Mobbing „Nicht gedacht, dass es so schlimm ist“

Freisen · Gemeinschaftsschule Freisen setzt ein Zeichen und lässt sich als „Schule gegen Cybermobbing“ zertifizieren.

 Referent Peter Sommerhalter, Leiter Prävention und Medienberatung beim Karlsruher Verein Bündnis gegen Cybermobbing.

Referent Peter Sommerhalter, Leiter Prävention und Medienberatung beim Karlsruher Verein Bündnis gegen Cybermobbing.

Foto: Frank Faber

Ja, die Zeiten haben sich geändert. Ging es vor Jahren noch um Schubsen auf dem Schulhof oder Hänseleien in der Pause, läuft modernes Mobbing übers Internet oder per Nachrichten auf dem Smartphone. Das ist nicht weniger schmerzhaft, dafür aber hemmungsloser, ständig und überall. Auch die Schüler in Freisen haben mit Kettenbriefen und Schockvideos bereits ihre Bekanntschaft gemacht. Dagegen setzt nun die Gemeinschaftsschule Freisen ein Zeichen und lässt sich als „Schule gegen Cybermobbing“ zertifizieren.

Und Film ab: Eingangs der Auftaktveranstaltung blicken die Sechstklässler in der Schulaula gebannt auf die Leinwand. Referent Peter Sommerhalter, Leiter Prävention und Medienberatung beim Karlsruher Verein Bündnis gegen Cybermobbing, startet das Comic-Musikvideo „Are you lost in the world like me?“ („Bist du genauso in der Welt verloren wie ich?“) von Moby & The Void Pacific Choir. Darin springt ein Mädchen vom Dach, herumstehende Männchen halten das Handy hoch und machen ein Foto. Zudem werden Menschen auf dem Handydisplay einfach weggewischt. „Viele Dinge im Video erklären eine Gefahr, die man gar nicht so erkennen kann“, mahnt Sommerhalter. Beleidigende E-Mails, Hasskommentare in sozialen Netzwerken oder entstellende Fotos von Jugendlichen, die ohne deren Einverständnis durchs Netz gehen: Cybermobbing, so berichtet Sommerhalter, sei insbesondere mit jungen Opfern immer stärker auf dem Vormarsch.

„Die Prävention sollte bereits in der Grundschule beginnen, da Kinder oft an der Kommunion oder zum Geburtstag ein Handy oder einen Laptop geschenkt bekommen und damit auch Zugang zum Internet bekommen“, erklärt Sommerhalter. „Ist das nicht komisch?“, fragt er. „In die eine Welt im Straßenverkehr wird man begleitet, an die Hand genommen und quasi an der Klassentür abgegeben. In die andere Welt des Internets wird man so reingeschmissen.“ Getreu dem Motto: So, da hast du ein Handy. Und dann bleibe das Kind oder der Jugendliche oft sich selbst überlassen. Dabei kann ein sogenannter Messangerdienst wie Whatsapp Mobbing sofort Tür und Tor öffnen.

Sommerhalter rüttelt die Schüler wach und will sie sensibilisieren. Die Kinder sollen lernen, wie Mobbing zu verhindern ist. „Wenn man nichts tut, wird Cybermobbing immer schlimmer. Es hört nie von selber auf“, warnt der Referent. Doch soweit soll es nicht kommen. „Lasst nicht zu, dass ihr selbst oder jemand fertig gemacht wird“, rät Sommerhalter. Werdet ein Teil der Lösung des Problems, appelliert er: „Grundtenor ist Respekt, Freundlichkeit, aufeinander aufpassen und nett miteinander umzugehen“.

Sommerhalters Ausführungen haben den elfjährigen Finn sichtlich berührt: „Ich habe nicht gedacht, dass alles so schlimm ist“, sagt der Schüler. Freundlich sein gegen andere, das habe er im Anti-Mobbing-Unterricht gelernt. „Ich werde ab und zu anderen ein Kompliment schenken“, nimmt sich Schülerin Emily (11) vor. Wenn kompromittierende Dinge auf dem Handy auftauchen, so empfehlt Sommerhalter, sollen sich die Schüler an eine Vertrauensperson wenden, um sich Rat und Hilfe zu holen. „So ist das auch hier an der Schule gedacht“, betont Sommerhalter. In den kommenden Wochen werden die Lehrer das Thema mit den Sechstklässlern vertiefen und Rollenspiele gegen Cybermobbing erarbeiten. Mitte April werden auch die Eltern mit in die Verantwortung genommen. Schüler und Experten schulen dann die Eltern. Dass Kinder und Eltern aktiviert werden, so Sommerhalter, unterscheide das Projekt von vielen anderen.

Zum Hintergrund: Nach Angabe des Karlsruher Vereins Bündnis gegen Cybermobbing ist die Gemeinschaftsschule Freisen die erste saarländische Schule, die sich von dem Verein gegen Cybermobbing zertifizieren lässt. Das Zertifizierungsverfahren läuft in drei Schritten ab. Dazu fand ein pädagogischer Fortbildungstag für das Lehrerkollegium statt. Der Pilotjahrgang, Klassenstufe sechs, nahm an der Auftaktveranstaltung mit Peter Sommerhalter, Leiter Prävention und Medienberatung beim Karlsruher Verein Bündnis gegen Cybermobbing, teil.

Der Projekttag mit einem Elternabend ist für den 15. April, 18.30 Uhr, terminiert. Dabei werden die Schüler zu Medienscouts und erklären ihren Eltern, was sie über das Thema „Cybermobbing“ gelernt haben. Ab diesem Zeitpunkt fungieren die Schüler sowie die Lehrer des Jahrgangs als Multiplikatoren, die das Thema in die Schulgemeinschaft transportieren. Ausgewählte Lehrer, der Schoolworker und ein Mitglied der Schulleitung bilden dann ein Mobbinginterventionsteam, das bei Bedarf auch um Schüler beziehungsweise Eltern ergänzt werden kann. Laut Schulleiter Marc André Müller soll das Projekt regelmäßig in jedem Jahr mit der Klassenstufe 6 durchgeführt werden.

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