Willkommenskultur in Marpingen

Marpingen · Flüchtlinge unterbringen, Hilfestellung leisten, die Integration fördern: Für die Gemeinden im Landkreis St. Wendel gilt es einiges zu schultern. Wir fragen nach, wie die Verwaltungen mit den Mehrbelastungen klar kommen und wo es hakt. Dieses Mal im Gespräch mit Marpingens Bürgermeister Werner Laub.

 Reka Klein vom Jugendbüro Marpingen (Dritte von links) hilft den Flüchtlingen beim Deutsch lernen. Foto: Oliver Dietze

Reka Klein vom Jugendbüro Marpingen (Dritte von links) hilft den Flüchtlingen beim Deutsch lernen. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Die Tragik der aktuellen Flüchtlingswelle, die konnte Marpingens Bürgermeister Werner Laub (SPD ) bereits im März während eines Besuchs der Partnerstadt auf Sizilien deutlich spüren. Auf einem Friedhof am so genannten Tor zu Afrika waren Urnengräber ohne Namen. "Dort wurden die vom Mittelmeer angeschwemmten Leichen der Flüchtlinge anonym bestattet", sagt Laub. Es sei ein Hauch des Todes spürbar gewesen. Die, die es glücklich bis ins Saarland schaffen, haben oft traumatische Erlebnisse im Gepäck. Laub ist sich dessen bewusst.

Er setzt in seiner Gemeinde in Sachen Flüchtlingsarbeit auf ein Patensystem. Das Flüchtlings-Netzwerk Marpingen , das wiederum vom Jugendbüro koordiniert wird, weist jedem Neuankömmling einen Paten zu. Dieser ist ausgestattet mit Unterlagen und kann dem Flüchtling auch bei Behördengängen helfen. "Solange das System funktioniert, haben wir die große Chance, dass alles integrativ abläuft", sagt Laub. Der Verwaltungschef lobt die gute Arbeit des Jugendbüros, an das auch das Jugendcafé angegliedert ist. Dort laufen verschiedene Aktivitäten wie Sprachkurse, dort treffen sich die Paten zum Erfahrungsaustausch. Gleichzeitig ist das Café Anlaufstelle für die Flüchtlinge. "Sie können sich dort treffen und mit Landsleuten in Kontakt kommen", so Laub. Die ehrenamtlichen Paten sollen keine Rundum-Betreuung leisten. Er versteht das Patensystem eher als Anlernen zur Selbstständigkeit. Auch die Flüchtlinge könnten sich untereinander unterstützen. Wer schon länger da ist, könne Neuankömmlingen zur Seite stehen.

Aktuell leben 132 Flüchtlinge, überwiegend Syrer, in der Gemeinde. Ihre Unterkünfte sind auf alle vier Ortschaften verteilt. Der Verwaltungschef setzt auf Dezentralität. Bislang seien der Gemeinde viele Wohnungen angeboten worden. Mieten habe Priorität. Doch es gebe auch ein Objekt, das die Gemeinde erwerben möchte. Dort könnten dann fünf Wohnungen entstehen. Die Verwaltung arbeitet auch mit der Kirchengemeinde zusammen. So wird gerade das alte Kloster hergerichtet. Hier können zehn bis zwölf Heimatvertriebene untergebracht werden.

Ursprünglich sollten bis Ende des Jahres noch 50 Flüchtlinge nach Marpingen kommen. Diese Zahl sei jetzt auf zwischen 70 und 100 nach oben korrigiert worden. "Bis Ende des Jahres kommen wir hin", sagt Laub. Doch der Bürgermeister geht in den Planungen schon einen Schritt weiter, rechnet auch 2016 mit Flüchtlingen. Mehr als 200 in diesem Jahr werden es wohl sein. Es gebe einen Leerstandswohnungsatlas, der stetig aktualisiert werde. "Wir gehen gezielt auf Hausbesitzer zu", sagt Laub. Allein mit der Suche und Besichtigung von Wohnungen seien zwei Verwaltungsmitarbeiter beschäftigt. "Das Thema Flüchtlinge fordert uns ganz massiv. Auf Heller und Pfennig kann man das aber noch nicht ausdrücken."

Der Verwaltungschef spielt mit dem Gedanken, eine Integrationsstelle bei der Gemeinde zu schaffen. Dieser Mitarbeiter solle entsprechende Arabisch-Kenntnisse haben. "Nach Möglichkeit möchte ich einen anerkannten Flüchtling einstellen", so Laub. Die aktuelle Situation der Kommune beschreibt der Bürgermeister als Spagat. "Auf der einen Seite sind wir gezwungen zu sparen und Personal zu reduzieren. Auf der anderen Seite haben wir diese Mammutaufgabe."

Dass die Verwaltung diese ohne die vielen Ehrenamtler nicht stemmen könnte, dessen ist sich Laub bewusst. Und so ist es die große Sorge des Bürgermeisters, dass das freiwillige Engagement wegbrechen könnte. "Überwiegend haben wir noch eine Willkommenskultur und es ist wichtig das zu transportieren", betont Laub. Miesmacherei und Parolen, die von Bevorzugung der Flüchtlinge gegenüber den eigenen Bürgern zeugen, stießen rasch auf offene Ohren. Und so erteilt Laub der Möglichkeit, Flüchtlinge in Sporthallen unterzubringen, eine klare Abfuhr. "Wenn ich Integration will, dann läuft vieles über die Vereine. Ich kann diese nicht auf der einen Seite fordern und ihnen dann die Sportstätten nehmen. Das ist ein No-Go." Gleiches gelte fürs Schullandheim.

Wie hoch der Grad der Abwanderung unter den Flüchtlingen sein wird, kann Laub nicht einschätzen. Er gehe davon aus, dass jene Familien, deren Kinder hier in Kindergarten oder Schule Fuß fassen, wohl eher bleiben werden. Auch seien schon Flüchtlings-Babys hier geboren worden. "Es ist unglaublich, wie schnell die Kinder unsere Sprache lernen", sagt Laub und denkt dabei an ein konkretes Erlebnis. Ein syrisches Mädchen, das den Kindergarten besuche, sei als Dolmetscher eingesprungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort