Angst vor Windkraft-Wildwuchs in Freisen

Freisen · Prinzipiell seien Naturschützer zwar nicht gegen die Anlagen. Aber sie wehren sich, dass alles zugebaut wird..

 Der Windpark in Freisen mit seinen zahlreichen Windrädern war der erste im Saarland. FOTO: Bonenberger & Klos

Der Windpark in Freisen mit seinen zahlreichen Windrädern war der erste im Saarland. FOTO: Bonenberger & Klos

"Der Landschaftsgenuss ist vorbei", bringt Josef Müller seine Meinung auf den Punkt. Der Naturschutzbeauftragte der Gemeinde Freisen und Vorsitzende des dortigen Naturschutzvereins äußerte bereits 2013 seine Bedenken gegen die "wilde Bebauung" von Windrädern in seinem Wohnort. Seinerzeit ging es um die Erweiterung des bestehenden Windenergieparks und Einteilung von Mühlenberg und Rothsberg als so genannte Vorrangflächen. Nun, da auf der Freisener Höhe vier neue Anlagen stehen (wir berichteten), erneuert er seine Kritik. "Blickt man vom Reckersberg im Osten in die weitläufige Landschaft, so ist der ganze Horizont mit Windrädern zugebaut", so der 65-Jährige. Insgesamt 42 könne man erblicken, rechnet der Naturschutzbeauftragte vor. Er sei nicht gegen die Anlagen, im Gegenteil: Er habe durch Aufklärung, Infoveranstaltungen und finanzielle Unterstützung dazu beigetragen, dass das erste Windrad gebaut werden konnte.

Aber einen Wildwuchs auf Kosten der Natur müsse man ausschließen. Er erinnert an die Aufgabe, den nächsten Generationen ein lebenswertes Umfeld zu hinterlassen. Zudem sei, seinen Informationen nach, der Bereich Füsselberg bis Rothsberg ehemalige Ausgleichsfläche für verlorene Waldflächen in St. Ingbert, Elversberg und Spiesen. "Sind Ausgleichsflächen nicht von einer erneuten Bebauung ausgeschlossen?", fragt er. Außerdem befänden sich in unmittelbarer Nähe zwei Naturschutzgebiete: der Hofberg und der Weißelberg. Das Gebiet biete auch Rückzugsmöglichkeiten für Wild und weitere Tiere. Für Rotmilane seien Teile des Bereichs bevorzugtes Jagdgebiet während ihres Durchzuges. In der Allerbach konnte ein Luchs nachgewiesen werden, ebenso eine Wildkatzenpopulation. "Wird der Wald als Lebensraum für Flora und Fauna dem Gewinnstreben der Verantwortlichen geopfert?", so Müller.

Dies sei ganz klar nicht zutreffend, teilt Sabine Schorr, Pressesprecherin des Saar-Umweltministeriums, mit. Der Naturschutzgedanke habe sich im Laufe der Zeit jedoch gewandelt. So habe früher vor allem der Gedanke vorgeherrscht, Artenschutz zu betreiben. Heute möchte man Strukturen auf möglichst großer Fläche verändern. So sollen Bestände von Nadelbäumen nach und nach zu standortheimischen Wäldern mit gemischten Baumarten umgebaut werden und so Strukturen gebildet werden, die einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. Der Saarforst unternehme zudem große Anstrengungen, um Naturschutz landesweit auf den staatlichen Waldflächen umzusetzen. So sei im Saarland die Forderung frühzeitig umgesetzt worden, zehn Prozent der Staatswaldfläche, nach Angaben des Ministeriums rund 3800 Hektar Wald, aus Gründen des Naturschutzes aus der Nutzung zu nehmen - und somit auf Einnahmen zu verzichten. In der Gemeinde Freisen wurde ein Flächennutzungsplan (FNP) für Windvorrangflächen verabschiedet, so die Pressesprecherin weiter. Innerhalb dieser ausgewiesenen Flächen sind Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen prinzipiell möglich. Würde eine Gemeinde keinen solchen Plan vorlegen, könnte ein möglicher Investor an jeder Stelle im Außenbereich der Gemarkung einen Antrag auf Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen stellen und hätte gute Chancen auf Genehmigung.

Der Bereich Füsselberg/Rothsberg wurde als Windvorrangfläche ausgewiesen. Der geplante Windpark Freisen-Rothsberg mit zwei Anlagen ist laut Schorr derzeit im Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz. Wird dieser genehmigt, müssen 1,2 Hektar Wald den Anlagen weichen. Eine gleich große Ausgleichsfläche soll dafür innerhalb der Gemarkung Asweiler entstehen.

Die Aufforstungen um Freisen herum in den 1950er- bis 1980er-Jahren seien keine Ausgleichsflächen gewesen, wie sie heute bei Waldumwandlungen genehmigt werden. Seinerzeit, so erläutert Schorr, gab es landesweit Aufforstungen. Damals sei die Waldfläche von zirka 75 000 Hektar auf die heutigen 93 000 Hektar vergrößert worden, und zwar weil teilweise die Landwirtschaft aufgegeben wurde. Die Gebiete Hofberg und Weißelberg seien nach ihrer Anerkennung als Natura-2000-Gebiete jeweils im Dezember 2014 als Naturschutzgebiete ausgewiesen worden. Eine Erweiterung der Gebiete sei derzeit nicht geplant und komme daher als Verhinderungsgrund für Windkraftanlagen nicht in Frage.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort