Laufsteg für Motorsport-Models

St Wendel · Drei Tage war St. Wendel das größte mobile historische Motorsport-Museum in Deutschland. Nostalgische Rennmaschinen in zehn verschiedenen Klassen drehten im Wendelinuspark ihre Runden.

Es ist ein Wochenende zum Träumen und Schwärmen. Beobachtet von Tausenden Besuchern ist die fünfte internationale Motorsport-Klassik-Veranstaltung Laufsteg für Rennmaschinen, Motorräder und Gespanne, die Geschichte geschrieben haben. Lärmende 250 Motorräder samt Piloten machen bei den Präsentationsfahrten noch immer eine gute Figur. Und das, auch wenn ein museumsreifes Schätzchen schon mehr als 100 Jahre runter hat.

Ladies first. Christa Granzow-Lehmann hat gerade das The-Wynn-Ladies-Modell aus dem Jahre 1910 abgestellt, Beppo Groß aus Überroth-Niederhofen hat eine NSU, Baujahr 1924, mit Holzbremse und eine Sunbeam von 1919 mitgebracht. "Die Motorräder sollen bewegt werden", sagt Groß. In der sogenannten Kaiserklasse tuckern die rund 100 Jahre Zweirrad-Veteranen mit gemäßigter Geschwindigkeit über den 1000 Meter langen Rundkurs. "Eine Viertelstunde reicht für die alten Dinger", scherzt Groß.

In Zeiten der legendären Motorradrennen ging es in St. Wendel sehr viel schneller zu. "Die Strecke war sehr anspruchsvoll, gegenüber dem Hockenheimring waren die Straßenverhältnisse eher schlecht", erinnert sich Hans-Georg Anscheidt. Zwischen 1961 und 1964 hat der durch seine Körpergröße von 1,66 Meter bestens für die 50-Kubikzentimeter-Klasse geeignete Kreidler-Pilot drei Rennen in der Kreisstadt gewonnen. "Ich war Werksfahrer, für einen Sieg gab es 100 Mark", berichtet der 80-Jährige. Später wechselte er zu Suzuki nach Japan und wurde dreifacher Weltmeister. Noch heute verbindet er mit St. Wendel einen Namen: "Rennleiter August Baltasar hat sich um alles gekümmert", sagt Anscheidt.

Das führen die St. Wendeler MCW-Motorsporthistoriker, die seinerzeit als Kinder an der Strecke mitgefiebert haben, heutzutage im Sinne des einstigen Rennleiters fort. "Jeder Teilnehmer soll sich bei uns wohlfühlen. Wir haben Fahrer, die kommen aus England zu uns und fahren nur 15 Minuten", meint Werner Klär, der Vorsitzende der Motorsporthistoriker. Es vergeht keine Präsentationsfahrt, ohne dass Streckensprecher Klaus Lambert eine Anekdote von anno dazumal preisgibt. Manfred Schwöppe aus Leitersweiler erinnert sich an einen ganz besonderen Moment. "Beim ersten Rennen 1950 durfte ich als Fünfjähriger bei der Ehrenrunde im Beiwagen mitfahren", berichtet der heute 72-Jährige. Allein am Samstag hat der Hobbyfotograf 400 Aufnahmen für das Archiv der Motorsporthistoriker geschossen. Je zehn Stunden pro Tag haben die Piloten beim Rundendrehen vor der Linse seiner Digitalkamera am Gaszug gezuppelt. Spektakulär liegen dabei die Beifahrer im Seitenwagen über dem Asphalt und verlagern ihr Gewicht, wenn das Gefährt in die Kurve kommt. "Das ist eine eigene Motorradwelt, für mich eine Augenweide", sagt Andreas Becker aus Emmelshausen/Rheinland-Pfalz.

Auf eine Motorsportgröße hat der Veranstalter verzichten müssen: Krankheitsbedingt hat Ex-Weltmeister Luigi Taveri kurzfristig seinen Besuch abgesagt. Per Live-Schalte in die Schweiz haben sich am Sonntag die Motorsporthistoriker nach dem Gesundheitszustand ihres 87-jährigen Ehrenmitglieds erkundigt. "Ich hoffe, bei meinem nächsten Besuch in St. Wendel den Eintrag ins goldene Buch der Stadt nachholen zu können", sagt Taveri.

Bei der einstündigen Cityrundfahrt am Freitag sind die Motorräder und vierrädrigen Oldtimer am August-Balthasar-Denkmal auf der Bliesbrücke von Diakon Martin Uhlenbrock gesegnet worden. Am Sonntagabend hat nach der Winke-Fahrt das mobile historische Motorsport-Museum dann wieder für zwei Jahre geschlossen.

250 Piloten gingen in insgesamt zehn Motorradklassen inklusive der Seitenwagenklasse bei der fünften internationalen Motorsport-Klassik an den Start. In doppeltem Sinne eine Klasse für sich war die Rundfahrt für Menschen mit Handicap durch das St. Wendeler Land. In diesem Jahr konnte Waldemar Lauck aus Wemmetsweiler mehr als 70 Gespann-Fahrer mit Seitenwagen dafür gewinnen.

Für den guten Zweck chauffierten die Lotus-Buwen Fahrgäste über den Rundkurs und ins Umland. Der Erlös geht an den Kinderhospizdienst Saar. Am Abend gab es dann noch "Schmagges" mit dem St. Wendeler Musiker Charles Gräber sowie der Formation Rü-Jupp-Mix.

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