Aberglaube Aberglaube versetzt Berge

Heute ist Freitag der 13. Doch wer denkt, dieser Tag würde ihn nicht beeinflussen, liegt falsch. Denn die meisten Menschen tendieren zum Aberglauben. Wenn auch völlig unbewusst.

 Schwarze Katzen haben noch immer den Ruf, ein Abbild des Satans zu sein.

Schwarze Katzen haben noch immer den Ruf, ein Abbild des Satans zu sein.

Foto: dpa/Boris Roessler

Freitag der 13. – ein Tag der die Menschen teilt. In diejenigen, die den guten Wolf füttern und in diejenigen, die den bösen Wolf füttern. Was er damit meint, erklärt Psychotherapeut Manfred von Kannen so: „Wer sich im Leben auf das Positive konzentriert, hat Glück. Wer seinen Fokus auf das Negative richtet, hat Pech.“ Das gelte für jeden Kalendertag. Aber für den angeblich so schwarzen Freitag eben ganz besonders. Denn Gedanken würden in Kombination mit Gefühlen das Leben bestimmen. „Ein Ereignis selbst ist oftmals nicht das wirkliche Problem, sondern unsere Sichtweise und dessen Interpretation“, erklärt er. Es sei bewiesen, dass immer nur die Situationen über uns Macht erhalten, denen wir selbst diese Macht zusprechen. An einem Freitag dem 13. fokussieren sich viele Menschen auf das Unglück. „Dadurch bemerken sie Dinge, die ihnen sonst gar nicht auffallen. Selbst kleine Missgeschicke rücken plötzlich in den Vordergrund. Damit haben uns diese Ereignisse sozusagen im Griff“, erläutert der Psychotherapeut.

Wie viele Menschen sich vom Aberglauben beeinflussen lassen, zeigen Studien. So hat die Kaufmännische Krankenkasse beispielsweise festgestellt, dass an einem Freitag dem 13. gleich drei bis fünf Mal so viele Arbeitnehmer wie im Monatsdurchschnitt krankgeschrieben sind. Die Paraskavedekatriaphobie – so nennen Wissenschaftler die Angst vor diesem Tag – ist in den westlichen Kulturkreisen fest verankert. Viele Hotels verzichten auf das 13. Stockwerk. In einigen Flugzeugen fehlt eben diese Sitzreihe. Und in so manchen Straßen gibt es die Hausnummer 13 nicht. Die Zahl verkörpert das Böse, das Unglück, das Pech. Ebenso wie der Rabe und die schwarze Katze.

 Psychotherapeut Manfred von Kannen.

Psychotherapeut Manfred von Kannen.

Foto: Von Kannen

Was ist der Grund dafür? Das magische Denken helfe den Menschen, mit unberechenbaren Situationen besser umzugehen. „Er ist für uns eine Strategie, dieser unvorhersehbaren Welt etwas entgegenzusetzen. Auch wenn dies meist nur eine Illusion ist, den Lauf der Dinge doch irgendwie kontrollieren zu können“, sagt von Kannen. Denn die Menschheit brauche eine höhere Macht, die sie für gewisse Dinge verantwortlich machen kann. Das Gehirn versuche ständig, Muster und Verbindungen in der Umwelt zu erkennen. „Je unsicherer die eigene Lage ist, desto stärker ist dieses Verhalten ausgeprägt. Zumeist aber völlig unbewusst“, erklärt der St. Wendeler Psychotherapeut. Daher tendierten auch die meisten zum Aberglauben. „Selbst Personen, die ihn nach außen hin negieren, können das damit verbundene Gefühl nicht ganz abschütteln“, sagt von Kannen. Das sei weder pathologisch noch abnormal.

 Glück zum Anfassen: Wer einem Schornsteinfeger begegnet, darf auf eine gute Zeit hoffen.

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Foto: picture alliance / dpa/Matthias Bein

Dass sogar Tiere abergläubig sind, hat der amerikanische Verhaltensforscher Burrhus Skinner nachgewiesen. Im Jahr 1948 führte er ein Experiment mit Tauben durch. Er sperrte die Tiere in einen Käfig und ließ alle 15 Sekunden ein Futterkorn hineinfallen. Die Vögel entwickelten seltsame Verhaltensweisen. Einige drehten sich im Kreis, andere pickten regelmäßig in einer Ecke und manche schlugen mit den Flügeln. Skinners Erklärung: Die Tauben haben die Bewegungen zunächst zufällig zu dem Zeitpunkt ausgeführt, als ein Korn in den Käfig fiel. Unbewusst verknüpften sie das Verhalten mit dem Futter. Die Tiere entwickelten den Aberglauben, dass ihre Bewegungen das Korn herbeizaubern.

 Im Sport ist Aberglaube verbreitet. Michael Ballack setzte auf die Nummer 13 als Glücksbringer.

Im Sport ist Aberglaube verbreitet. Michael Ballack setzte auf die Nummer 13 als Glücksbringer.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Skinner führte das Experiment noch weiter und stellte fest, dass auch Kinder dieses Verhalten zeigen. „Das nennt man Konditionierung. Es werden Vorgänge miteinander verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben“, erklärt von Kannen. Haben Lebewesen mit einem bestimmten Verhalten Erfolg, machen sie es beim nächsten Mal zur Sicherheit noch einmal genau so. So entwickeln sich Rituale und Aberglaube. „Wir Menschen neigen dazu, einmal gefasste Ansichten zu verteidigen“, sagt der Psychotherapeut. Daher halte sich der Mythos vom Freitag dem 13. auch so hartnäckig. Selbst wenn wir ihn unbeschadet überstehen. Von Kannen weiß: „Auch wenn ein Ritual fehlschlägt, suchen wir die Schuld eher bei uns selbst.“

 Mit einem Glücksschwein als Talisman kann nichts schief gehen. Das weiß jedes Kind.

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Foto: dpa/Marijan Murat

Obwohl Aberglaube realistisch gesehen also völlig willkürlich und unsinnig ist, könne er durchaus dabei helfen, Aufgaben besser zu bewältigen. Es gebe Gruppen, die gezielt mit Talismanen arbeiten. Zum Beispiel Schüler, Seeleute, Bergmänner und Sportler. Verbreitet ist das magische Denken im Fußball: Gerd Müller, der Bomber der Nation, trug immer Fußballschuhe in Größe 41, obwohl ihm Größe 38 passte. Seine Begründung: So könne er sich besser drehen. Der einstige Nationalspieler Michael Ballack war überzeugt, dass ihm die Trikotnummer 13 Glück bringe. Und Mario Gómez vertraut seit seinem 15. Lebensjahr auf dieselben Schienbeinschoner.

Im Jahr 2010 bewiesen Wissenschaftler, dass Aberglaube sprichwörtlich Berge versetzen kann. Sie teilten Golfer in zwei Gruppen. Der einen übergaben sie einen sogenannten Glücksball. Der anderen sagten die Forscher, dass alle mit einem gewöhnlichen Ball spielen würden. Es stellte sich heraus: Die Spieler mit dem vermeintlichen Glücksball waren konzentrierter, zuversichtlicher und trafen häufiger.

Man dürfe niemals die psychologische Macht des Aberglaubens unterschätzen, ist sich von Kannen sicher. Deshalb würden auch Placebos in der Medizin wirken. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von der selbst erfüllenden Prophezeiung. Die funktioniere in beide Richtungen, sagt der Psychotherapeut. Heißt: „Das, worauf ich meinen Fokus richte, werde ich auch suchen und finden.“ Entweder in Form des guten oder eben des bösen Wolfes.

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