Internationales Jazz-Festival St. Wendeler Jazzer huldigen den Nachbarn

St. Wendel · Jazz

 Musiker der Spitzenklasse geben sich bei der 28. Auflage des internationalen Festivals WND-Jazz die Saxophon-Klinke in die Hand: Céline Bonacina, Nicole Johänntgen und Marius Neset (von links).

Musiker der Spitzenklasse geben sich bei der 28. Auflage des internationalen Festivals WND-Jazz die Saxophon-Klinke in die Hand: Céline Bonacina, Nicole Johänntgen und Marius Neset (von links).

Foto: Nathalie-Lady Millions

„Die europäische Jazz-Elite beehrt WND-Jazz.“ So bewirbt Ernst Urmetzer, Chef des St. Wendeler Jazz-Förderkreises (JFK), die 28. Auflage des internationalen Jazz-Festivals in St. Wendel. Und der St. Wendeler Godfather of Jazz verspricht ein hohes Niveau – mit Musikern aus Norwegen, England, den USA, Österreich, Deutschland, der Schweiz sowie dem Saarland. Einen sogenannten Länderschwerpunkt gibt es auch. Der liegt auf Frankreich, das gleich mit vier Formationen in St. Wendel antritt. Warum Frankreich? „Zunächst einmal ist das 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges quasi ein Muss“, sagt Urmetzer. Um daran zu erinnern, dass offene Grenzen und freundschaftliche Beziehungen zum westlichen Nachbar keine Selbstverständlichkeit sind. Auf der anderen Seite geht es Urmetzer und seinen Mitstreitern vom JFK aber auch um Qualität. „Frankreich hat gerade im Jazz ein deutlich höheres Niveau als wir.“ Das liege daran, dass in Frankreich – anders als bei uns, wo feste Einrichtungen, Bühnen und Musiktheater von der öffentlichen Hand finanziell unterstützt würden – die Künstler selbst und die freie Szene monetär gefördert würden.

Beim Prolog-Konzert, das am vergangenen Freitag im Kurhaus Harschberg über die Bühne ging, standen sich ebenfalls zwei Generationen gegenüber: Der junge saarländische Posaunist Peter Hedrich und sein amerikanischer Mentor Jiggs Whigham. Unterstützt wurden sie von Tim Sammel (Saxophon), Felix Hauptmann (Piano), Reza Askari (Kontrabass) und Kevin Naßhan (Schlagzeug).

„Einfach Musik machen“ – so bringt die Saxophonistin Nicole Johänntgen ihr Credo auf den Punkt. Vor acht Jahren traf sie auf das französische Trio um den Pianisten Remi Panossian – es wurde eine Langzeit-Verbindung daraus. „Die Symbiose zwischen der im Saarland aufgewachsenen Wahl-Schweizerin und ihren dynamisch aufspielenden Mitstreitern aus Toulouse funktioniert ansteckend-spielfreudig“, schwärmt Urmetzer. Das französische Klaviertrio, bekannt für sein perfektes Zusammenspiel, sei allein schon eine Klasse für sich. Gemeinsam mit der saarländischen Saxophonistin Nicole Johänntgen, die für ihr extrovertiertes Spiel bekannt ist, „zündet die Band regelrecht ein musikalisches Feuerwerk“, heißt es im Begleitheft zu WND-Jazz. Dass Johänntgen ihrer alten Heimat die Aufwartung macht, „ist toll. Wir sind sehr froh, dass das geklappt hat“, sagt Urmetzer

Das Remi Panossain Trio feat. Nicole Johänntgen sind: Nicole Johänntgen (Alt- und Sopransaxophon), Remi Panossain (Piano), Maxime Delporte (Kontrabass) und Frédéric Petitprez (Schlagwerk). Konzertbeginn am Freitag, 25. Mai, ist um 20 Uhr.

Um 21.30 Uhr heißt es: Bühne frei für das Céline Bonacina Quartett. Wie der JFK erläutert, hat die französische Baritonsaxophonistin, 1975 geboren, bereits in jungen Jahren zahlreiche Preise für klassisches Saxophon gewonnen. 2005 erschien ihr Debut-Album, dem bisher vier weitere folgten. Inzwischen gehöre Bonacina zu den wichtigsten Saxophonisten der jüngeren Generation. Ihr Spiel betöre durch Vitalität und Schönheit. Das Quartett balanciert zwischen lyrischer Kammermusik und expressivem Jazz mit großer Tiefe und intensiver Kommunikation. Nguyên Lê, französischer Weltmusik- und Jazz-Gitarrist sowie Komponist vietnamesischer Herkunft, sagt über Céline Bonacina: „Ich konnte nicht aufhören, die Vitalität und Schönheit ihrer Musik zu bewundern und in ihr immer wieder neue Vielfalt und außergewöhnlichen Ausdruck zu entdecken.“ In der jungen Frau stecke der Wille und der Drang, Grenzen zu durchbrechen. Die Besetzung: Céline Bonacina (Sopran- und Baritonsaxophon), Leonardo Montana (Piano), Chris Jennings (Kontrabass) und Asaf Sirkis (Schlagzeug und Percussion).

Den Auftakt am Samstag, 26. Mai, bestreiten ab 20 Uhr die Talking Horns. Das Kölner Quartett hat allerlei Geschichten aus den unterschiedlichsten Klangwelten zu erzählen. „Hier ist für jeden etwas dabei“, wirbt Urmetzer. Der Jazz-Fan käme ebenso auf seine Kosten wie der Kammermusik-Freund oder der Posaunenchor-Anhänger. Im Jazz verwurzelt, unbeeindruckt von Genregrenzen, reiße die Band das Publikum mit ihrer Spielfreude und ihrem musikalischen Humor mit. Im permanenten Rollen- und Instrumentenwechsel werde aus dem Quartett eine ganze Big Band. Wobei das Sousaphon oder das Tenorsaxophon als unermüdlicher Groove-Generator wirkten, auf dessen spritzigen Rhythmus-Fundament die restlichen Musiker ein Ohrwurm verdächtigtes Motiv nach dem anderen aufbauen.

Die Talking Horns sind: Achim Fink (Sousaphon, Posaune, Tenorhorn, Basstrompete, Tuba), Andreas Gilgenberg (Saxophon, Flöte, Bassklarinette), Bernd Winterschladen (Tenor- und Baritonsaxophon, Bassklarinette) und Stephan Schulze (Posaune, Tenorhorn, Tuba, Flügelhorn).

Ein echter Wachmacher tritt am  Samstagabend um 21.30 Uhr auf: Das Marius Neset Quintett. In den vergangenen Jahren habe kaum ein junger europäischer Jazzmusiker international mehr Aufsehen erregt, als der 1986 geborene norwegische Saxophonist Marius Neset. Wer seine gefeierten Auftritte erlebe, so heißt es in einer Ankündigung des JFK, stelle erstaunt fest: Was Marius Neset am Saxofon macht, „ist nichts anderes als der Schritt in eine neue Dimension dieses Instruments“, schwärmte etwa die Süddeutsche Zeitung. DerGuardian zählt Neset zu den aktuell größten Entdeckungen des Jazz, mit „der Kraft eines Michael Breckers und der Raffinesse eines Jan Garbarek“. 

Das Quintett sind: Marius Neset (Tenor- und Sopransaxophon), Ivo Neame (Piano), Jim Hart (Vibraphon, Marimba), Michael Janisch (Kontrabass) und Herbert Pirker (Schlagzeug).

Auch in diesem Jahr steht der Sonntagmorgen im Zeichen des Nachwuchses. Ab 11 Uhr heißt es wieder „Jazz for Kids“. „Wir sind die einzigen im Saarland, die im Bereich Jazz ein Konzert für Kinder organisieren“, unterstreicht Urmetzer. Das Motto des Konzert-Morgens: Alle Mann an Bord – Jazz im Fluss. Zum Inhalt: Eigentlich soll es im Fidolino-Kinderkonzert eine beschauliche Bootspartie mit Käpt’n Claas Klarsicht und seiner Crew „Die verwegenen Vier“ geben. Doch kaum entert die Mannschaft ihr Schiff „MS Talking Horns“, beginnt schon das Malheur: Wie sollen die Segel gesetzt werden, wenn alle musikalischen Leinen verknotet sind? Und kaum ist das Klangknäuel entwirrt, geht es immer noch nicht los – kein Wind auf See, totale Flaute. Also vertreiben sich die Matrosen die Zeit mit Musik auf allen erdenklichen Blasinstrumenten von Saxophon bis Sousaphon; bis ein Windstoß sämtliche Noten durcheinander wirbelt. Nun heißt es Musik selber erfinden, so wie es sich für Jazzmusik gehört.

Es wirken mit bei Jazz for Kids Fidelino und die Talking Horns: Claudia Runde (Flöte, Leitung, Konzept, Moderation), Achim Fink (Posaune, Tenorhorn, Basstrompete, Tuba), Andreas Gilgenberg (Saxophon, Flöte, Bassklarinette), Bernd Winterschladen (Tenor- und Baritonsaxophon, Bassklarinette) sowie Stephan Schulze (Posaune, Tenorhorn, Tuba und Flügelhorn).

Am Sonntagabend geht es um 18.30 Uhr weiter mit Michel Portal - Bojan Z. Es könnte eine Sternstunde werden, vermutet Urmetzer: Michel Portal, Grandseigneur und lebende Legende, ist sowohl in der klassischen als auch in der zeitgenössischen Musik zuhause. Mehr aber noch im Jazz. Inzwischen 82 Jahre alt, spielt er Stücke von Luciano Berio und Pierre Boulez, begleitete Edith Piaf und ist heute eine Koryphäe des Jazz. Sein Partner Bojan Z, alias Bojan Zulfikarpašic, der aus Belgrad stammende 50-jährige Pianist gilt in seiner Wahlheimat Frankreich als Starpianist. Beide bilden seit Jahren ein eingespieltes Duo, „das aus verschiedensten Ressourcen schöpft, aber nie anbiedernd, sondern stets souverän und authentisch“ daher komme.

Michel Portal (Klarinette, Bass-Klarinette, Sopransaxophon) und Bojan Zulfikarpasic (Piano, Fender Rhodes).

Den Schlusspunkt der 28. Auflage des internationalen Jazz-Festivals in St. Wendel setzt das Emile Parisien Quintett feat. Joachim Kühn am Sonntagabend um 20 Uhr. Parisien zählt laut Urmetzer zu den wichtigsten Protagonisten der französischen Szene: „Er ist einer der angesagtesten Musiker in Frankreich. Ein Jazzvisionär par excellence, der das Publikum hellauf begeistert.“ Das breite musikalische Feld zwischen Folklore seiner okzitanischen Heimat bis hin zur melodischen und harmonischen Abstraktion des Free Jazz prägt das Spiel des 35-Jährigen, der laut Urmetzer „ständig auf Tour ist“. Nach St. Wendel reist der Franzose mit seinem aktuellen Quintett an. Dazu zählt auch der Grandseigneur an den Tasten, Joachim Kühn. „Er ist einer der großen deutschen Jazzer“, sagt der JFK-Chef.

 Marius Neset Foto: Lisbeth Holton

Marius Neset Foto: Lisbeth Holton

Foto: Lisbeth Holton
 Nicole Johänntgen Foto: Daniel Bernet

Nicole Johänntgen Foto: Daniel Bernet

Foto: Daniel Bernet
 Die Talking Horns spielen am Samstagabend im Saalbau.

Die Talking Horns spielen am Samstagabend im Saalbau.

Foto: Michael Wiegmann/Foto: Michael Wiegmann
 Das Emile Parisien Quintett tritt am Sonntag auf.

Das Emile Parisien Quintett tritt am Sonntag auf.

Foto: Manfred Rinderspacher
 Alle Mann an Bord, heißt es am Sonntagmorgen im Saalbau.

Alle Mann an Bord, heißt es am Sonntagmorgen im Saalbau.

Foto: Claudia Weber

Die Besetzung: Emile Parisien (Sopran- und Tenorsaxophon), Joachim Kühn (Piano), Manu Codjia (Gitarre), Simon Tailleu (Kontrabass) und Mario Costa (Schlagzeug).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort