Zum Leben zu wenig, . . .

Saarbrücken · In einer losen Serie beleuchtet die SZ vor den Kommunalwahlen am 25. Mai die Situation der Städte und Gemeinden im Saarland. Heute Teil 2: die dramatische finanzielle Lage der meisten Kommunen.

Nackte Zahlen können nicht lügen, aber sie erzählen auch nicht immer die ganze Wahrheit. Glaubt man den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, dann müsste es den Städten und Gemeinden im Saarland blendend gehen. Die Behörde hat errechnet, dass die Kommunen in Deutschland 2013 einen Überschuss von 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Das Problem ist nur: Während viele Gemeinden in anderen Ländern blendend dastehen, merken die finanzschwachen Saar-Gemeinden kaum etwas von der guten Konjunktur. Seit Jahren stecken sie in einer dramatischen Finanzkrise, die in der jüngsten Ausgabe der Arbeitskammer-Zeitschrift mit den Worten umschrieben wird: "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel".

Die Saar-Kommunen waren Ende 2012 mit rund drei Milliarden Euro verschuldet. Ein Indiz für ihre prekäre finanzielle Situation sind die Kassenkredite, die eigentlich - vergleichbar mit Überziehungskrediten - kurzfristig die Zahlungsfähigkeit sichern sollen. Fast alle Kommunen nutzen sie inzwischen aber, um ihre laufenden Ausgaben zu finanzieren.

Die Landesregierung und der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) haben den Regionalökonomen Professor Martin Junkernheinrich mit einem Gutachten beauftragt. Ein wesentliches Zwischenergebnis: Städten und Gemeinden im Saarland fehlen jedes Jahr 100 Millionen Euro; hinzu kommen Zinskosten von 40 Millionen Euro. Über die Ursachen besteht weitgehend Einigkeit; sie sind in der Wirtschafts- und Sozialstruktur des Industrielandes zu suchen: Zum einen müssen die Kommunen hierzulande überdurchschnittlich hohe Soziallasten tragen. Der Bund beschließt diese, lässt die Kommunen bei der Finanzierung aber allein. Zum anderen nehmen die Gemeinden im Saarland deutlich weniger Steuern ein als in anderen Ländern. Der Neunkircher OB Jürgen Fried (SPD), Präsident des Städte- und Gemeindetages, spricht daher von einem "Einnahmenproblem".

Den Beteiligten ist allerdings auch bewusst, dass die Kommunalaufsicht bei den Ausgaben der Kommunen in der Vergangenheit nicht immer so genau hingeschaut hat. Für regelmäßige Wirtschaftlichkeitsprüfungen fehlt dem zuständigen Landesamt schlicht das Personal.

Die Städte und Gemeinden fordern zur Entlastung eine Reform der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Der "Soli" müsse verstärkt nach Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und an die Saar fließen, und es müsse einen Fonds zur Tilgung der Schuldenlasten der Kommunen geben, sagt Fried. Wenn das nicht gelinge, werde es keine Lösung geben. Vom Land erwartet er, dass es den Kommunen kein Geld abknapst und "sich darüber Gedanken macht, in dem einen oder anderen Bereich die Kommunen zu entlasten".

Der vom Landtag beschlossene Kommunale Entlastungsfonds (KELF) soll den besonders verschuldeten Kommunen bis 2019 mit 17 Millionen Euro pro Jahr helfen. "Die Möglichkeiten des Landes sind aufgrund seiner eigenen Haushaltsnotlage sehr begrenzt", räumte Innenministerin Monika Bachmann (CDU) ein. Schon die KELF-Mittel stießen im Stabilitätsrat, der den Saar-Haushalt überwacht, auf großes Murren.

Also noch mehr sparen, wie es das Land von den Kommunen verlangt? Fried sagt, kürzen könne man nur bei den freiwilligen Ausgaben, also bei Ausgaben für Straßen, Plätze, Kultur, Sport oder Freizeit. "Man kann eine Kommune aber nicht kaputtsparen." Wenn die Städte und Gemeinden keine Attraktionen mehr bieten könnten, "was soll dann die Kommune noch?", fragt er.

Gutachter Junkernheinrich - soviel steht bereits fest - wird Landesregierung und Bürgermeistern wohl einen Mix aus weniger Ausgaben (Stellenabbau, Schließung von Einrichtungen) und höheren Einnahmen (Grundsteuer auf Grundstücke) vorschlagen. Bei einem Vortrag deutete er 2013 auch an, was die Politik von den Bürgern erwarten könne: weniger hohe Ansprüche an ihre Gemeinde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort