Lernen vom Croissant des Nachbarn

Saarbrücken/Saargemünd · Marcel Völker ist einer von derzeit zwei saarländischen Azubis, die ein von der Fachstelle für grenzübergreifende Ausbildung angestoßenes Praktikum in Frankreich machen. Bald sollen es ihnen noch viel mehr Azubis gleich tun, hofft man im Wirtschaftsministerium.

 Lehrstunde in französischer Backkunst: Praktikant Marcel Völker (rechts) mit Pâtissier Gilles Woirgard. Foto: Rich Serra

Lehrstunde in französischer Backkunst: Praktikant Marcel Völker (rechts) mit Pâtissier Gilles Woirgard. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Ein dreieckiges Stück Teig, eine Schokoladenstange und zwei Hände, die beides mit wenigen Griffen zusammenrollen: fertig ist das Croissant. Eins von etwa 300 an diesem Tag, die Konditor-Lehrling Marcel Völker (22) herstellt. Um 9 Uhr morgens arbeitet er bereits seit drei Stunden in der Pâtisserie Woirgard in Saargemünd, wo es nach ofenwarmem Gebäck, Vanille und Schokolade duftet. Dort macht der Azubi im dritten Lehrjahr aus dem Saarbrücker Café Lolo ein zweiwöchiges Praktikum.

"Ich möchte mein Blickfeld erweitern", sagt der gelernte Koch, der unter seiner weißen Schürze Jeans und mehlbestäubte Turnschuhe trägt. "Und mein Französisch verbessern."

Mit dem Chef Gilles Woirgard und dessen Mitarbeitern spricht Völker einen Mix aus saarländisch gefärbtem Deutsch und Französisch - zur Not erkläre man eben mit Händen und Füßen, sagt er und lacht. Aber er lernt nicht nur Französisch. Besonders spannend sind für ihn die Unterschiede in den beiden Konditoreien in Saarbrücken und Saargemünd. So sei die Arbeitsweise in Frankreich etwas lockerer und mit weniger Druck - der Baguetteteig bekommt beispielsweise mehr Zeit zum Ruhen. "Typisch für die Pâtisserie sind Tartes mit Mirabellen oder Zwetschgen. Statt Hefe- oder Blätterteig benutzen die Kollegen hier die französische Version von Mürbeteig - die ist glatter und geschmeidiger", erzählt Völker weiter.

Seinem Saargemünder Chef hat er ein Rezept aus Saarbrücken gezeigt: eine Mandelstange aus Blätterteig. "Diese neue Idee hat mir gut gefallen", sagt Woirgard. Er schätzt die deutsche duale Ausbildung mit ihrem hohen Praxisanteil sehr. Denn in Frankreich findet die Ausbildung überwiegend in Schulen statt. "Für ein Handwerk ist das nicht genug Praxis", findet Woirgard.

Gespannt auf neue Kreationen aus der Grenzregion ist auch Andreas Dausend vom Café Lolo. "Das Praktikum bringt vor allem dem Lehrling was, aber auch uns als Firma. Vielleicht können wir ja das Sortiment für unsere französischen Kunden etwas erweitern", so Dausend.

Den Anstoß für das Praktikum hat die saarländische Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung gegeben. Seit einem guten Jahr unterstützt sie deutsche und französische Schüler und Azubis, die einen Teil ihrer praktischen Ausbildung in einem Betrieb im Nachbarland absolvieren wollen. Hinter der Fachstelle stehen das Wirtschaftsministerium, die Industrie- und Handelskammer und der Verband der Metall- und Elektroindustrie. Angesiedelt ist sie beim Verein Verbundausbildung Unter Saar in Dillingen. Grenzübergreifende Berufsausbildung zu fördern ist auch Teil der Frankreich-Strategie des Saarlandes. Im Juni sagte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ), die Staatsgrenze stelle bei der Ausbildung immer noch eine Barriere dar. Querverbindungen müssten her, um individuelle Kompetenzen und den grenzübergreifenden Wirtschaftsraum zu stärken. "Bisher haben französische Schüler 65 Praktika im Saarland gemacht", berichtet Alexandra Schwarz von der Fachstelle. "Inzwischen haben wir vier Ausbildungsverträge und drei Festanstellungen auf den Weg gebracht. Marcel Völker ist einer von zwei saarländischen Azubis, die in einem französischen Betrieb ein Praktikum absolvieren." Von dieser Möglichkeit erfahren hat Völker vergangenes Jahr bei einer Info-Veranstaltung an seiner Saarbrücker Berufsschule.

Für einen Sprachkurs zur Auffrischung sei die Zeit zu knapp gewesen. Die Fachstelle habe aber sowohl Dausend als auch Woirgard beraten und einen Praktikumsvertrag erstellt. Während der zwei Wochen bekomme er weiter sein Gehalt von Dausend, sagt Völker. Seine Eltern haben ihm ihr Auto geliehen, die Spritkosten von etwa 120 Euro zahlt Völker selbst von seinem Monatseinkommen, das aus 327 Euro netto Ausbildungsvergütung, Kindergeld und Hilfe seiner Eltern besteht. Als angestellter Koch könne er mehr verdienen, sagt Völker - aber er wolle sich lieber noch weiterqualifizieren. "So ein Praktikum sollten noch viel mehr Azubis machen", findet Völker, bevor er zurück in die Backstube geht.

Mehr Infos zur Arbeit der Fachstelle für grenzübergreifende Ausbildung unter

vausnet.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort