Kolumne Jeder kann etwas tun

Der Aufschrei war riesig. Nachdem wir unter der Woche die Beobachtungen eines St. Wendeler Weihnachtsmarkt-Besuchers geschildert hatten, der sich über den Umgang mit den dort zur Schau gestellten Kamelen beklagte, gab es kein Halten mehr.

Kolumne: Jeder kann etwas tun
Foto: SZ/Robby Lorenz

Unzählige Kommentare ploppten in kürzester Zeit unter dem auch auf Facebook veröffentlichten Artikel auf. Zahlreiche Mails zu dem Thema erreichten die Redaktion – von Tierrechtlern, Tierschutz-Organisationen und Privatleuten. Ein wahrer Sturm der Empörung entlud sich über Marktbetreiber, Tierhalter und sogar der Polizei, die trotz Anzeigen nicht gegen die Tierquäler vorgehe, so der Vorwurf. Offensichtlich liegt das Wohl der Tiere den Menschen sehr am Herzen. Das ist schön. Und doch ist mir etwas mulmig zumute. Denn mir drängt sich die Frage auf, wie viele derjenigen, die mit teilweise derben Worten den als Misshandlung empfunden Umgang mit den Kamelen verurteilen, beim Einkauf genauestens auf den Preis der Wurst- und Fleischwaren achten. Das ist an sich nicht verwerflich. Und dennoch, wenn im Supermarkt ein 900 Gramm schweres Suppenhuhn zum Jubiläumspreis von einem Euro verkauft wird, oder ein Discounter 600 Gramm marinierter Schweinenacken für 1,99 raushaut, dann muss jedem klar sein: Diese Tiere können kein schönes Leben gehabt haben. Und wenn wir ehrlich sind, gilt das für alle Mitwesen, die in einer Massenhaltung ihr kurzes Tierleben fristen. Nicht selten wird ihr Körper gewaltsam der jeweiligen Haltungsform angepasst: Schwänze, Schnäbel, Hoden und teilweise auch Zähne werden gekürzt, zerschnitten oder abgetrennt – oft ohne Betäubung. „Überflüssige“ Hühnchen werden geschreddert und vergast. Und wenn sie doch als lebenswert erachtet werden sollten, stehen den Schlachthähnchen die Qualen der Mast bevor. Indes wäre es nicht redlich, Händlern oder Erzeugern vorzuwerfen, sie alleine seien für die Qualen unserer tierischen Mitgeschöpfe verantwortlich. Denn nahezu alle tragen wir mit unserem Einkaufsverhalten als Schnäppchenjäger dazu bei. Inzwischen gibt es – auch das gehört zur Wahrheit – viele Landwirte und Erzeuger, die einen anderen Weg gehen. Dieser Weg hat seinen Preis. Ihn zu beschreiten lohnt sich für die Bauern nur, wenn wir Tierliebhaber bereit sind, dafür zu zahlen.

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