Ein kleiner Schritt zurück

Vor einiger Zeit las ich, dass eine Frau ein Bußgeld von fünf Euro aufgebrummt bekam, weil sie in der Kaiserstraße bei Rot über die Ampel gelaufen war. Ich fand das überzogen.

"Als gäbe es keine dringlicheren Probleme in der Stadt", dachte ich still, aber nicht ohne meinem Gedanken einen aufbrausenden Ton mitzugeben.

Ich gestehe: Auch ich missachte manchmal rote Ampeln. Nicht, weil ich in Eile bin, sondern einfach nur, weil ich keine Lust habe auf Grün zu harren. Doch es gibt eine Ausnahme: Wenn Kinder an der Straße stehen, warte ich geduldig bis das Ampelrot erlischt. Schließlich müssen wir Erwachsenen, auch wenn wir sonst so vieles falsch machen, im Straßenverkehr ein Vorbild sein.

Doch genau an der Ampel in der Kaiserstraße merkte ich vor zwei Tagen, dass es nicht mehr reicht, nur auf Kinder zu achten. Nein, an Ampeln stehen heute immer mehr erwachsene Menschen, die den Blick nach unten richten, weil sie die Finger über ihre Smartphones fliegen ließen.

Als ich für mich entschied - ich geh' über Rot, die Autos sind noch weit genug weg - setzten sich zu meiner Linken und Rechten gemächlich drei Smartphone-Gucker in Bewegung. Nicht einmal aufgeschaut hatten sie. Sie vertrauten einfach blind meinen Füßen. Erst das Hupen eines Autos brachte sie in die analoge Welt zurück.

Ich könnte jetzt auf den Handy-Jüngern rumhacken, ihnen auf den Weg mitgeben, dass fremde Füße falsche Schritte wagen. Doch leider starre ich selbst ständig auf mein Display: im Restaurant, in der Kneipe, in der Saarbahn, eigentlich immer... Gucke ich mal hoch, sehe ich gesenkte Köpfe. Ich blicke auf Scheitel, Locken, Wirbel, Zöpfe, Glatzen, Mützen, Kopftücher, nur selten in Augenpaare. Eine Kollegin erzählte mir, dass sich im No. 1 Frauen nur noch mit Handys auf der Tanzfläche wiegen.

In Berliner Clubs hingegen, beschrieb mir kürzlich ein Saarbrücker Partyveranstalter, seien Handys verboten. "Zu Recht. Denn die Leute sollen feiern, tanzen, sich mit ihren Freunden beschäftigen, die da sind und nicht mit denen auf Facebook", findet er. Mittlerweile überlegt er, ob er künftig ein Handyverbot ausspricht. "Bußgeld", rate ich, "fünf Euro bei Zuwiderhandlung." Überzogen? Vielleicht. Aber es wäre ein kleiner Schritt zurück in die Welt da draußen.

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