Test Von Bank zu Bank — Zwei Erlebnisberichte

Münchwies/Tholey · Da hatten gleich zwei Teams den selben Gedanken. So haben die Macherinnen der Mitfahrerbänke von Münchwies, Beate Ufer und Stephanie Kratz von der KISS – Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland die Bänke als Mitfahrerinnen getestet. Fast zeitgleich waren die Kollegen der SZ-Redaktion St. Wendel drei Stunden lang unterwegs, um zu testen, wie es sich per Mitfahrerbank vorankommen lässt – und wen man dabei trifft.

 Der Test beginnt: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider sind bester Laune. Mitfahrerbank am Rathaus.

Der Test beginnt: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider sind bester Laune. Mitfahrerbank am Rathaus.

Foto: B&K

Im April sind im Kreis Neunkirchen insgesamt sieben Mitfahrerbänke freigegeben worden. Von Münchwies aus kann man seitdem in die Nachbarorte Lautenbach, Hangard, Frankenholz — und zurück. Dort gibt es nämlich ebenfalls solche Bänke. Dort allerdings nur jeweils eine, während in Münchwies selbst vier stehen. Wer auf ihnen Platz nimmt, zeigt per hoch geklapptem Schild an der Bank an, wo er gerne hinmöchte (man kann aber auch einfach nur so hier sitzen, dann klappt man einfach nichts hoch). Initiiert worden sind die Mitfahrerbänke Münchwies von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland (KISS) unter der Projektleitung von Münchwieserin Beate Ufer. Bezahlt worden ist das Projekt aus dem Programm Landaufschwung. Das Projekt hat exakt 14 355 Euro gekostet.

Jetzt wollten es Projektleiterin Beate Ufer und Mitarbeiterin Stephanie Kratz wissen. Eine erste Bevölkerungsbefragung zur Nutzung der Bänke hat stattgefunden, wie sie der SZ mitteilen. Dazu kam der Selbsttest. Die beiden Frauen wollten wissen: Wie läuft das in der Praxis. Bei sommerlichen Temperaturen starteten die beiden KISS-Mitarbeiterinnen um 14 Uhr von der schattigen Bank in der Friedhofstraße Münchwies. Das avisierte Ziel: Frankenholz, Ortsteil der Stadt Bexbach. Zwanzig Minuten mussten sie warten, dann kam die Mitfahr-Gelegenheit. Zurück war die Wartezeit noch einmal etwa genauso lang, schreiben sie. Etwas länger mussten die Frauen sitzen für die Fahrtrichtung Münchwies - Lautenbach. 30 Minuten dauerte es, bis sich die Mitfahrgelegenheit in den Ottweiler Ortsteil ergab. Weiter ging es merklich schneller: Gerade mal zehn Minuten Pause auf der Bank, bis es weiter nach Hangard ging.

Das Fazit der KISS-Testerinnen: Die Nutzer der Mitfahrerbänke müssen etwas Geduld und Zeit mitbringen, je nachdem zu welcher Tageszeit der Wunsch nach einer Mitfahrgelegenheit besteht. Mitgenommen wurden die Frauen im Übrigen sowohl durch Ortsansässige als auch durch Fremde. Außerdem haben sie festgestellt: Die Zahl derjenigen, die Wartende mitnehmen wollen, ist hier weitaus höher als die derjenigen, die sich trauen, eine Bank zu nutzen. „Wir sind ebenfalls der Überzeugung, dass die Bänke eine gute Sache sind für den ländlichen Raum und es noch ein bisschen Zeit brauchen.“ Das Projekt Mitfahrerbänke von Münchwies ist im Übrigen gekoppelt mit einer online-Mitfahrzentrale, die allen zur Verfügung steht. Unter www.treffpunkt-mitfahrerbank.de können Fahrten angeboten und gesucht werden, ganz unabhängig vom Landkreis. Infos über die Mitfahrerbänke gibt es bei KISS, Beate Ufer, Telefon (0681) 960213-0.

Einem intensiven Selbsttest haben sich SZ-Redakeurin und Fotograf der Redaktion St. Wendel unterzogen. Sie testeten drei Stunden lang die Mitfahrerbänke in Tholey:

Montagmorgen, 10 Uhr. Pünktlich spaziert SZ-Fotograf Josef Bonenberger über den Vorplatz des Tholeyer Rathauses. Sein Blick entschlossen. Denn er startet mit mir eine besondere Mission. Was würde uns dieser Tag bringen? Wem würden wir begegnen? Spannung liegt in der Luft...

Aber nein, erst mal hinsetzen. Und zwar nicht irgendwo, sondern auf die knallrote Bank, die an der Metzer Straße positioniert ist. Ihre Rücklehne ziert ein Schriftzug: „Mitfahrerbank“. Genau das wollen wir – mitfahren. Auf dem Schilderbaum, der direkt neben der Bank aufgestellt ist, wählen wir unser Ziel: Schaumberg. Jetzt kann es losgehen.

Ich lasse meinen Blick schweifen. Vor der Bäckerei in der Nähe und der Bank halten einige Autos. Der Himmel über uns ist nahezu makellos blau. Nur einige wenige Wolken sind zu sehen. Trotz Sonnenbrille muss ich blinzeln. Dann richte ich den Blick wieder auf die Straße. Da, dieser Kombi mit St. Wendeler Kennzeichen, drosselt der nicht gerade die Geschwindigkeit? Der will bestimmt anhalten.

Nein, er fährt weiter. Vielleicht ist der Schaumberg kein gutes Ziel an einem Vormittag? „Lass uns das Einkaufszentrum am Weiher auswählen“, sage ich zu meinem Begleiter. Einkäufe werden jetzt sicher erledigt. Josef Bonenberger klappt das Schild um. Sein Blick inzwischen skeptisch. Direkt neben uns ist eine Bushaltestelle. Ob die Autofahrer denken, wir sitzen hier, um auf den Bus zu warten? Erkennen sie die Mitfahrerbank als solche? „Die Leute können hier auch schlecht anhalten“, findet mein Begleiter.

Nach deprimierenden 20 Minuten geben wir auf. Allerdings nicht die Mission, sondern nur den Standort. Es zieht uns an die Mitfahrerbank nahe der Supermärkte. Idyllisch an einem Weiher gelegen, mutet das ein bisschen wie Erholung an. Aber nehmen uns unsere potenziellen Chauffeure hier wahr? Das Gute an der Position der Bank: Jene Autofahrer, die den Parkplatz des Supermarkts in Richtung des Halbkreisels am Weiher verlassen, sind dementsprechend langsam unterwegs und hätten Gelegenheit zum Anhalten, ohne den Verkehr zu stören. Doch, Moment mal, der Schilderbaum ist so aufgestellt, dass das Wunschziel lediglich von der Hauptstraße aus zu sehen ist.

Kaum haben wir Platz genommen, kommen zwei Frauen vorbei. Eine von ihnen hält einen Reiseführer über den Jakobsweg in Händen. „Wir wollen einen Teil des Weges bis nach Marpingen erwandern“, verrät sie und fragt, ob sie hier richtig sind. Während SZ-Fotograf Bonenberger ihr zeigt, wo sie als nächstes abbiegen müssen, interessiert sich die zweite Wanderin für die besondere Bank. „Das ist eine schöne Idee“, findet sie. „Aber sehen die Autofahrer die Schilder?“ Wir plaudern noch eine Weile, die beiden Frauen schießen ein Erinnerungsfoto an der Mitfahrerbank und ziehen weiter. Während mein Begleiter und ich wieder warten und warten.

Dann plötzlich. Ein Autofahrer fährt rechts ran und ruft uns durchs geöffnete Fenster zu: „Ihr wollt zum Schaumbergbad?“ „Ja“, antwortet der SZ-Fotograf und springt auf. „Dann steigt ein!“ Christoph Bläs heißt unser freundlicher Chauffeur. Der Oberthaler erzählt, dass er schon öfter jemanden mitgenommen hat. Immer, wenn er Platz im Auto habe. „Es funktioniert eigentlich ganz gut“, sagt er.

„Zumindest, wenn er in der Nähe ist“, denke ich schmunzelnd und danke unserem Chauffeur, als unsere gemeinsame Fahrt an der Einbiegung zum Wareswald endet. Da Bläs in Richtung Oberthal unterwegs ist, lässt er uns hier schon raus. Ein kurzer Fußmarsch in der Sommersonne und schon erreichen wir die nächste Bank. Wenigstens mal ein bisschen im Schatten. Sie steht an der Abzweigung zum Schaumberg. Und genau da wollen wir ja noch immer hin. Eine Radfahrerin kommt vorbei und grüßt uns freundlich. Aber ihr Gefährt kann uns nicht ans Ziel bringen. Hilfe muss her.

Ich schreibe meiner Kollegin Sarah Konrad in der Redaktion. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit. Vielleicht kann ein Post auf Facebook Schwung in die Sache bringen. Kurz darauf hält die Fahrerin eines Kleinbusses bei uns an. Sie kommt gerade vom Schaumberg und fährt somit in die falsche Richtung. „Wenn ihr heute Abend noch hier sitzt, komm ich Euch holen“, verspricht sie und schenkt uns ein Lächeln, ehe sie weiterfährt.

Wolken schieben sich vor die Sonne und bringen uns etwas Abkühlung. So ist es eigentlich ganz angenehm, auf der Bank zu sitzen. Hektik und Zeitdruck haben keine Chance. Wer Mitfahrer werden will, braucht Geduld. Das entschleunigt. Irgendwie schön. Vom Schaumberg her kommend rollt ein altes Wohnmobil auf uns zu. Die Fahrerin kurbelt das Fenster runter und ruft uns zu: „Ihr sitzt auf einer Mitfahrerbank: Wollt ihr mit?“. Ihr Dialekt und das Kennzeichen am Wagen verraten, sie kommt nicht von hier. Und leider fährt sie in die für uns falsche Richtung. Dankend lehnen wir ab.

Die Wolken haben sich verzogen, die Sonne brennt jetzt mit voller Kraft. Es ist schon fast 12.30 Uhr. „Wie lange sitzen wir schon hier?“, fragt Josef Bonenberger stöhnend. „Seit einer Stunde“, seufze ich. Das Gefühl der Erholung schwindet ein wenig. Dass so mancher, der hier gewartet hat, in eine eher wütende Stimmung verfallen ist, davon zeugt ein Kommentar auf der Bank. Mit krakeliger Schrift wurde vermerkt: „Warte hier von 10 bis 11.30 Uhr. Das ist eine Verarscherbank.“

Von der haben wir jetzt auch genug. „Lass uns hochlaufen“, schlägt mein Begleiter vor. Ob er auch von einem kühlen Glas Sprudel und einem Kaffee träumt – so wie ich? Ich nicke, greife zu meiner Tasche und... da sind sie plötzlich: unsere Retter. Der Lack ihres Wagens funkelt im Sonnenlicht. Man hält uns die Tür auf und lässt uns auf der Rückbank Platz nehmen. Leider wollen unsere Helden nicht genannt werden. Ihr Einsatz kam goldrichtig. Danke!

 Station Nummer zwei: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider auf der Bank am Weiher mit Ziel Erlebnisbad.

Station Nummer zwei: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider auf der Bank am Weiher mit Ziel Erlebnisbad.

Foto: B&K
 Bank am Schaumbergbad: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider setzen auf Hilfe aus einem sozialen Netzwerk.

Bank am Schaumbergbad: SZ-Fotograf Josef Bonenberger und SZ-Redakteurin Evelyn Schneider setzen auf Hilfe aus einem sozialen Netzwerk.

Foto: B&K
 SZ-Fotograf Josef Bonenberger wählt das Ziel aus: Schaumberg.

SZ-Fotograf Josef Bonenberger wählt das Ziel aus: Schaumberg.

Foto: Evelyn Schneider
 Bei der Einweihung der Mitfahrerbank in Münchwies im April (von links): Giesela Holweck, Hilde Freiberger, Ingeburg Ufer und Julitta Schulz.

Bei der Einweihung der Mitfahrerbank in Münchwies im April (von links): Giesela Holweck, Hilde Freiberger, Ingeburg Ufer und Julitta Schulz.

Foto: Jörg Jacobi

Knapp drei Stunden dauerte unsere Mitfahrerbank-Mission. Immerhin zwei Mal wurden wir zu unserem Ziel chauffiert. Dafür brauchten wir aber auch reichlich Geduld. Um ganz ehrlich zu sein: Das hatten wir uns im Vorfeld leichter vorgestellt. Hier und da könnten die Schilderbäume besser positioniert sein. Die Bank direkt neben der Bushaltestelle hat in unserem Fall nicht funktioniert. Was allerdings sehr schön war: Wir sind mit einigen Passanten ins Gespräch gekommen. Die Klassiker-Aufgabe der Bank – Treffpunkt und Kommunikation – funktioniert also auf jeden Fall. Es hat Spaß gemacht.

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