Projektstart Kaffeeklatsch und Kisten voller Lebensmittel

Remmesweiler · Jeden Donnerstag treffen sich die Remmesweiler zum Frühstück, packen online regionale Produkte in den Einkaufskorb und holen bestellte Waren ab.

 Dorfcoach Bernd Engel (links) hilft Josef Krämer beim Umpacken der bestellten Waren, während dessen Frau Marianne die Artikel bei Dorfcoach Walter Krämer (rechts) bezahlt.

Dorfcoach Bernd Engel (links) hilft Josef Krämer beim Umpacken der bestellten Waren, während dessen Frau Marianne die Artikel bei Dorfcoach Walter Krämer (rechts) bezahlt.

Foto: Evelyn Schneider

Stimmen klingen durch den Raum, Geschirr klappert. Die Remmesweiler sitzen in ihrem Dorfgemeinschaftshaus zusammen und unterhalten sich. Vor ihnen stehen Teller mit Brötchen belegt mit Wurst oder Käse. Auch Lachs und süße Aufstriche wie Marmelade stehen zur Wahl. Das Angebot ist reichlich. Kannen mit heißem Kaffee werden vom Küchen-Team gereicht: Es ist Frühstückszeit in dem St. Wendeler Stadtteil. Dass die Donnerstage für digitales Einkaufen und Dialoge mit dem Nachbarn stehen, ist schon fast zur Tradition geworden. Doch eigentlich fällt der offizielle Startschuss für die Testphase „Smart Village“ (übersetzt: kluges Dorf) innerhalb des Projekts „Zukunft Dorf“ erst an diesem Vormittag.

Ein kluges Dorf soll Remmesweiler also werden. Klug deshalb, weil aus der Not eine Tugend werden soll. Nachdem der Dorfladen vor zwei Jahren schließen musste und somit Nahversorgung und Treffpunkt mit einem mal verloren gingen, sollen moderne Technik und ein Frühstücktreff ein neues Einkaufsgefühl in dem 900-Seelen-Dorf etablieren. Auf einem großen Monitor sind knackfrische Trauben zu sehen. Darunter die ersten Produkte aufgelistet. Über diese Plattform „Keep-
fresh“ können Bürger ihre Bestellungen aufgeben (wir berichteten). „In der Vortestphase hat der Wendelinushof Lebensmittel geliefert. Das hat gut geklappt und auch gut gemundet, wie ich gehört habe“, sagt Uwe Luther, Vorsitzender der Vereinsgemeinschaft Remmesweiler. Ab jetzt können die 25 Testpersonen auch Waren aus dem Sortiment von Globus in den virtuellen Warenkorb legen. All diese Produkte aber erst einmal auf der Seite einzupflegen. Damit sind Randolf Jobst, Geschäftsführer von Cema City Management, und sein Team gerade beschäftigt. „Es ist nicht ganz einfach, das technisch umzusetzen“, gesteht der Entwickler der lokalen Plattform. Aber von Anfang an sei er „Feuer und Flamme“ für dieses Projekt gewesen. „Denn ich möchte auch im Internet wissen, wo ich einkaufe“, sagt Jobst.

Mit der Möglichkeit online regionale Produkte zu ordern, sollen vor allem auch die älteren Remmesweiler angesprochen werden. Um erst gar keine Berührungsängste in Sachen PC oder Internet aufkommen zu lassen, gibt es zwei Dorfcoaches, die den Bestellern helfen: Bernd Engel und Walter Krämer. Wie letzterer berichtet, haben sie beide drei wichtige Gemeinsamkeiten: Sie sind in Pension sowie gesundheitlich und computertechnisch fit. „Wir wollten, dass das Projekt unbedingt startet. Daher konnte ich nicht nein sagen, als anfangs gefragt wurde: Wer macht den Kümmerer?“, erinnert sich der 67-jährige Krämer zurück. Inzwischen hat er den schicken Ehrenamtstitel: Dorfcoach. „Neben dem Aufgeben der Bestellungen, gilt es, die Kühlkette zu kontrollieren und die Waren zu verteilen“, umreißt Krämer die Aufgaben. In der Regel werden die Kisten mit den georderten Waren im Anschluss an das Frühstück donnerstags im Dorfgemeinschaftshaus abgeholt. Ist dies nicht möglich, so bringen Krämer und Engel die Waren auch nach Hause. Wer fit ist in Sachen Internet, kann auch vom heimischen PC aus auf die regionale Bestellplattform zugreifen. Jeder Nutzer hat sein eigenes Passwort. „Zweidrittel der Leute bestellen selbst, einem Drittel helfen wir Dorfcoaches“, sagt Krämer. Bezahlen können die Kunden bar. Das sei vielen lieber als auf elektronischem Wege.

Ein bereits treuer Online-Besteller ist der 88-jährige Erwin Leist. Er ist noch mobil, könnte mit dem Auto in die Stadt fahren, scheut aber die riesigen Einkaufsmärkte. Anfangs habe er Hilfe von Krämer und Engel gebraucht, inzwischen bestelle er alleine. „Für mich ist das eine einfache und gute Sache“, lobt er das Projekt.

Langsam wird das Geschirr auf den Tischen abgeräumt. Die Gäste haben sich gut gestärkt. Es ist kurz vor 11 Uhr, als das Elektroauto des St. Wendler Umweltamts vorfährt. Es hat eine neue Aufgabe als Lieferfahrzeug bekommen. „Als die Frage aufkam, wie die Ware von A nach B kommt, dachte ich direkt an die städtischen Fahrzeuge. Die sind immer in der Fläche unterwegs und jetzt transportieren sie eben Waren“, erklärt St. Wendels Bürgermeister Peter Klär (CDU). Beim Entladen und Verteilen sind dann wieder die Dorfcoaches gefragt. Bernd Engel öffnet die Kiste von Marianne und Josef Krämer. Während sie schon mal bei Kümmerer Krämer zahlt, packt ihr Mann die Lebensmittel in eine Stofftasche. „Wir können zwar noch selbst mit dem Auto zum Einkaufen in die Stadt fahren. Aber das kann sich ändern. Deshalb machen wir mit“, erklärt Marianne Krämer. Denn das Projekt solle ein Erfolg werden und da sei eben das Miteinander gefragt.

Miteinander, das ist auch ein wichtiges Stichwort beim Werkstattzentrum für behinderte Menschen (WBZ), das auch den Wendelinushof betreibt. Dessen Leiter Reiner Cullmann erklärt das Engagement bei „Smart Village“ damit, dass sich durch den Online-Handel ein neues Betätigungsfeld für die Menschen mit Behinderung ergeben habe. Regionalität, das sei die Stärke des Wendelinushofs und seiner Lokalwaren-Partner. Neben dem Bereitstellen der Produkte kommt dem Betrieb noch eine weitere wichtige Rolle zu: Dort wird alles Finanzielle abgewickelt.

Aktuell laufen umfassend Modernisierungsarbeiten im  Globus-Warenhaus. Dennoch, so sagt der St. Wendeler Marktleiter Andreas Winckler, habe er nicht gezögert, sich an einem weiteren Zukunftsprojekt zu beteiligen. „Momentan läuft es so ab, dass Mitarbeiter mit der Bestellliste durch den Markt gehen und alles in den Einkaufswagen packen“, erklärt Winckler. Wie sich das entwickele, wenn mehr Menschen bestellten, müsse sich zeigen. Es sei wichtig, einen Schritt nach dem anderen zu gehen, damit das Projekt Perspektive hat.

 Bernd Engel fungiert als Warenbote und bringt die Kisten ins Dorfgemeinschaftshaus.

Bernd Engel fungiert als Warenbote und bringt die Kisten ins Dorfgemeinschaftshaus.

Foto: Evelyn Schneider
 Bernd Engel beim Entladen des Elektroautos vom St. Wendeler Umweltamt.

Bernd Engel beim Entladen des Elektroautos vom St. Wendeler Umweltamt.

Foto: Evelyn Schneider

Nach Remmesweiler startet demnächst auch Winterbach in die Welt des lokalen Online-Einkaufs. Auch hier werden zunächst 25 Personen das Angebot testen. Wie Stefan Kunz, Projektmanager Land(Auf)Schwung andeutet, sollen zwei weitere Dörfer einsteigen, so dass am Ende mit 100 Testkäufern Erfahrungen gesammelt werden könnten.

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