Relikt des Kriegs weicht der Natur

Grügelborn · Rinder statt Raketen – so titelte die SZ vor einem Jahr, als der Startschuss für die Renaturierung der ehemaligen Raketenstation Reitscheid fiel. Jetzt ist es soweit: Von Militär ist nichts zu sehen; die Rinder sind da.

 Noch weiden die Galloway-Rinder bei Oberkirchen. Fotos: Bonenberger & Klos

Noch weiden die Galloway-Rinder bei Oberkirchen. Fotos: Bonenberger & Klos

Fast genau vor einem Jahr ging für Umweltminister Reinhold Jost ein Traum in Erfüllung: "Ich durfte mit einem Abrissbagger eine Wand einreißen." Darin erinnerte er sich, als er am Mittwoch erneut nach Grügelborn kam, um zu sehen, was aus dem lindgrünen Gebäude geworden ist, für dessen Abriss er im März 2014 den Startschuss gegeben hatte: die ehemalige Nato-Raketenstation Reitscheid.

Zu sehen ist fast nichts mehr, nur noch das eiserne Tor ist geblieben. Keine Kaserne; auch die Halle ist weg. Stattdessen eine große, freie Fläche. Aus dem Mutterboden sprießt nach und nach das Gras. "Im Sommer wird hier eine blühende Wiese sein", sagte Eberhard Veith, der Geschäftsführer der Naturlandstiftung Saar , der Muttergesellschaft der Naturland Ökoflächen-Management GmbH, die für die Renaturierung des ehemaligen US-Geländes zuständig ist. Das Umweltministerium förderte das Ganze mit 80 Prozent. Das ist dank des Fern-Projekts möglich. Fern, das bedeutet Förderung von Maßnahmen zur Flächenentsiegelung und Renaturierung. Insgesamt kostete das Projekt 430 000 Euro. Allein 120 000 Euro entfielen auf den Grunderwerb. Der Rest sei für Abriss und Entsorgung draufgegangen. Denn zunächst wurden alle Müll- und Schrottablagerungen beseitigt, alle Gebäude abgerissen und die asphaltierten und betonierten Flächen zurückgebaut; das Material wurde entsorgt. Es handelt sich um 20 000 Quadratmeter, die die Naturland Ökoflächen-Management GmbH vor rund eineinhalb Jahren von einem Privatbesitzer - nicht der US-Army oder der Bundesvermögensverwaltung - gekauft hatte. Der Privatbesitzer war ein Dachdecker, der dort sein Material gelagert hatte.

Hinzu kommen 25 000 Quadratmeter, die sich im Tal an das Gelände anschließen. Dort wurden Beton-Klärteiche der Amerikaner zurückgebaut. Die Arbeiter fanden zwei Tanks, die in einem zehn Jahre alten Gutachten nicht angegeben waren. Diese zurückzubauen kostete rund 40 000 Euro mehr als geplant. Außerdem war ein Bach verrohrt, dieser war gar nicht mehr zu sehen. Jetzt ist er wieder freigelegt - auf 200 Metern.

Neue Lebensräume

"Das Gelände soll parkähnlich angelegt werden", sagt Veith. Dort werden in wenigen Wochen auch die Galloway-Rinder weiden, die derzeit noch ein paar hundert Meter weiter in Richtung Oberkirchen grasen. Die Rinder beschreibt Veith als tierische Landschaftspfleger. Sie weiden das ganze Jahr über dort; auch der Winter mache ihnen nichts aus. Sie seien robust und gesund. Ein Beweis dafür sah die Truppe um Reinhold Jost vor Ort: ein kleines weißes Kälbchen, das am Vortrag erst zur Welt gekommen war. Die Mutter hatte sich von der Herde getrennt und sich mit ihrem Nachwuchs zurückgezogen. 13 Rinder sind es derzeit, mehr sollen es auch nicht werden. 0,6 Tiere pro Hektar, das sei die richtige Quote. Durch diese Extensivbeweidung entstünden, so Veith weiter, verschiedene Lebensräume - Tümpel, Feuchtflächen, Gehölze zum Beispiel. Die Natur könne sich wunderbar entwickeln. Auch, weil derzeit zwei und bald vier Konik-Pferde ebenfalls ihre Arbeit tun. Und sie haben ganz andere Fress-Vorlieben als die Rinder; dadurch seien sie die optimale Ergänzung. Zumal sie sich gut mit den Rindern vertragen.

Und: Da die Rinder erst im ausgereiften Alter von zwei bis drei Jahren geschlachtet würden und ohne Kraftfutter auskommen, sei das Fleisch hochwertig. Im Hofladen auf dem Hofgut Imsbach in Theley soll es bereits in etwa zwei Monaten angeboten werden. Und das nicht teurer als in anderen Bioläden auch. Allerdings: etwa 25 Prozent teurer als herkömmliches Fleisch. Das scheint den Kunden nichts auszumachen, wie Veith betont: "Die Nachfrage ist extrem hoch."

Freisens Bürgermeister Karl-Josef Scheer freut sich nicht nur, dass nun ein "Relikt des Kalten Krieges" verschwunden sei.

Er freut sich auch auf das, was die Naturland Ökoflächen-Management GmbH noch plant: So will sie den Fritz-Wunderlich-Weg, der durch das Beweidungsgebiet verläuft, nutzen, um die zahlreichen Wanderer über die Extensivbeweidung zu informieren. Hinweistafeln sollen am Wegesrand aufgestellt werden.

"Und den Turm nicht vergessen", erinnerte Bürgermeister Scheer an ein versprochenes Vorhaben: Ein Aussichtsturm soll einen Blick über die weidenden Rinder bieten.

 Nichts mehr von Militär zu sehen: Reinhard Jost in Grügelborn.

Nichts mehr von Militär zu sehen: Reinhard Jost in Grügelborn.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Nato-Raketenbasis in Grügelborn ist ein Relikt des Kalten Krieges. Erste konkrete Pläne wurden durch den damaligen Landrat Schütz am 7. April 1960 veröffentlicht. Nachdem die Franzosen die Anlage zunächst als Munitionsdepot genutzt hatten, übernahmen sie die Amerikaner bald als Raketenstellung. Ausgerüstet war die Basis unter anderem mit Hercules- und Hawk-Raketen, heißt es von amerikanischer Seite. Bei einem Bombenanschlag auf einen Stützpunkt der US-Armee im September 1985 wurden drei mobile Radarstationen für Hawk-Luftabwehrraketen zerstört. Die Täter werden im Umkreis der Roten-Armee-Fraktion vermutet. 1992 gaben die Alliierten die Station auf, anschließend war sie ein Flüchtlingslager für Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, später wurden die Gebäude gewerblich genutzt. him

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