Rallye Der Weltmeister ist unter Druck

Alghero/St. Wendel · In der Rallye-Weltmeisterschaft tobt ein Zweikampf. Herausforderer Thierry Neuville könnte Serienmeister Sébastien Ogier ablösen. Bei der Deutschland-Rallye geht das Duell vom 16. bis 19. August in die nächste Runde.

 Sébastien Ogier muss sich sputen, wenn er den sechsten WM-Titel in Folge einfahren will. Zuletzt in Sardinien zeigte er ungekannte Schwächen.

Sébastien Ogier muss sich sputen, wenn er den sechsten WM-Titel in Folge einfahren will. Zuletzt in Sardinien zeigte er ungekannte Schwächen.

Foto: imago/PanoramiC/lavadinho

Thierry Neuville ballt die Fäuste, schreit seine Freude in die nächstbeste Fernseh-Kamera und entert dann das Dach seines Autos, um wild darauf herumzutanzen. In der Hospitality seines Hyundai-Teams springen die Mechaniker und Team-Chefs wie Flummis auf und ab. Sektkorken knallen. Sardinien-Rallye, 10. Juni 2018. Gerade hat der Belgier Neuville in einem dramatischen Sekunden-Krimi Weltmeister Sébastien Ogier (Ford) den Sieg vor der Nase weggeschnappt. „Was für ein Kampf, was für eine Rallye und was für ein Sieg. Wir sind überglücklich“, strahlt Neuville. „Wir haben wirklich aaaalles gegeben.“ Und vielleicht einen Meilenstein gesetzt.

„Das hier war nicht einfach ein weiterer Sieg auf dem Weg zum ersten Titel. Die Rallye Sardinien 2018 war ein Kampf zweier Schwergewichte mit einem fulminanten Niederschlag des Herausforderers in letzter Sekunde“, schreibt später die Fachzeitschrift Auto, Motor und Sport.

Auch die Beteiligten schwärmen. „An diesen Tag werden sich Rallye-Fans wohl noch sehr lange erinnern“, sagt etwa Malcolm Wilson, der Teamchef von M-Sport Ford und damit von Weltmeister Ogier. „Der Kampf um die Spitze war unglaublich spannend und fantastisch für den Sport.“ Wenn auch nicht für ihn und seinen Fahrer.

Mit 3,9 Sekunden Vorsprung war Ogier, der fünfmalige Weltmeister, in den letzten Tag der Rallye gegangenen. Doch egal, wie viel Gas der Franzose dann auf den letzten vier Wertungsprüfungen auch gibt, Stück für Stück flext Neuville den Vorsprung weg. 0,8 Sekunden beträgt der Abstand noch vor der letzten Prüfung. Nur noch ein Wimpernschlag.

Und Titelverteidiger Ogier und sein Beifahrer Julien Ingrassia, sonst ein Muster an Zuverlässigkeit, werden tatsächlich nervös. Nach der vorletzten Wertungsprüfung vergisst Ingrassia sogar die Bordkarte am Zeitnehmertisch. Ein Lapsus, der ihm sonst nie passiert. Auf der letzten Prüfung nimmt Neuville dem Weltmeister dann tatsächlich 1,5 Sekunden ab, siegt am Ende des Herzschlagsfinales mit 0,7 Sekunden Vorsprung.

Es kommt noch schlimmer für Ogier: Die vergessene Bordkarte hat ein Nachspiel, es droht sogar die Disqualifikation. Doch „weil menschliches Versagen, aber keine Betrugsabsicht“ vorlag, lassen die Kommissare des Motorsport-Weltverbandes Fia Gnade walten. Sie verhängen einen Punkteabzug auf Bewährung sowie eine Geldstrafe in Höhe von 10 000 Euro. Den Punktabzug gibt es nur, wenn sich Ogier/Ingrassia einen weiteren Regelverstoß zu Schulden kommen lassen.

So oder so sieht es in diesem Jahr aber nach einem Machtwechsel in der WM aus. Mit 27 Punkten Vorsprung führt Neuville, der aus St. Vith nahe der deutsch-belgischen Grenze stammt, die Gesamtwertung an. Drei Mal (2013, 2016 und 2017) war der Hyundai-Pilot Vize-Weltmeister geworden – immer hinter Ogier. Doch in diesem Jahr scheint er den Sprung nach ganz vorne schaffen zu können. Und Titelverteidiger Ogier findet sich in der ungewohnten Rolle des Jägers wieder. Andere Fahrer mischen im Titelkampf ohnehin nicht mit. Ott Tanak als Dritter hat bereits 72 Punkte Rückstand auf Neuville.

Noch aber gibt sich Ogier nicht geschlagen. „Es ist gerade erst Saisonhalbzeit, noch liegen sechs Rallyes vor uns. Ich freue mich auf diese spannende Herausforderung“, sagt er. Vor der Deutschland-Rallye steht noch vom 26. bis 29. Juli die Finnland-Rallye an. Ogier bekommt dafür extra einen weiterentwickelten Fiesta.

Allerdings: Der Franzose fährt mit keinen allzu guten Erinnerungen nach Finnland. Im Vorjahr brach nach einem gewaltigen Sprung die Aufhängung an seinem Ford Fiesta und der Weltmeister knallte anschließend gegen einen Baum. Beifahrer Ingrassia zog sich eine Gehirnerschütterung zu, die beiden mussten aufgeben. Dennoch ist Teamchef Wilson optimistisch: „Ja, Sebastien hatte im vergangenen Jahr hier einige Probleme, doch unsere Fahrzeuge waren sehr konkurrenzfähig. Ich sehe kein Problem, weshalb wir nicht auch in diesem Jahr gut abschneiden sollten“, sagt der Engländer.

Auf Finnland folgt dann bereits vom 16. bis 19. August die Deutschland-Rallye. Dort gewannen übrigens bereits beide Protagonisten. Neuville im Jahr 2014, Ogier 2011, 2015 und 2016. Im vergangenen Jahr aber patzten beide. Es wird also Zeit für den nächsten Schlagabtausch der Schwergewichte.

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