Ein Plädoyer fürs fröhliche Altern

Neunkirchen · Altsein ist eine Herausforderung. Aber sie ist möglicher Weise prima zu bewältigen. Das vermittelte Henning Scherf in seiner gut besuchten Lesung, die gar keine war.

Wie erfrischend: Endlich mal jemand, der keine Angst vorm (ganz) Altwerden hat. Im Gegenteil: "Ich bin neugierig auf mein Alter", erklärt Henning Scherf mit einer fröhlichen Selbstverständlichkeit, die über jeden Zweifel erhaben ist. "Ich nehme es als Geschenk an und versuche, so viel wie möglich noch daraus zu machen."

Etwa 400, zumeist nicht mehr ganz junge Zuhörer waren in die Gebläsehalle gepilgert, um den charismatischen Bremer Altbürgermeister, Buchautor und vor allem Alten-WG-Befürworter live zu erleben. Da Henning Scherf niemanden vor der Tür stehen lässt, wie Landrätin Cornelia Hoffmann-Bethscheider bei ihrer Begrüßung aus einem Gespräch mit Scherfs Pressebüro wiedergab, hatte man wegen des großen Zuspruchs noch schnell von der Reithalle in die Gebläsehalle umdisponiert.

Drei große Alters-Themen liegen Scherf am Herzen. Am kürzesten kam die Arbeit weg. Vielleicht, weil ohnehin jedem klar ist: "Etwas zu tun zu haben ist lebenswichtig." Etwas mehr Erläuterung bedurfte sein Appell, die eigenen kreativen Seiten zu mobilisieren. Scherf selbst singt schließlich im Chor, aquarelliert einmal pro Woche im Bürgerpark ("Malen geht auch, wenn man dement ist!") und liest an einer Gesamtschule regelmäßig vor.

Am meisten Raum aber nahm das "Zusammenleben im Alter" ein - das Leib- und Magenthema des 75-Jährigen, der fast schon penetrant optimistisch ins Leben schaut, gern sein Gegenüber drückt und auch noch den letzten Zuspätkommer nach 47 Minuten per Handschlag begrüßt. Seit 1987 lebt Scherf mit seiner Frau und Gleichgesinnten in einem früheren Abrisshaus, das behindertengerecht ausgebaut wurde und heute zehn Menschen Heimat ist. Es wird zusammen gekocht und Urlaub gemacht, sogar die gemeinsame Pflege eines Mitbewohners bis zum Tod haben sie schon zweimal praktiziert. "Das hat uns zusammengeschweißt."

Wer sein Heim (noch) nicht aufgeben will, dem empfiehlt Scherf kleinere Schritte: Sich mit Nachbarn zusammentun, reihum füreinander kochen ("Das ist günstiger, leckerer und man hat jeden Tag einen festen Termin") und irgendwann soviel Vertrauen zu haben, die Schlüssel auszutauschen - für Urlaub oder Notfälle.

Im zweiten Teil seiner Lesung, die keine war, sondern ein fast dreistündiges, lupenreines, im Stehen und Laufen vorgetragenes Plädoyer für das Altern, beantwortete der Zweimetermann ausdauernd alle Fragen. Scherf hofft auf möglichst viele neue Wohnprojekte, für die man sich Partner bei der Stadt und den Sparkassen/Volksbanken suchen soll - ganz im Sinne von Bürgermeister Jörg Aumann, der ebenfalls für Eigeninitiative warb: "Seien sie mutig. Kommen sie mit ihren Ideen zu uns."

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