Flüchtlingshilfe Kinder sollen angstfrei aufwachsen

Nohfelden · Bei einer Gesprächsrunde berichteten Flüchtlinge im Nohfelder Ratssaal über ihre Eindrücke und Erfahrungen in Deutschland.

Von Frank Faber

Drei Jahre sind vergangen. Im Spätsommer 2015 spalten drei Worte ein ganzes Land. „Wir schaffen das“, war sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) damals sicher. Zahlreiche Menschen engagieren sich seither für Flüchtlinge. Doch es gibt auch Gegenwind: der bläst vornehmlich aus Richtung der  Pegida-Demonstranten, derweil die Parteien über Obergrenzen und Sprachkurse für Geflüchtete streiten. Willkommenskultur war gestern. Nun geht es um Integration und die Frage, wie sie gelingen kann.

Seit drei Jahren ist auch die Flüchtlingshilfe der Gemeinde Nohfelden aktiv. Unlängst haben die Flüchtlings-Paten einen Film-Nachmittag mit anschließender Gesprächsrunde im Nohfelder Rathaussaal organisiert. Auf der Leinwand flimmert der Dokumentationsstreifen „Alles Gut“ von Pia Lenz. Während der 95 Minuten Laufzeit des Streifens wird deutlich, wie groß der Unterschied ist zwischen der Flüchtlingshilfe in einer Großstadt wie Hamburg und der ehrenamtlichen Hilfe in der ländlichen Provinz Nohfelden.

„In den ersten drei Monaten bin ich mir vorgekommen wie ein kleines Kind. Viele Menschen haben uns geholfen und sich um uns gekümmert“, berichtet später in der Gesprächsrunde der 28-jährige Tierarzt Ezzat Baji, der aus Syrien geflohen ist. Der Film zeigt genau das Gegenteil: Der Syrer Adel sitzt mit seiner Familie in einer Flüchtlingsunterkunft fest und sucht auf sich allein gestellt in der Anonymität des Großstadtdschungels ein Haus. Aber vergeblich. „Wir brauchen ein Zuhause. Aber ich habe schon mehr als 20 Absagen erhalten. Wenn der Vermieter hört, dass die Wohnung vom Jobcenter bezahlt wird, bekomme ich sie nicht“, erklärt Adel verzweifelt.

In Nohfelden sind die Flüchtlingshilfe und die Gemeinde den Zuwanderern bei der Wohnungssuche behilflich. „Wir haben schon mehr als 15 Wohnungen angemietet. In vielen Fällen ist es auch gelungen, dass der Vermieter gleich die Wohnung weiter vermietet hat“, erklärt Hubertus Wilhelm, bei der Gemeinde zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge. Ehrenamtliche Paten kümmern sich um deren Belange und begleiten sie, während Film-Protagonist Adel von einem Sozialarbeiter ins nächste Büro geschickt wird.

Adels Tochter Ghofran trifft in ihrer neuen Schule auf Mädchen, die alles dürfen: Fahrradfahren oder sich schminken etwa. Auch Ghofran verändert sich zusehends. Die 14-jähriges Koshbo Isaghzadeh aus Afghanistan ebenfalls. „Mir gefällt es in Deutschland. Ich kann mit anderen Mädchen zur Schule gehen“, sagt sie. Koshbo besucht die siebte Klasse der Gemeinschaftsschule Türkismühle und mag die Musik von Mark Forster. Seit mehr als zwei Jahren lebt sie mit ihren Eltern, die noch kein Deutsch sprechen, in Sötern. „Für Flüchtlinge aus Afghanistan gibt es keine Deutschsprachkurse“, bedauert sie.

Wie Adel haben auch Asem und seine Frau Walaa Jouma ihre syrische Heimat verlassen. „Wir wollten nicht, dass unser Kind im Krieg aufwächst, es soll keine Angst mehr verspüren“, sagt Walaa Jouma. Sie und ihr Mann werden demnächst ein Haus beziehen können, während ihr Landsmann Adel im Film weiter in einer Flüchtlingsunterkunft hocken bleibt. In Nohfelden, so sagen die Flüchtlinge, seien sie angekommen, und glücklich ein neues Zuhause gefunden zu haben.

Der Film zeigt indes einen immer depressiver werdenden syrischen Familienvater. Tochter Ghofran möchte in Deutschland bleiben, das Aufenthaltsrecht besteht noch für drei Jahre. Für eine Mutter aus Mazedonien und ihre beiden Söhne wird das Bleiberecht abgelehnt. Nichts ist gut bei den Protagonisten am Ende des Films. „Alles Gut“ in Deutschland, meinen die vier in Nohfelden gelandeten Flüchtlinge. Der Streifen von Regisseurin Pia Lenz und die gehörten Eindrücke der Neubürger vermittelten die ganze Bandbreite des Unterschieds zwischen Großstadt und Provinz – mit allen Rückschlägen, Hoffnungsschimmern und dem Glück auf ein neues Leben in Deutschland.

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