Interview Er hat „Captain Fantastic“ und seine Jungs lieb

Warum es in 29 Jahren bei den Fantastischen Vier nie richtig Streit gab und was die neue Platte ausmacht, verrät Thomas D im Gespräch.

 Privat trägt Thomas D gerne Grau.

Privat trägt Thomas D gerne Grau.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Gerade haben Du und Deine Bandkollegen der Fantastischen Vier Euer zehntes Studioalbum „Captain Fantastic“ herausgebracht, eine Tour steht bevor, der Medienrummel ist groß. Ist das eine stressige Zeit für Dich?

Thomas D: Das ist eigentlich ein sehr entspannender Teil. Die eigentliche Schwierigkeit ist der kreative Prozess. Die Arbeit an einem Album zieht sich ja über zwei bis drei Jahre hin. Da hat man alle Höhen und Tiefen durch. Am Ende ist es mehr so eine Befreiung. Aber jetzt kommt der nächste Schritt: Was sagt denn eigentlich der Rest der Welt dazu? Was empfindet die Presse, wenn sie das Album hört? Das ist sehr spannend. Ich freue mich über das Interesse an unserer neuen Platte. Denn wir haben sie ja auch lieb.

Mit dem Song „Die da?!“ kam Anfang der 90er-Jahre der Durchbruch für Euch. Immer wieder scheinen Künstler im Nachhinein mit dem ersten Hit nicht mehr so glücklich zu sein. Wie stehst Du heute zu dem Song?

Thomas D: Ich habe gemischte Gefühle. Für uns war der Song Fluch und Segen zugleich. Zum einen haben wir damit eine Resonanz im Radio erzeugt. Damals wurde dort keine deutschsprachige Musik gespielt; die Welt war noch in der Neue-Deutsche-Welle-Hang­over-Katerstimmung. Da wurde viel verändert durch diesen Song. Aber jetzt waren wir für alle die lustigen bunten Jungs. Teilweise hatten wir keinen Bandnamen mehr, sondern hießen nur noch „Die da?!“. Und die Einzelpersonen schienen unwichtiger als die Frage, warum sie freitags nicht kann. Manchmal wird man als Künstler ein Leben lang an einer Nummer festgemacht. Eine Anekdote aus meinem Leben: Wir sind Jürgen Drews begegnet. Damals hat Smudo noch Fotos gesammelt mit den Künstlern, die wir getroffen haben. Also hat er gesagt: Herr Drews, können wir ein Bild machen? Der erwiderte: Ja, klar, der Kornfeld-Drews und die Jungs. Da dachte ich nur: Oh Gott, der reduziert sich selbst auf seinen größten Hit und nennt sich auch noch so. Das ist ja, als würde ich sagen: der „Die da“-Thomas und die Jungs. Um Gottes willen! Da hatten wir beschlossen, uns nicht nur auf „Die da?!“ festnageln zu lassen. Das Positive neben dem Erfolg und der Popularität war, wenn man weiß, was man nicht mehr will, bewegt das einen in die Richtung, in die man will. Und wir wollten allen zeigen, dass wir eine ernst zu nehmende Band sind. Dass wir mehr haben, als einen gespielten Witz. Dass wir ein Album mit Tiefgang haben. Dass wir eine Band sind, die eine Aussage hat. Wir produzierten die „Vierte Dimension“, ein sehr psychedelisches introvertiertes Album. Und als nächstes – und das war ein ganz wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden – „Lauschgift“. Ein Album, auf dem der Nummer-Eins-Hit „Sie ist weg“ genauso stattfinden durfte wie das Stück „Krieger“.

Das Lied „Endzeitstimmung“ ist die erste Singleauskopplung aus Eurem neuen Album „Captain Fantastic“. In dem Song steckt viel Kritik? Musstet Ihr Euch da einiges von der Seele schreiben?

Thomas D: Ja, das stimmt. „Endzeitstimmung“ ist ein ungewohnt politisch direktes Stück von den Fantas. Normalerweise sind wir eher etwas kryptischer und sozialkritisch, verpacken die Kritik in Humor. Bei „Endzeitstimmung“ hatte das keinen Platz. Da musste das Gefühl direkt raus, und das haben wir uns erlaubt. Es spiegelt auch den Spirit von „Captain Fantastic“ wieder: nicht alles immer tot zu reden oder tot zu denken, nicht alles 17 Mal zu hinterfragen. Die Essenz, die bei unserem Kreativprozess rauskommt, ist eh schon Doppelbrand (lacht), ist zwei Mal destilliert oder vier Mal. Das hat dann vielleicht mehr Tiefe. Aber manchmal ist ein direktes, einfaches Gefühl gerade herauszuschreien eine Befreiung. Manchmal muss das vielleicht sein.

Zuletzt gab es viel Aufregung um das Genre Rap. Nach dem Echo für Farid Bang und Kollegah für deren umstrittenes Album soll der Musikpreis nun überarbeitet werden. Wie stehen Du und Deine Bandkollegen zu dieser Sache? Haben die beiden dem Musikstil geschadet?

Thomas D: Finde nicht, dass man dem Hip Hop damit Schaden zufügt. Man nimmt ein Einzelbeispiel und reflektiert damit eine Szene. Die Richtung Battle-Rap, asozialer Rap, frauenfeindlicher Rap, menschenfeindlicher Rap, vielleicht sogar tierfeindlicher Rap – so genau hab ich noch nicht hingehört – das alles gibt es und wird nicht nur von diesen beiden Herren vertreten. Es ist ein Teil dieser Kultur. Aber es gibt auch positivere Beispiele. In einem Musikstil, der so groß geworden ist, gibt es eben auch viele verschiedene Richtungen. Dass das Stumpfe, Laute, Krakeelende, auf Krawall Gebürstete gut ankommt, merkt man ja auch in der politischen Richtung. Leider. Die Leute lassen sich oft blenden von Kraftausdrücken und dieser Egohaltung. Es ist leicht, die Schuld bei anderen zu suchen. Deshalb findet das wohl Anklang. Was bleibt uns da anderes übrig, als unseren eigenen Standpunkt zu vertreten auf unserer Platte? Der Vorteil bei der Musik gegenüber der Politik: Wenn du sie nicht willst, musst du sie nicht hören. Wenn du die Politik nicht willst, musst du dich trotzdem von ihr regieren lassen. Es ist wichtig, die Vielfalt zu erhalten, damit die Leute die Wahl haben und nicht nur Assi-Rap hören müssen.

Vielfältig ist auch Euer Album. Neben „Endzeitstimmung“ ist mir die Zeile „20 000 Menschen, alle springen, es ist Fanta-Zeit“ in einem Song aufgefallen. Wird es so auch in St. Wendel sein und was erwartet die Besucher bei der Fanta-Zeit?

Thomas D: Wir haben gute Laune, wenn wir auf die Bühne gehen und feiern gemeinsam mit dem Publikum. Du machst ja eine eigene Zeitreise durch, wenn du auf ein Fanta-Konzert gehst. „Die da?!“ – das werden wir tatsächlich auch wieder spielen – über „Sie ist weg“, „Tag am Meer“, „MFG“ oder „Troy“ – das sind alles Stücke, die die Menschen begleitet haben in ihrem Leben. Deshalb geht es auf dem Fanta-Konzert nicht nur um das jüngste Album, sondern um Lieder aus fast 30 Jahren. Wenn du zum Fußball gehst, weißt du nie, gewinnst du oder verlierst du. Wenn du zum Konzert gehst, ist klar, es gewinnen alle, weil sie ein gemeinsames Erlebnis feiern. Du gehst zu der Band, die du magst und triffst Menschen, die diese Band auch mögen. Das verbindet. Es gibt so ein großes Gemeinschaftsgefühl. Trotzdem ist Platz für tiefere Momente und ernste Töne, aber insgesamt ist es ein großes, positives Erlebnis, von dem du auch ein bisschen zehren kannst.

Apropos Open-Air in St. Wendel? Sagt dir der Name der Kreisstadt überhaupt etwas?

Thomas D: St. Wendel sagt mir was. Nur dachte ich erstmal, es wäre in der Schweiz. Um dann festzustellen, es ist quasi bei mir um die Ecke. Ich lebe ja in der Eifel. Im Saarland haben wir schon ein paar Konzerte gegeben. Das war immer sehr schön. Ich habe Bekannte dort. Also trifft man hinter der Bühne noch ein paar Freunde und feiert dann hoffentlich bei schönem Wetter einen grandiosen Abend.

Du hast ja auch verschiedene Soloprojekte realisiert. Ein Song von Dir heißt „Liebesbrief“. In Zeiten von Kurznachrichten, Emojis, die Worte ersetzen – da sind wir ja schon weiter als bei MFG – schreibst Du da noch Karten, Briefe oder sogar Liebesbriefe?

Thomas D: Nein, tatsächlich wenig. Wir haben auch irgendwann angefangen, selbst unsere Texte in den Rechner zu tippen. Das verliert etwas von dem nostalgischen, romantischen Gefühl. Meine Liebesbriefe habe ich alle vertont. Das ist quasi wie eine Karte, die man aufklappt und Musik kommt, nur fehlt bei mir die Karte (lacht). Aber das könnte ich mal wieder machen, einen schönen Liebesbrief schreiben. Meine Kinder schreiben meiner Frau und mir manchmal Liebesbriefe zum Mutter- und Vatertag. Das ist ganz rührend.

Im kommenden Jahr feiert Eure Band 30. Geburtstag. Habt Ihr Euch immer noch lieb? Und was ist Euer Geheimnis?

Thomas D: Mmh, ich habe auch schon lange keinen Liebesbrief mehr von den anderen gekriegt (lacht). Aber die Liebe ist vielleicht wie bei Geschwistern. Man ist sich sehr vertraut, man kennt den anderen in- und auswendig. Wir sind sehr gerne zusammen, verstehen uns gut. Wir haben in den ganzen 30 Jahren keine ernsthafte Trennung oder einen Streit gehabt. Wir haben immer über alles geredet. Außerdem sind wir uns im Klaren, dass das, was wir gemeinsam erreicht haben, mehr wiegt als die Unterschiede, die nun mal zwischen Menschen existieren. Der Mensch neigt dazu, in seine Freunde ganz hohe Erwartungen zu setzen und dadurch auch enttäuscht zu werden. Während er den meisten Fremden gegenüber viel wohlgesonnener ist als gegenüber den Menschen, die ihn schon so lange begleiten und die er im tiefsten Herzen hat. Dabei ist es Schwachsinn, sich an Unterschieden aufzureiben. Man sollte sich auf das konzentrieren, was man an dem anderen hat. Wir haben nach wie vor großen Spaß bei Konzerten, wir hatten großen Spaß beim Arbeiten an der Platte. Ich sehe nichts, was uns auch nach den 30 Jahren in die Quere kommen könnte.

Du hast eine Lehre zum Frisör gemacht und wurdest mal zum Brillenträger des Jahres gekürt. Ist Dir Styling wichtig?

Thomas D: In puncto Brille war ich schon früh der Meinung: Wenn ich schon eine tragen muss, dann soll sie auch jeder sehen. Ich hatte eine  weiße MCM-Brille mit blauen Aufdrucken. Das war in der „Die da?!“-Zeit, und die wurde dann auch mein Markenzeichen. Danach habe ich immer wieder verschiedene Modelle ausprobiert. In den letzten Jahren bin ich etwas konservativer geworden. Ich glaube, ich habe meine Form gefunden. Die neuesten Brillen, die ich habe, sind aus dem 3-D-Drucker, was ich geil finde, weil die Oberflächenstruktur eine besondere ist. Sie hat eine tolle Haptik. Was den Style betrifft, ist es so, dass sich Michi Beck um alles kümmert. Er kleidet uns für die Bühne quasi ein, wofür wir sehr dankbar sind, weil wir uns darum dann keine Gedanken machen müssen. Privat stehe ich total auf grau. Passt dann auch inzwischen zur Haar- und Bartfarbe (lacht). Neulich habe ich auch endlich eine Brille in hellem Grau gefunden. Jetzt bin ich komplett grau angezogen. Da steh’ ich gerade drauf. Grau ist das neue Schwarz.

 Die Fantatischen Vier geben am 23. Juni ein Open-Air-Konzert in der Kreisstadt St. Wendel.

Die Fantatischen Vier geben am 23. Juni ein Open-Air-Konzert in der Kreisstadt St. Wendel.

Foto: Carsten Klick

Schwarz-weiß ist das Gefieder von Pinguinen. Für den Animationsfilm „Madagaskar“ haben Du und Deine Bandkollegen mal Pinguinen Eure Stimmen geliehen. Wenn Du eine Zeichentrickfigur nennen müsstet, die Dich beschreibt, welche wäre das?

Thomas D: Ich hatte ja mal eine Rockgruppe gegründet, die Son Goku hieß. Son Goku aus dem Comic „Dragonball“ ist ein kleiner Junge mit reinem Herzen, der die Welt rettet. Das ist eine Beschreibung, die ich gerne annehmen würde, auch wenn sie dann nicht im Detail zutrifft. Dieser Junge kann auch wahnsinnig gut Kung Fu, ist ein Kämpfer. Da ich schon immer von Kampfsport sehr angetan war, habe ich mich da wiedergefunden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort