Berufliche Integration mit langem Atem

St Wendel · Seit gut zwei Jahren kommen verstärkt Kriegsflüchtlinge aus Syrien im Kreis St. Wendel an. Aber auch Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Eritrea verlassen ihre Heimat und wollen hier ein neues Leben beginnen. Dazu braucht es einige Voraussetzungen: Die deutsche Sprache muss erlernt, sich mit der Kultur auseinandergesetzt werden. In einer Serie will die Saarbrücker Zeitung einen Einblick geben, wie es im Kreis in Sachen Integration läuft. Heute geht es um jene Flüchtlinge, die bereits einen Arbeitsplatz gefunden oder eine Ausbildung begonnen haben.

Ein neues Leben in einem fremden Land beginnen. Dazu gehört nach dem Erlernen der Sprache, dem Einfühlen in eine andere Kultur auch der Einstieg in den Berufsalltag. Thomas Schmidt, Dezernent der kommunalen Arbeitsförderung beim Landkreis St. Wendel , hat seit Beginn der Massenflucht aus Syrien täglich mit dem Thema Flüchtlinge und Jobs zu tun. Inzwischen gibt es bereits einige Erfolgsgeschichten. Bislang haben 37 Flüchtlinge sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gefunden oder eine Ausbildung begonnen. 67 sind mit Minijobs versorgt. "Die hohe Zahl an Minijobs ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass neben der verpflichtenden Teilnahme an einem Integrationskurs eine Beschäftigung in Vollzeit in der Regel nicht möglich ist", erläutert Schmidt. Altenpfleger oder Kfz-Mechatroniker sind zwei Beispiele für Berufe, in denen Flüchtlinge ihre Ausbildung begonnen haben. Andere sind im Baugewerbe, als Produktionshelfer oder Friseur beschäftigt.

Die Flüchtlingswelle hat in der Bevölkerung Ängste geweckt. Eine Sorge betrifft den Arbeitsmarkt. Werden die vor dem Krieg geflohenen Menschen einheimischen Arbeitslosen die Jobs streitig machen?

"Die Zahl der offenen Stellen hat sich im Landkreis St. Wendel in den vergangen Jahren kontinuierlich erhöht", erklärt dazu Schmidt. Aktuell sind es 662. Zudem konnte im Ausbildungsjahr 2016 laut Bundesagentur für Arbeit 97 gemeldete Ausbildungsstellen nicht mit passenden Bewerbern besetzt werden. "Das belegt, dass in vielen Branchen bereits heute ein Mangel an Fach- und Nachwuchskräften herrscht. Betroffen davon sind viele Branchen wie das Handwerk, Hotel/Gaststätten, verarbeitendes Gewerbe sowie das Gesundheits- und Sozialwesen", so der Dezernent für kommunale Arbeitsförderung . Rein rechnerisch seien fast genauso viele Arbeits- und Ausbildungsplätze im Landkreis St. Wendel unbesetzt, wie es Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter gibt.

Der Fachkräftemangel ist laut Schmidt schlecht für die Region. Denn fänden Unternehmen keine Mitarbeiter oder Nachwuchskräfte, könnten sie weniger Aufträge annehmen. "Wenn es gelingt, Flüchtlinge in den Mangelberufen auszubilden und zu beschäftigen, entstehen daraus positive Effekte für die regionale Wertschöpfung", sagt Schmidt.

Daher versucht die kommunale Arbeitsförderung , gezielt Flüchtlinge für Mangelberufe mit guten Beschäftigungschancen zu begeistern. Sie bietet Betriebsbesichtigungen, Praktika und Informationsveranstaltungen an. "Im Vordergrund steht aktuell aber noch bei den meisten Flüchtlingen der Spracherwerb, welcher insbesondere im Gastgewerbe die Basis für eine gelingende Ausbildung oder Beschäftigung darstellt."

Wie sieht die Prognose des Experten für die Zukunft aus? Werden Flüchtlinge schnell in die Berufswelt eingegliedert werden können? Thomas Schmidt geht davon aus, dass die gesellschaftliche und berufliche Integration einen langen Atem brauchen wird. In der Regel sei ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren notwendig, um Syrern qualifizierte Sprachkenntnisse zu vermitteln. Im Idealfall komme dann die dreijährige Ausbildungszeit hinzu. "Ein qualifizierter Integrationsprozess kann somit im besten Fall nach fünf Jahren abgeschlossen sein", rechnet Schmidt vor. Der Dezernent bewertet die hohe Anwesenheitsquote und Mitwirkungsbereitschaft der meisten Flüchtlinge in den Sprach- und Qualifizierungsmaßnahmen des Landkreises als positiv. "Das lässt hoffen, dass gute Ergebnisse erzielt werden können."

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