Renaturierung Renaturierung heißt das Zauberwort

Alsweiler · Ein Bauernhof in der Nähe des Naturschutzgebietes „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ wurde abgerissen und die Fläche entsiegelt.

  Umweltminister Reinhold Jost, Alsweilers Ortsvorsteher Theo Neis, Axel Dideon von der Naturlandstiftung, Marpingens Bürgermeister Volker Weber und ÖFM-Geschäftsführer Eberhard Veith (von links) sehen sich vor Ort die Vorher-Nachher-Bilder an.

 Umweltminister Reinhold Jost, Alsweilers Ortsvorsteher Theo Neis, Axel Dideon von der Naturlandstiftung, Marpingens Bürgermeister Volker Weber und ÖFM-Geschäftsführer Eberhard Veith (von links) sehen sich vor Ort die Vorher-Nachher-Bilder an.

Foto: Thorsten Grim

Abrissbirne statt Spatenstich – so könnte man in aller Kürze beschreiben, was Ende vergangener Woche in der Merchbach gefeiert wurde. Die Merchbach ist eine Talaue westlich des 2100-Seelen-Dorfes Alsweiler in der Gemeinde Marpingen. Hier, an einem Seitenarm des Alsbachs, betrieb die ortsansässige Familie Hoffmann über Jahrzehnte einen Bauernhof. Der ist nun Geschichte: Prägten vor vier Wochen noch Ställe, Scheunen und Schuppen das Bild vor Ort, steht hier nun nichts mehr – das Gelände wurde der Natur zurückgegeben. Und das wurde jetzt, wo die Arbeiten größtenteils beendet sind, offiziell gefeiert.

Es ist ein trüber Herbsttag. Dunkle Wolken hängen bleiern am Firmament und lassen immer wieder Regenschauer zur Erde fallen. Das sollte zumindest die Biberfamilie freuen, die sich unweit des früheren Hofgeländes ein Revier erobert hat. Schließlich wird das Himmelsnass benötigt, um die vielen kleinen und großen Tümpel zu füllen, die Biber Berti und seine Sippe am Oberlauf des kleinen Fließgewässers, dem die Talaue ihren Namen zu verdanken hat, aufgestaut haben. Ein kleines von Menschen gebautes Gewässer ist nun dazu gekommen. „Das haben wir extra angelegt, denn hier gibt es ja die Besonderheit, dass wir den Biber in der unmittelbaren Nachbarschaft haben. Für den Tümpel haben wir die Bodenfläche um etwa einen Meter abgesenkt“, berichtet Ebehard Veith, Geschäftsführer der Naturland Ökoflächen-Management Gesellschaft (ÖFM). Die Tochtergesellschaft der Naturlandstiftung Saar hat den aufgegebenen Hof mit einer Fläche von 2,4 Hektar aufgekauft, komplett zurückgebaut, und den ursprünglichen Zustand der Merchbachaue wieder hergestellt. Da der Hof die einzige landschaftsfremde Anlage in der Merchbach war und die Aue fast vollständig zerschnitt, kommt dem Rückbau eine besondere Bedeutung zu. Und rechtfertigt auch die Auswahl. ÖFM-Chef Veith dazu: „Die Anzahl der Objekte, die uns jedes Jahr angeboten werden, übersteigt bei weitem die finanziellen Mittel, die uns für Renaturierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.“

Der Aussiedlerhof, den es nun nicht mehr gibt, stand bedingt durch einen Erbfall zum Verkauf – einschließlich der ihn umgebenden landwirtschaftlichen Flächen. Die werden in Zukunft von der Naturlandstiftung Saar beziehungsweise durch das Hofgut Imsbach bewirtschaftet. Und zwar naturnah, wie Veith betont. Die Befürchtungen mancher Alsweiler Bürger, ein Landwirt vom Marpinger Ortsteil Rheinstraße könnte die Flächen erwerben oder pachten, um dort Klärschlamm aus Bliesen ausfahren zu können, bewahrheiten sich demnach also nicht. Was auch den Alsweiler Ortsvorsteher Theo Neis freut: „Die Resonanz in Alsweiler über den Rückbau ist überwiegend positiv.“ Das läge mit daran, dass der Hof mit seinen Wirtschaftsgebäuden in einem äußerst schlechten Zustand gewesen ist. Wovon auch Detlef Hoffmann vom Architekturbüro Hoffmann und Weber ein Liedchen zu singen weiß. „Es waren schon einige Überraschungen, die auf die Abbruchfirma Gihl aus Eppelborn gewartet haben.“ Ölfässer beispielsweise, zwei Container voll mit Altreifen, alter Mist und Massen vermoderten Strohs. Oder auch viele Quadratmeter asbesthaltiger Eternitplatten. Das alles musste fachgerecht entsorgt werden, berichtet Hoffmann.

Knapp 140 000 Euro hat das Umweltministerium in Saarbrücken für den naturnahen Rückbau springen lassen. „Das zeigt, dass uns der ländliche Raum viel wert ist“, betont Umweltminister Reinhold Jost (SPD), ehe er symbolisch den entsprechenden Scheck überreicht.  Jost spricht bei dieser Gelegenheit das Problem der Versiegelung und Zersiedelung an. „Jeden Tag werden in Deutschland 70 Hektar freie Landschaft für Baumaßnahmen und Infrastrukturprojekte versiegelt“, berichtet der Minister. Da entspricht in etwa einer Fläche von 100 Fußballfeldern, die der Natur Tag für Tag verloren gehen – für Industrie, Gewerbe, Siedlungen oder Verkehrsprojekte. Die nun freigewordene Hof-Fläche soll alsbald in das bestehenden Naturschutzgebiet „Täler der Ill und ihre Nebenbäche“, in dem auch der benachbarte Biber sein Burg gebaut hat, eingegliedert werden. Und das Nutzland – wie oben bereits beschrieben – naturnah bewirtschaftet werden. Jost spricht dabei von Naturschutz, der nicht unter einer „Glasglocke“ stattfinde, sondern es gehe um „Schutz und Nutzen in einem ausgewogenen Verhältnis“.

Auch Marpingens Bürgermeister Volker Weber (SPD) lässt es sich nicht nehmen, den Abriss gebührend zu würdigen. „Die Gemeinde war oder ist bei dem Projekt zwar nicht finanziell mit im Boot, aber dennoch freue ich mich, dass das Gelände jetzt der Natur zurückgegeben werden kann.“ Solche Projekte eröffneten die Chance, durch den Rückbau naturnahe Räume zurückzugewinnen und dem Flächenverbrauch zumindest teilweise etwas entgegenzusetzen.

 In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Aussiedlerhofs hat der Biber ein Revier erobert.

In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Aussiedlerhofs hat der Biber ein Revier erobert.

Foto: Thorsten Grim

Wie weiter oben angesprochen, waren die Stallungen doch sehr in die Jahre gekommen, „teilweise sogar baufällig“, wie Architekt Hoffmann betont. Das habe wohl daher gerührt, dass die früheren Hofbetreiber keine Reichtümer mit ihrer Arbeit anhäufen konnten – das wiederum habe aber auch etwas Positives: „Möglicherweise weil das Geld für Dünger fehlte, sind die Wiesen naturschutzfachlich in einem wunderbaren Zustand. Das sind echte Blumenwiesen“, gerät ÖFM-Chef Veith geradezu ins Schwärmen. Und auch die Fläche, auf der der Hof selbst stand, jetzt noch mit Stroh bestreutes blankes Erdreich, werde spätestens in Jahresfrist ganz natürlich aussehen.

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