Hebammen fürchten um ihre Existenz

Saarbrücken · Weil für Entbindungsschäden immer mehr gezahlt werden muss, steigen die Haftpflichtprämien für Hebammen drastisch. 2015 will der letzte Versicherer aussteigen. Das wäre das Aus für die freiberuflichen Hebammen. Die Politik sucht nach Lösungen.

Es wird eng für freiberuflich tätige Hebammen: Ab Juli 2015 gibt es möglicherweise keine Haftpflichtversicherung mehr für sie - und ohne dürfen sie nicht arbeiten. "Die Versorgung der Frauen könnten wir dann nicht mehr gewährleisten", sagt die Vorsitzende des Saarländischen Hebammenverbandes, Andrea Dansoko.

Der Grund für die Sorge: Die Nürnberger Versicherung hat angekündigt, dass sie zum 1. Juli 2015 aus dem Konsortium mit den beiden letzten verbliebenen Versicherungen aussteigen will. Offen ist, wer die Hebammen dann noch versichert. "Wir haben einen Versicherungsmakler, der 151 Versicherungen im In- und Ausland angeschrieben hat", sagt Dansoko. Bisher sei diese Suche erfolglos gewesen. Der Ausstieg der Nürnberger Versicherung hat sie nicht überrascht: "Die Frage der Haftpflichtversicherung hängt seit Jahren wie ein Damoklesschwert über uns." So sei im Jahr 2010 die Jahresgebühr von 2370 Euro auf 3689 Euro gestiegen, 2012 folgte eine weitere Erhöhung auf nun 4242 Euro. Zum 1. Juli gebe es eine weitere Steigerung um 20 Prozent, sodass die Haftpflichtversicherung dann 5091 Euro beträgt. Die gestiegenen Kosten seien nicht durch häufigere Schäden bedingt, sondern dadurch, dass wegen des medizinischen Fortschritts in Einzelfällen "die Behandlungskosten ins Unermessliche steigen".

Finden Hebammen keinen Versicherer, wäre die Wahlfreiheit für Schwangere, ob sie in der Klinik oder woanders entbinden wollen, nicht mehr gewährleistet, so die Befürchtung. Entbindungen in einem Geburtshaus oder Hausgeburten seien dann nicht mehr möglich.

Kliniken, die ausschließlich mit Beleghebammen arbeiteten, also keine festangestellten Hebammen beschäftigen, müssten die Geburtshilfe einstellen. Im Saarland hätte das die Folge, dass statt bisher in zehn nur noch in sechs Kliniken entbunden werden könne. So arbeiteten die Häuser Merzig, St. Wendel, Neunkirchen-Kohlhof und St. Josef Dudweiler mit Beleghebammen. Darüber hinaus arbeiteten die DRK-Klinik in Saarlouis sowie die Elisabethklinik in Saarlouis mit einem Mischsystem aus Beleghebammen und Festangestellten. "Gäbe es dort keine Beleghebammen mehr, wären die Häuser zunächst deutlich überlastet", meint Andrea Dansoko. "Es ist klar, dass sich der Versicherungsmarkt nicht von selbst reguliert. Es braucht eine politische Lösung."

Hoffnungen machen der Vorsitzenden die Signale aus Berlin. So habe Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) der Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, Martina Klenk, am Dienstag Unterstützung zugesagt. Schon im Sommer solle es eine kurzfristige Lösung geben, um die explodierenden Kosten für die Haftpflichtversicherung auszugleichen. Denkbar wäre etwa ein Zuschuss der Krankenversicherer. So könnten die Hebammen ihre Leistungen entsprechend höher vergütet bekommen. Darüber hinaus habe Gröhe eine langfristig tragbare Grundsatzlösung zugesagt. Die Details sind allerdings noch offen. Der Deutsche Hebammenverband schlägt eine Haftungsobergrenze für Versicherungen vor. Sollte es also zu einem Schaden kommen, würde die Versicherung nur bis zu einem festgelegten Betrag zahlen müssen. "Alles darüber hinaus könnte aus einem aus Steuergeldern finanzierten Staatsfonds gezahlt werden, so wie das auch in anderen europäischen Ländern der Fall ist", meint die Vorsitzende.

Am Dienstag treffen die Hebammen Saar-Gesundheitsminister Andreas Storm (CDU). "Ohne staatliche Eingriffe in den Versicherungsmarkt wird es nicht gehen", sagt auch Storm. Alle Beteiligten müssten sich im Bund zusammensetzen, um bis zum Sommer eine Lösung zu finden. Es gebe mehrere Möglichkeiten, darunter Haftungsobergrenzen oder der Verzicht auf Regressansprüche seitens der Krankenkassen.

Aktionen zur Hilfe für die Hebammen gibt es unter www.hebammenverband.de/

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