Frühe Hilfen „Licht in die Verzweiflung gebracht“

Güdesweiler · Seit Finns Geburt kennt Hebamme Rehbein bereits Familie Theobald. Sie haben gemeinsam schwierige Zeiten durchgestanden.

 Sind inzwischen ein Herz und eine Seele: Familienhebamme Christin Rehbein (links), Mutter Julia Theobald und der neun Monate alte Finn.

Sind inzwischen ein Herz und eine Seele: Familienhebamme Christin Rehbein (links), Mutter Julia Theobald und der neun Monate alte Finn.

Foto: B&K/Bonenberger/

 Finn lacht, greift nach seinem Spielzeug. Mama Julia Theobald und Familienhebamme Christin Rehbein sitzen mit dem neun Monate alten Jungen auf der Krabbeldecke und spielen mit ihm. Auch so kann ein gemeinsamer Termin aussehen. „Manchmal reden wir nur, manchmal gibt es konkrete Themen wie Beikost oder Schlafen und entsprechende Tipps dazu“, sagt die gelernte Hebamme mit Zusatzqualifikation. Sie gehört zu dem Team der Frühen Hilfen im Landkreis St. Wendel. Mutter und Kind kennt sie schon seit der Geburt. Da habe es sich angeboten, die Familie auch weiterhin zu unterstützen. Fröhlich und ausgelassen brabbelt Finn vor sich hin. Nichts lässt erahnen, was der kleine Mann seit seiner Geburt im Februar mitgemacht hat.

Dass er mit einem Herzfehler geboren wurde, haben seine Eltern erst Wochen später erfahren – bei einer Routineuntersuchung wegen einer hartnäckigen Bronchitis. Dann kam die Schockdiagnose.  „Mein erster Sohn war ein massives Schreikind. Ich hatte mich so auf eine unbelastete Elternzeit gefreut“, gesteht Julia Theobald. Doch dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Zunächst ging es Finn soweit gut. Dann stand ein Röntgentermin in der Uniklinik in Homburg an. Eine Woche sollte das Baby dort bleiben. „Es wurden vier daraus“, sagt seine Mutter. Finn hatte Anfälle, erwachte schreiend aus dem Schlaf, kriegte keine Luft, und so sank die Sauerstoffsättigung dramatisch. Es ging auf die Intensivstation.

Einen Tag vor der Operation wurde der Kleine intubiert und sediert. „Zwei mal wurde er reanimiert. Es war ein so lieber Arzt auf der Station, der hat ihn gerettet.“ Für die Mutter war das alles zu viel. Sie sei zusammengebrochen, und hätte sie ihren Mann nicht gehabt, sie wäre wohl selbst auf Station gelandet. Und noch jemand stand ihr bei: die Familienhebammen. Christin Rehbein war in dieser Zeit in Urlaub. Bärbel Gummel, die ebenfalls zum Team der Frühen Hilfen gehört, sprang ein. Sie kannte die Familie bereits; hatte sie nach der Geburt des ersten Kindes, Ben, begleitet. „Beide sind mir ans Herz gewachsen, haben diese schwere Zeit mit mir durchgestanden, viele Tränen getrocknet und etwas Licht in die Verzweiflung gebracht“, sagt Mama Theobald.

Finns Operation verlief gut. Danach folgten wieder harte Tage: Der kleine Junge hatte nach der Morphiumgabe mit Entzugserscheinungen zu kämpfen. Eindrücke, die Julia Theobald nie vergessen wird. Gleichzeitig sorgten sich die Eltern um den dreijährigen Ben. Denn der verstand sehr wohl, was los war. Einmal habe er zu seiner Mutter gesagt: „Mama, ich möchte noch zu Finn. Ich will wissen, ob er noch da ist.“ Trotz der schweren Zeit ist Julia Theobald auch für vieles dankbar. Zum Beispiel für die Gelegenheit, im Ronald McDonald Haus in Homburg zu wohnen, während Finn in der Uniklinik lag.

Heute muss der tapfere Junge noch immer Medikamente nehmen. Er gelte derzeit als herzgesund, müsse aber regelmäßig zu Kontrollen. Für die Familienhebamme war es schön, wie sie sagt, zu sehen, wie der Kleine nach seiner Entlassung aus der Klinik Gas gegeben hat. Bald schon ist das Jahr, in der sie meist wöchentlich die Familie besucht hat, vorbei. „Je länger ich dabei bin, umso schwerer fällt mir der Abschied“, gesteht Christin Rehbein. Seit fünf Jahren engagiert sich die Hebamme bei den Frühen Hilfen. „Es ist schön, Mütter und Kinder, die ich betreut habe, mal in der Stadt wiederzusehen.“ Eine Vertrauensbasis sei Voraussetzung für ihre Arbeit. Es gebe auch Fälle, da fühle sie sich nur geduldet. Wie Sarah Bourgett, Sozialpädagogin vom Jugendamt des Landkreises, betont, seien die Frühen Hilfen freiwillig. Es ginge um Unterstützung, nicht um Kontrolle. Das Projekt habe sich etabliert, sagt Rehbein. Durch die Aufklärung sei die Hemmschwelle gesunken, Hilfe anzunehmen. „Zunehmend melden sich die Mamas selbst bei uns. Oder Kinderärzte verweisen auf die Frühen Hilfen“, ergänzt Kinderärztin Andrea Schönenberger-Mai.

Auf den Rat einer Bekannten hin hatte sich damals auch Julia Theobald bei dem Projekt gemeldet. Nachdem ihr Kind acht Wochen durchgeschrien hatte, war sie froh für die Unterstützung. Ihre damalige Familienhebamme empfahl ein Schlaftraining auf dem Kohlhof. Schlafen sei ein klassisches Thema, wie Rehbein bestätigt, oder Stillen und Beikost. Sie betreue nicht nur Familien mit kranken Kindern, sondern auch Teenie-Mamas oder Alleinerziehende. Auch wenn ein Elternteil krank ist, bei familiären Konflikten oder Unsicherheiten im Umgang mit den Neugeborenen können Frühe Hilfen in Anspruch genommen werden.

Im kommenden Januar soll Finn in die Krippe gehen. Und Mama Theobald hofft, dann auch die Medikamente absetzen können. Das wäre wieder ein Stück Normalität für den Jungen. „Er wird seinen Weg gehen. Ich will ich nicht überbehüten.“ Eines wünscht sich die junge Mutter für andere Familien. „Ein Herz-
ultraschall sollte Pflicht sein, damit Herzfehler direkt nach der Geburt erkannt werden.“

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