Veranstaltungsreigen eröffnet Späte Ehre für eine besondere Frau

St. Wendel · Die Welt feiert das Albert-Jahr und St. Wendel dessen Mutter, Herzogin Luise. Am Sonntag war Auftakt zu einem Veranstaltungsreigen, der bis Juni verschiedene Facetten der Stammmutter der Windsors beleuchtet.

 Museumsleiterin Cornelieke Lagerwaard mit Ministerpräsident Tobias Hans und Bürgermeister Peter Klär beim Rundgang durch die Luise-Ausstellung (von links). 

Museumsleiterin Cornelieke Lagerwaard mit Ministerpräsident Tobias Hans und Bürgermeister Peter Klär beim Rundgang durch die Luise-Ausstellung (von links). 

Foto: B&K/Bonenberger/

Eine Blues-Gitarre erklingt, der Sänger haucht den Namen „Louise“ klagend ins Mikrofon. Mit dem gleichnamigen Lied von John Lee Hooker als Hintergrundmusik geht es hinein in eine Kneipe. Am Tresen sitzt eine Gruppe zusammen, blättert in den neuesten Illustrierten. Das Thema: Klatsch aus dem britischen Königshaus. Blende. Eine Frau in einem edlen weißen Gewand flaniert durch die Innenstadt. „Manche Stellen erkenne ich wieder“, sagt sie. Es ist Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld, die ins St. Wendel des 21. Jahrhunderts zurückgekehrt ist.

„Wie die Windsors aus St. Wendel kamen“ lautet der Titel des Kurzfilms, der am Sonntag im Mia-Münster-Haus zu sehen war. Realisiert wurde der Streifen vom städtischen Archiv und Film-Team. Doch wie kam es zu der Idee? „Wir wollten etwas haben, das auch die Jugend anspricht“, erklärte Nicolas Pontius vom Stadtarchiv. Zusammen mit Florian Decker vom Filmteam hat er das Drehbuch ausgearbeitet. Während er die geschichtlichen Fakten lieferte, habe sich Decker die Drehorte ausgeguckt.

So wie Luise-Darstellerin Jutta Stumm in dem Film durch St. Wendels Gassen und somit auch durch die Stadtgeschichte flaniert, hätte sich auch Queen Elisabeth II. vor Ort auf Ahnenforschung begeben können. Wenn, ja wenn sie die Einladung der Stadt zur Eröffnung der Veranstaltungsreihe unter dem Motto „Herzogin Luise – die Vorfahrin der Windsors in St. Wendel“ angenommen hätte. Doch sie sagte ab (wir berichteten). Auch zum Bedauern von Schirmherr Tobias Hans (CDU). „Gerne hätte ich jetzt ,Her Majesty‘ begrüßt“, sagte der saarländische Ministerpräsident. Doch sie habe die Chance leichtfertig vertan, etwas über ihre Vorfahren zu erfahren und bequem in die EU zu reisen. Hans‘ Anspielung auf den Brexit kam bei den Gästen gut an.

Anstelle der Queen betrieb dann der Ministerpräsident in seiner Ansprache Ahnenforschung und zählte die Verbindungen Luises zu den verschiedenen Dynastien auf. So ist sie nicht nur die Ur-Ur-Urgroßmutter der englischen Queen, sondern auch Ur-Ur-Ur-Urgroßmutter des ehemaligen spanischen Königs Juan Carlos, außerdem reichen die Wurzeln beispielsweise auch ins russische Zaren-Haus. „Da wird der saarländische Slogan ,Großes entsteht im Kleinen’ doch nochmal bestätigt“, scherzte Hans.

Als Herzogin Luise 1824 nach St. Wendel kam, geschah das nicht freiwillig. Sie wurde von ihrem Ehemann, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha, verbannt. „Für viele, die von außerhalb ins Saarland ziehen, kommt das zunächst einer Verbannung gleich“, verglich Hans. „Doch haben sie erst Fuß gefasst und gelernt, wie liebenswert die Menschen sind, wollen sie gar nicht mehr weg.“ Auch Luise habe ihre glücklichsten Jahr in St. Wendel verbracht. Sie habe die Herzen der Menschen in der Kreisstadt erobert und diese wiederum das Ihre. „Trotz Verbot huldigten sie ihrer Landesherrin.“ Was sie ihnen dankte, indem sie reichlich Geld für die Armenkasse spendete.

Passend dazu besiegelte Bürgermeister Peter Klär (CDU) während der Feier die Herzogin-Luise-Stiftung. Ein St. Wendeler Bürger hatte in seinem Testament verfügt, dass die Stadt mit seinem Vermögen soziale Zwecke unterstützen soll. Dies geschieht jetzt durch die Stiftung.

Geschätzte Landesherrin und Wohltäterin – das sind nur zwei Beschreibungen, die auf Luise zutreffen. Außerdem war sie auch liebende Mutter. Doch durfte sie ihre beiden Söhne, Ernst und Albert, nicht mehr sehen. Letzterer heiratete 1840 seine Cousine, die britische Königin Victoria. In diesem Jahr hätte er seinen 200. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Grund wurde 2019 zum Albert-Jahr ernannt. Warum das auch in St. Wendel gefeiert wird, das ist Klär nach eigenen Angaben zuletzt oft gefragt worden. Die Antwort ist einfach: „Wir nehmen das zum Anlass, um an das Leben seiner Mutter zu erinnern.“ Denn sie ist die Stammmutter der Windsors. „In welch verträumtes Nest komme ich hier“ – mit diesem Worten habe Luise einst ihren ersten Eindruck von St. Wendel beschrieben. Sechs Jahre lebte sie hier. Keine lange Zeit, doch viele Spuren hat sie dennoch hinterlassen.

Peter Klär (links) und Ministerpräsident Tobias Hans mit der Urkunde der Herzogin-Luise-Stiftung.

Peter Klär (links) und Ministerpräsident Tobias Hans mit der Urkunde der Herzogin-Luise-Stiftung.

Foto: B&K/Bonenberger/

„Dass wir heute so viele Details wissen, das verdanken wir Josef Dreesen“, sagte Klär. Er sei der Einstiegspunkt der Luisenforschung. „200 Jahre ist Luise tot geschwiegen und falsch bewertet worden“, erklärte Historiker Dreesen. Herzogin Luise ist für ihn eine interessante Frauengestalt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Sie hatte in ihrem Elternhaus eine liberale Erziehung genossen, durfte ihre Meinung sagen“, erläuterte Dreesen im SZ-Gespräch. Dann heiratete die erst 16-jährige Luise einen 17 Jahre älteren Mann, einen Vertreter der alten Schule, wie der Historiker Herzog Ernst beschreibt. Sie, die glaubte, ebenbürtig mit einem Mann zu sein, hatte nunmehr nur die Aufgabe, Thronfolger zu gebären. „Luise war aufmüpfig. Damit ist Ernst nicht klarkommen“, sagte Dreesen. Die Folge: Die Scheidung und zuvor die Verbannung nach St. Wendel. Wobei letzteres am Ende wohl für beide Seiten großes Glück bedeutete. Und so möchte die Stadt ihre Stammmutter der Windsors noch bis in den Juni hinein feiern – auch ohne die britischen Royals.

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