das Ganze, so seine Kritik:  „Wer sich so verhält, trägt dazu bei, dass die Marktwirtschaft kaputt gemacht wird.“

Demokratie und Rechtsstaat sind für den Verfassungsrichter untrennbar miteinander verbunden. Allerdings sieht er die Demokratie in vielen Ländern in Gefahr: „2018 ist das 17. Jahr in Folge, in dem weltweit Freiheit und Demokratie abgebaut wurden.“ Da werde der Rechts-
staat gegen die Demokratie in Stellung gebracht. In Ungarn spreche man von der „illiberalen Demokratie“. Das Konzept der Populisten: Sie verträten die wahren Interessen des Volkes. Und diese Interessen dürften sie ohne Rücksicht durchsetzen, so ihre Meinung. Erste Opfer seien die Verfassungsgerichte, dann würden Justiz und Presse gleichgeschaltet, sagte er. Deshalb dürfe die Bedeutung der Europawahl im Mai nicht unterschätzt werden. Müller: „Die Zukunft Europas darf keine Zukunft in der Hand der Populisten sein.“

Dies setze aber voraus, dass der Rechtsstaat sich nicht selber unglaubwürdig mache: „Recht und Gesetz müssen für jeden gelten.“ Es würde helfen, wenn es weniger Gesetz gebe. Sein Plädoyer: weniger Gesetze, die aber konsequent umgesetzt werden. Es dürfe keinen rechtsfreien Raum geben.

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