„Schuldenbremse in Verfassung“

Gröpl: · Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, darf das Saarland trotz Schuldenbremse auch nach 2020 neue Kredite aufnehmen – aber nur, wenn es selbst die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft. Christoph Gröpl, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Saar-Universität, erklärt im Gespräch mit SZ-Redakteur Daniel Kirch, was das Land tun sollte.

Herr Professor Gröpl, was sich das Saarland finanziell noch leisten kann und darf, entscheiden mittlerweile wesentlich die Haushaltskontrolleure im Stabilitätsrat in Berlin. Wie verträgt sich das mit dem Budgetrecht des Landtages?

Die Befugnisse des Stabilitätsrats hängen mit der sogenannten Schuldenbremse zusammen, die seit 2009 in Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes steht, aber erst 2020 ihre volle Wirkung entfalten wird. Allerdings wird die Haushaltsautonomie des Saarlandes bereits jetzt dadurch eingeschränkt. Gegen das Grundgesetz verstößt das aber nicht. Denn die sogenannte Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Absatz 3 des Grundgesetzes, an der die Schuldenbremse zu messen ist, gewährt den Bundesländern keine unbegrenzte Freiheit zum Schuldenmachen. Die Schuldenbremse schreibt den Ländern ja nicht vor, wie sie ihr Geld auszugeben haben, sondern lediglich, dass ihre Haushalte ausgeglichen sein müssen.

Sie raten der Landespolitik dazu, die Schuldenbremse in die Landesverfassung zu übernehmen. Was hätte das Saarland davon?

Gröpl: Mehr Freiheit bei seiner Haushaltspolitik. Die Schuldenbremse wird oft missverstanden: Sie bedeutet nicht, dass ab 2020 gar keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden dürfen. Sie eröffnet den Ländern vielmehr die Möglichkeit, Regelungen zu erlassen, die eine Verschuldung streng abhängig von der Konjunktur ermöglichen.

Das heißt?

Gröpl: In Zeiten schlechter Konjunktur kann durch neue Schulden gegengesteuert werden, wenn diese Schulden im nächsten Aufschwung konsequent wieder getilgt werden. Man spricht von einer "atmenden Schuldenbremse". Abgesehen davon wird eine Ausnahme für außergewöhnliche Notsituationen zugelassen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, zum Beispiel Naturkatastrophen, große Banken- oder Staatsschuldenkrisen. Auch da lässt die Schuldenbremse unter bestimmten Voraussetzungen eine Neuverschuldung zu. Das Entscheidende ist aber: Bund und Länder müssen für ihre Bereiche entsprechende Regelungen treffen.

Im Saarland war das bislang kein Thema. Es gab 2009 eine Landtagsdebatte über eine Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung. Da hieß es, ein solcher Schritt wäre ein rein symbolischer Akt.

Gröpl: Das wäre kein symbolischer Akt! Wer sich die Mühe macht, Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes zu lesen, der merkt, dass für das Saarland Handlungsbedarf besteht. Insbesondere die "atmende Schuldenbremse" gibt es nur, wenn dafür saarländische Regelungen erlassen werden. Zur Not könnte das auch durch einfaches Gesetz geschehen. Zurzeit gibt es wohl nur vier Länder, die noch völlig untätig geblieben sind: Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen - und das Saarland.

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