Fanclubs in St. Wendel zu Football Leaks „Es geht eh nur noch um die Kohle“

St. Wendel · Fußball-Fanclubs im St. Wendeler Land ärgern sich über Gedankenspiele zu einer Superliga.

 Dortmunds Mahmoud Dahoud (rechts) und Renato Sanches von Bayern versuchen, an den Ball zu kommen.

Dortmunds Mahmoud Dahoud (rechts) und Renato Sanches von Bayern versuchen, an den Ball zu kommen.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die Enthüllungen über geheime Machenschaften wirbeln den Profifußball durcheinander. Die ARD-Doku „Football Leaks – von Gier, Lügen und geheimen Deals“ hat zwar die Fanszene aufgeschreckt, doch der große Aufschrei ist ausgeblieben. Niemand geht offenbar noch von sauberen Geschäftspraktiken im Top-Fußball aus.

In der Doku werden die Gedankenspiele einiger europäischer Spitzenclubs enthüllt, eine eigene exklusive Superliga mit elf Teams und fünf Gastclubs zu gründen und 2021 aus Champions League und den jeweiligen Landesligen auszusteigen. Bei den Plänen soll der FC Bayern München eine treibende Kraft sein, hat ein Recherchenetzwerk enthüllt, an dem auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ beteiligt ist.

„Unter den Fans sind diese mutmaßlichen Pläne sofort negativ kommuniziert worden und momentan ist es kein Thema mehr“, berichtet Markus Baltes, kommissarischer Vorsitzender des FC-Bayern-München-Fanclubs in St. Wendel. Aber „Nie mehr Deutscher Meister FCB? Nie mehr ehrliche Titel“, hat beim letzten Heimspiel auf dem einen Spruchband in der Südkurve gestanden. „Wir stehen zur Bundesliga – Superliga ohne uns“, auf dem anderen. Die wirtschaftlichen Überlegungen der Clubs, in einer sogenannten Superliga noch mehr Geld verdienen zu können, könne er sich allerdings schon vorstellen. „Es geht eh nur noch um die Kohle“, sagt Baltes. Ihre Eliteliga könnten die europäischen Topclubs an der Uefa vorbei selbst vermarkten und den Gewinn so um mehrere hundert Millionen steigern. „Attraktiv ist einmal für Vereine, dass sie selbst einen Wettbewerb regeln können, wie sie das wollen. Das zweite Interesse ist dann sicherlich auch das Potenzial, das eine Superliga wirtschaftlich hat. Das ist dann eine Vollvermarktung, die da stattfindet, da kann man da das Letzte rausholen“, sagte der FC-Bayern-Chefjustiziar Michael Gerlinger in der ARD-Doku zu den Planspielen. Und die bewertet Baltes kritisch. „Dann würden die Preise für eine Eintrittskarte weiter in die Höhe schnellen. Es gäbe nur noch eine Spielstätte und damit wären die Fanproteste vorprogrammiert“, ist er überzeugt.

Ein Horrorszenarium sei für den Fan, wenn der FC Bayern in einer Superliga mit den Topkickern antrete und zu den Bundesligaspielen seine B-Elf entsende. Baltes meint dazu: „Dann würden sich die Prioritäten heftig verschieben und Spitzenspiele gegen Dortmund oder Schalke für den Zuschauer ihren Reiz verlieren“.

Und wie sehen das andere Fanclubs? „Wir hätten dann wieder die Chance, Deutscher Meister zu werden“, scherzt Claudia Warken aus Scheuern, die seit 18 Jahren dem Fanclub Schalker Freunde Nordsaar 97 vorsitzt. Sie wundere sich über nichts mehr. „Der Fußball bleibt schon seit langem auf der Strecke, alles nur noch Geldmacherei“, stöhnt Warken. Mit den Summen, die im Fußball rumschwirren und den irrsinnigen Spielergehältern kann sie sich nicht mehr anfreunden. Warken möchte sich nicht ausmalen, wie sich der Profifußball in zehn Jahren darstellt.

Ron Krause, Präsident der Werder-Raute-Saar sagt: „Diese Superliga bedeutet die größtmögliche Entsolidarisierung von den Fußballfans.“ Als Anhänger des SV Werder Bremen hält Krause von „einem selbst ernannten Club der Besseren“ überhaupt nichts. „Das wäre dann doch kein Wettbewerb mehr, nur noch reine Show“, erklärt der St. Wendeler. Aktuell missfällt ihm ohnehin die Aufsplitterung der Bundesligaspiele am Wochenende durch die Deutsche Fußball Liga (DFL). „Die Anstoßzeiten sind teilweise katastrophal“, macht sich Krause Luft. Auch Bayern-Fan Baltes grätscht die DFL dafür ab. „Mit Kindern, die nächsten Morgen zur Schule müssen, ein paar Hundert Kilometer zu einem Sonntagsspiel um 18.30 Uhr zu fahren, geht doch gar nicht“, beklagt der frühere St. Wendeler Oberligakicker. Protestaktionen dagegen sind bislang jedoch erfolglos verpufft.

Längst wirft die Fanszene dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der DFL reine Profitgier vor. „Aber die Stadien sind voll und auch für einen organisierten Fanclub ist es nicht immer einfach, an Karten ranzukommen“, bedauert Baltes. Während die Stimmungsboykotte in den Stadien dagegen wohl wenig ausrichten werden, kündigt Bayern-Präsident Uli Hoeneß rechtliche Schritte gegen den „Spiegel“ an. Gegenüber dem Tagesspiegel behauptet er, dass es keinen Plan gegeben habe, aus der Bundesliga auszusteigen und an einer Super League teilzunehmen. „Es wurde vor zwei, drei Jahren innerhalb der internationalen Gremien mal darüber diskutiert und auch bei uns im Aufsichtsrat. Dort wurde es einstimmig abgelehnt, damit war die Sache vom Tisch“, zitiert der Tagesspiegel den Bayern-Präsidenten. „Wir bleiben bei unserer Geschichte“, ließ indes „Der Spiegel“ verlauten.

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